VwGH 99/08/0009

VwGH99/08/000916.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der U in L, vertreten durch Dr. Gerhard Huber, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Rudolfstraße 4, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 8. September 1998, Zl. 4/1288/Nr.0717/98-8, betreffend Einstellung der Notstandshilfe mangels Verfügbarkeit, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen, angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 3. Juni 1998 die (Weiter-)Gewährung der Notstandshilfe mit der Begründung, daß sie aufgrund ihrer Pflegetätigkeit an ihrer Mutter (Pflegestufe 7) keiner Arbeit außer Haus nachgehen könne und aufgrund dieser Pflegetätigkeit auch keinerlei Einkommen beziehen würde. Daraufhin stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz mit Bescheid vom 25. Juni 1998 die Notstandshilfe ab 1. Juni 1998 ein.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin, seit 13. Juni 1992 ihre Mutter zu pflegen und außerstande zu sein, weitere Tätigkeiten außer Haus zu verrichten. Die Mutter hätte seit Einführung des Pflegegeldes Pflegegeldstufe 7, dies bedeute 24 Stunden Betreuungsbedarf. Die Pflege würde von der Beschwerdeführerin allein durchgeführt werden.

Die belangte Behörde wies die Berufung der Beschwerdeführerin mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid ab und bestätigte die Einstellung der Notstandshilfe ab 1. Juni 1998. Nach der Begründung dieses Bescheides stützte sich die belangte Behörde im wesentlichen darauf, daß die Beschwerdeführerin "gemäß § 38 in Verbindung mit § 7 AlVG" nicht verfügbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der neuerlich bekräftigt wird, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der erforderlichen Pflege ihrer Mutter keiner Beschäftigung außerhalb des Hauses nachgehen könne, daß jedoch "eine Arbeit innerhalb der eigenen vier Wände" möglich wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was zunächst die anzuwendende Rechtslage anlangt, hat die belangte Behörde zu Recht die Fassung des § 34 AlVG vor der Novelle BGBl. I Nr. 55/1998 angewendet: Die Bestimmung des § 33 Abs. 2 AlVG, wonach

"Notstandshilfe nur zu gewähren ist, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2), die Voraussetzungen gemäß § 34 erfüllt und sich in Notlage befindet"

stammt aus Art. II Z. 3 der Novelle BGBl. Nr. 78/1997, sollte gemäß § 79 Abs. 40 AlVG jedoch erst mit 1. Jänner 2000 in Kraft treten und für alle Fälle gelten, in denen Arbeitslosengeld- oder Karenzurlaubsgeldanspruch frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 1999 erschöpft war.

Die beiden zuletzt genannten Daten wurden durch die Novelle BGBl. I Nr. 55/1998 dahin geändert, daß anstelle des Ausdruckes 1. Jänner 2000 der Ausdruck 1. April 1998 und anstelle des Ausdruckes 31. Dezember 1999 der Ausdruck 31. März 1998 getreten ist. Da der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld vor dem 1. April 1998 erschöpft war, hatte die belangte Behörde daher § 33 AlVG in der vor dem 1. April 1998 geltenden Fassung (d.h. ohne die genannte Änderung des § 33 Abs. 2 AlVG) anzuwenden.

Dies ändert aber insoweit nichts am Ergebnis, als der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, klargestellt hat, daß schon vor dem Inkrafttreten der genannten Änderung der Bezug von Notstandshilfe die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 AlVG voraussetzt; auf die nähere Begründung des genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

In dem genannten Erkenntnis hatte sich der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus auch erstmals mit der Frage zu beschäftigen, was unter Verfügbarkeit zu verstehen sei; der Gerichtshof hat nach Hinweis darauf, daß sich die Merkmale der Verfügbarkeit von jenen, die ausnahmsweise Arbeitslosigkeit nicht ausschlössen, noch unterscheiden lassen müßten, dazu folgendes ausgeführt:

"Jene Umstände, die bereits das Vorliegen von Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG ausschließen, insbesondere die Ausübung von Erwerbstätigkeiten, die mit einem entsprechenden Erwerbseinkommen verbunden sind oder doch Erwerbszwecken dienen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229), stehen der Annahme von Arbeitslosigkeit und damit zwangsläufig auch der Verfügbarkeit entgegen.

