VwGH 99/16/0011

VwGH99/16/00114.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über den Antrag der E & Co Gesellschaft mbH in S, vertreten durch Mag. Norbert Mooseder, Rechtsanwalt in Steyr, Stelzhamerstraße 1, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 19. August 1998, Zl. ZRV 137/1-3/1998, betreffend Rückerstattung des Außenhandelsförderungsbeitrages gemäß § 45 Zollgesetz 1955 sowie über die mit diesem Antrag verbundene Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 19. August 1998 wurde mittels RSb der im Verfahren ausgewiesenen Rechtsanwaltspartnerschaft nachweislich am 27. August 1998 zugestellt. Die sechswöchige Beschwerdefrist für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof endete daher am 8. Oktober 1998.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz des Beschwerdevertreters vom 9. Oktober 1998 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und gab diese Beschwerde am 9. Oktober 1998 zur Post.

Die am 9. Oktober 1998 und somit nach Ablauf der Frist zur Post gegebene Beschwerde war verspätet eingebracht und der Verwaltungsgerichtshof wies diese wegen Versäumung der Einbringungsfrist mit Beschluss vom 27. Jänner 1999, Zl. 98/16/0309-6, zurück.

In dem mit Schriftsatz vom 20. Jänner 1999 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Bescheidbeschwerde und der gleichzeitig erhobenen Bescheidbeschwerde brachte der Beschwerdevertreter vor, der angefochtene Bescheid sei am 27. August 1998 am Kanzleisitz der Rechtsanwaltspartnerschaft eingelangt. Das Vollmachtsverhältnis zur Antragstellerin sei in der Zwischenzeit von der Rechtsanwaltspartnerschaft auf den Beschwerdevertreter übergewechselt. Da zwischen den beiden Kanzleien eine strikte Aufteilung der Klienten, Akten und Abrechnung vereinbart sei, werde in jeder der Kanzleien bei allfälligem Vollmachtswechsel ein eigener Handakt angelegt und dies auch von dem jeweiligen Sachbearbeiter streng kontrolliert. Aus diesem Grunde habe die Kanzleiangestellte der Rechtsanwaltspartnerschaft sofort eine Kopie der eingelangten Berufungsentscheidung ohne Eingangsstempel angefertigt. Dann habe sie den Eingangsstempel der Rechtsanwaltspartnerschaft auf der Originalentscheidung angebracht und in den Handakt der Rechtsanwaltspartnerschaft eingelegt. Um die Fristwahrung jedenfalls zu gewährleisten, habe sie die Beschwerde auch mit einem Fristvormerk versehen und anschließend die kopierte Berufungsentscheidung ohne Eingangsstempel samt Handakt mit der gestempelten Originalentscheidung und den weiteren bezughabenden Unterlagen dem Beschwerdevertreter zur Mitnahme in dessen eigene Kanzlei übergeben. Dort habe dieser das Original und die Kopie der Berufungsentscheidung seiner Kanzleiangestellten mit der ausdrücklichen Weisung ausgehändigt, auf dem Berufungsbescheid sofort den Eingangsstempel seiner eigenen Kanzlei anzubringen und einen Fristenvormerk vorzunehmen. Im gegenständlichen Fall habe es die Kanzleiangestellte allerdings erstmalig weisungswidrig unterlassen, die Berufungsentscheidung sofort mit dem Eingangsdatum 27. August 1998 zu versehen. Die Kanzleiangestellte habe dies erst am nächsten Tag durchgeführt und die ungestempelte Kopie der Berufungsentscheidung mit dem Eingangsdatum 28. August 1998 versehen. Von diesem Datum ausgehend habe sie dann den beauftragten Fristvormerk vorgenommen.