Andererseits kann aber einer Erwerbstätigkeit, die Arbeitslosigkeit nicht ausschließt, weil der dabei erzielte Verdienst die Geringfügigkeitsgrenzen des § 12 Abs. 6 AlVG nicht übersteigt, nicht schlechthin über den Umweg der fehlenden Verfügbarkeit Einfluß auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld eröffnet werden, weil sonst die Geringfügigkeitsgrenzen des § 12 Abs. 6 AlVG leerlaufen würden. Dies wäre dann der Fall, wenn schon das niedrige Entgelt eine nur geringe zeitliche Auslastung durch die Erwerbstätigkeit und damit das Vorliegen der Verfügbarkeit indiziert, wie dies bei Dienstnehmern (im Gegensatz zur zeitlich uneingeschränkten Tätigkeit von selbständig, insbesondere gewerblich Tätigen) in der Regel der Fall ist. Insoweit also die Geringfügigkeitsgrenzen gleichzeitig ein vertyptes Verfügbarkeitskriterium enthalten, liegt mit der Arbeitslosigkeit auch die Verfügbarkeit vor, wie im Falle einer Teilzeitbeschäftigung, für die aufgrund der kurzen Arbeitszeit der arbeitslosen Person nur ein geringfügiges Entgelt zusteht, wenn nicht andere Tätigkeiten hinzutreten.

Ohne Einfluß auf die Verfügbarkeit iS des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG bleiben auch Studium und Ausbildung, weil auch diese in § 12 Abs. 3 lit. f iVm § 12 Abs. 4 AlVG eine abschließende positivrechtliche Vertypung zwar im systematischen Zusammenhang mit dem Arbeitslosigkeitsbegriff gefunden haben, welche aber die Verfügbarkeit insoweit in sich begreift, als jene Kriterien, nach denen der Arbeitslose die Parallelität von Studium und Beschäftigung dargetan hat, zugleich auch für das Vorliegen der Verfügbarkeit sprechen.

Die Verfügbarkeit wird aber vor allem im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit zweifelhaft sein, wenn die Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze in der Hauptsache nicht auf niedrige Einkünfte bzw Umsätze (als Indiz für eine zeitlich einschränkbare und auch tatsächlich zeitlich eingeschränkte Tätigkeit), sondern in erster Linie auf die Höhe der die Einkommensteuerpflicht mindernden Ausgaben (Betriebsausgaben, Abschreibungen für Investitionen usw) zurückzuführen sein sollte.

Als Hindernis für die Verfügbarkeit bei gegebener Arbeitslosigkeit kommen daher die für § 12 AlVG nicht maßgebenden Umstände in Betracht, wie zB ein dauernder Auslandsaufenthalt, der eine Vermittlung ausschließt oder das Fehlen einer persönlichen Erreichbarkeit des Arbeitslosen für das Arbeitsmarktservice. Es ist dabei aber auch an Bindungen zu denken, die zwar nicht vom Typus her den Fällen des § 12 AlVG entsprechen, es jedoch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht erwarten lassen, daß daneben noch eine Tätigkeit unter den üblichen und zumutbaren Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeübt werden kann."

Im Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 97/08/0584, ergänzte der Verwaltungsgerichtshof diese Ausführungen - präzisierend - dahin, daß die mangelnde Verfügbarkeit an Umständen anknüpfen müsse, bei deren Vorliegen die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzes gerechtfertigt sei, daß die betreffende Person während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an anderen Zielen interessiert sei.

Ein solcher Fall liegt im Beschwerdefall vor: Die Beschwerdeführerin brachte selbst vor (und räumt auch in ihrer Beschwerde ein), daß sie mit ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt lebt und diese aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit 24 Stunden am Tag pflegen muß, sowie ferner, daß sie aus diesem Grund an der Aufnahme einer Beschäftigung gehindert sei.

Damit ist die Beschwerdeführerin - ungeachtet der Frage, ob mit dieser Erklärung überdies auch die Arbeitswilligkeit als nicht bestehend anzusehen wäre - nicht verfügbar im Sinne der vorstehend genannten Kriterien, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat: Es besteht nämlich kein Zweifel daran, daß die erforderliche 24-stündige Pflege ihrer Mutter mit dem Ziel, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, nicht in Einklang zu bringen ist, und daher die Vermutung gerechtfertigt ist, daß die Beschwerdeführerin für die Dauer der Erbringung dieser Pflegeleistung in eigener Person auch gar nicht das Ziel verfolgt, am allgemeinen Arbeitsmarkt teilzunehmen (so schon das Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 96/08/0398).

Die Beschwerdeführerin ist - soweit sie vorbringt ohne Einkommen zu sein - darauf zu verweisen, daß sie - soweit ihre Mutter im Bezug von Pflegegeld steht, welches dem Zweck entgeltlicher Pflege gewidmet ist - nicht gehalten ist, diese Pflege unentgeltlich zu erbringen.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 16. März 1999

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