Der Beschwerdevertreter sei bei der Erstellung der Bescheidbeschwerde am 9. Oktober 1998 davon ausgegangen, diese noch fristgerecht einbringen zu können. Die Kanzleiangestellte habe bei Übertragung des Diktates des Beschwerdeschriftsatzes sich jedoch ihr weisungswidriges und fehlerhaftes Verhalten in Erinnerung gerufen und nach Überprüfung des Handaktes sowie der Rücksprache mit der Kanzleiangestellten der Rechtsanwaltspartnerschaft das Zustelldatum 27. August 1998 geschrieben, obwohl der Beschwerdevertreter den 28. August 1998 diktiert gehabt hatte. Dann habe sie die Beilagen vorbereitet, wobei diesbezüglich nunmehr die Originalentscheidung mit Eingangsstempel der Rechtsanwaltspartnerschaft mit Eingangsdatum 27. August 1998 verwendet worden sei. Dies habe die Kanzleiangestellte getan, ohne ihre Vorgangsweise dem Beschwerdevertreter mitzuteilen. In den Abendstunden desselben Tages habe sie den bereits gebundenen Schriftsatz vorgelegt und dem Beschwerdevertreter sei bei Überprüfung des Schriftsatzes aufgefallen, dass unter Annahme dieses Zustelldatums die Frist zur Erhebung der Bescheidbeschwerde abgelaufen sei. Die Kanzleiangestellte sei zu diesem Zeitpunkt bereits nach Hause gegangen und er habe daher sofort eine selbstständige Überprüfung seines Handaktes und des Fristenbuches vorgenommen, weil er auf Grund der Zuverlässigkeit der Kanzleiangestellten davon habe ausgehen können, dass die vorgenommenen Eintragungen dort jedenfalls richtig seien. Bei der Überprüfung sei er zur Erkenntnis gelangt, dass auf Grund der dortigen Eintragungen die Frist nach wie vor gewahrt sei. Da es sich um den letzten Tag der Beschwerdefrist gehandelt habe, habe er in der Folge die sofortige Postaufgabe des Schriftsatzes vorgenommen.

Dem Beschwerdevertreter sei die Fristversäumung erstmals mit Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde vom 9. Dezember 1998, zugestellt am 7. Jänner 1999, zur Kenntnis gelangt, da er erst nach eingehenden Recherchen vom tatsächlichen Eingangs- und Zustellungsdatum erfahren habe.

Aus diesen Gründen wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und gleichzeitig die Bescheidbeschwerde erhoben.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag ist gemäß § 46 Abs. 3 VwGG beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Als Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG ist jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zu verstehen, das die Fristeneinhaltung verhindert hat. Besteht das Ereignis in einem Tatsachenirrtum über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, so hört das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG auf, sobald der Beschwerdeführer (Beschwerdevertreter) den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste, nicht aber erst in dem Zeitpunkt in dem der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung zugestellt worden ist (vgl. hg. Beschluss vom 23. September 1994, Zl. 94/02/0270) oder mit der Gegenschrift dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht wird.

Von einem Beschwerdeführer bzw. seinem Vertreter muss im Hinblick auf die aus § 34 Abs. 1 VwGG sich ergebende Bedeutung der Wahrung der Beschwerdefrist erwartet werden, dass er anlässlich der Unterfertigung der Beschwerde sein Augenmerk auch darauf richtet, welcher Zeitraum bis zum Ablauf der Beschwerdefrist noch zur Verfügung steht. Konnte er bei Einhaltung dieser gehörigen Aufmerksamkeit im Zeitpunkt der Unterfertigung der Beschwerde erkennen, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen ist, dann hat jedenfalls damit das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG aufgehört (vgl. Beschluss vom 12. Dezember 1984, Zlen. 84/13/0223, 0224).

Anlässlich der Abfassung des Beschwerdeschriftsatzes erkannte der Beschwerdevertreter bei der Kontrolle seines niedergeschriebenen Diktats, dass die Kanzleibedienstete als Zustelldatum im Beschwerdeschriftsatz 27. August 1998 festgehalten hat, obwohl er das Datum 28. August 1998 diktiert hatte und die Originalentscheidung mit dem Eingangsstempel der Kanzleigemeinschaft "27. August 1998" dem Beschwerdeschriftsatz als Beilage angeschlossen war. Der Beschwerdevertreter behauptete im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwar eine Überprüfung des Handaktes und des Fristenbuches vorgenommen zu haben, er behauptet aber gar nicht - was nahe liegend gewesen wäre - mit der Kanzleiangestellten allenfalls am nächsten Tag darüber gesprochen oder den Versuch unternommen zu haben, den Grund für das Datum 27. August 1998 auf dem Originalbescheid weiter zu erforschen. Dazu wäre der Beschwerdevertreter jedoch im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben über das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides auf dem Originalbescheid und den übrigen Kanzleiunterlagen verpflichtet gewesen. Die Vornahme einer solchen Überprüfung wurde nicht behauptet. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte der Beschwerdevertreter aber bei dieser Sachlage erkennen müssen, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen sein konnte und er hätte diese Widersprüche nicht auf sich beruhen lassen dürfen.

Da der Beschwerdevertreter den Ablauf der Beschwerdefrist bereits bei der Abfassung des Beschwerdeschriftsatzes am 9. Oktober 1998 hätte erkennen müssen, war das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG schon in diesem Zeitpunkt weggefallen. Der erst am 20. Jänner 1999 eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde somit nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses gestellt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erweist sich die Beschwerde als verspätet, sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 4. März 1999

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