VwGH 99/05/0039

VwGH99/05/003931.8.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des L in R, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. Dezember 1998, Zl. ..., betreffend Beschlagnahme von Tieren (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §285a;
B-VG Art132;
TierschutzG NÖ 1985 §13 Abs5;
VStG §39 Abs1;
VStG §39 Abs6;
VStG §51 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ABGB §285a;
B-VG Art132;
TierschutzG NÖ 1985 §13 Abs5;
VStG §39 Abs1;
VStG §39 Abs6;
VStG §51 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Durch Organe der Bezirkshauptmannschaft wurde anlässlich von Lokalaugenscheinen am 11. März, 21. März, 4. April und 9. April 1997 auf der Liegenschaft ... festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Tierbestand (34 Rinder, davon 11 Kühe, der Rest Jungrinder beiderlei Geschlechts) hinsichtlich Unterbringung, Fütterung, Pflege und Wasserversorgung derart vernachlässigt hat, dass den Tieren dadurch ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden und letztendlich Schäden zugefügt worden sind. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 24. September 1997 wurde dem Beschwerdeführer deshalb eine Übertretung gemäß § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Z. 2 NÖ Tierschutzgesetz zur Last gelegt und über ihn eine Geldstrafe gemäß § 13 Abs. 1 und 5 leg. cit. in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) verhängt.

Aufgrund der festgestellten Missstände wurden die 34 Rinder am 9. April 1997 gemäß § 12 des NÖ Tierschutzgesetzes aus dem Betrieb des Beschwerdeführers entfernt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 10. April 1997 wurde zur Sicherung des Verfalls gemäß § 39 VStG die Beschlagnahme der 34 Rinder verfügt. Der Beschlagnahmebescheid wurde dem Beschwerdeführer am 14. April 1997 zugestellt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. Dezember 1998 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers "aus dem Grunde des § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen". Die belangte Behörde ging hiebei von folgendem Sachverhalt aus:

"Am 6.4.1997 ist es zum Abschluss eines Pachtvertrages betreffend die Landwirtschaft ..., zwischen M., deren Eigentümerin und Herrn A. gekommen und ist von dieser Pachtung auch der gesamte Tierbestand, wie er sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrages präsentiert hat, erfasst.

Bereits vorher ist es zur Auflösung des Bestandsverhältnisses - Pachtvertrages zwischen dem Berufungswerber und seiner Mutter nach mündlicher Übereinkunft gekommen.

Der Pachtvertrag wurde so abgeschlossen, dass Herr A. bei Beendigung des Pachtverhältnisses den Viehbestand, wie er ihn übernommen hat, zurückzugeben hat.

Der Pachtvertrag vom 6.4.1997 weist die Zustimmung der Grundverkehrskommission vom 22.11.1998, Zl. ..., auf."

Aus diesem Sachverhalt folgerte die belangte Behörde, dass das NÖ Tierschutzgesetz bei Übertretungen dieses Gesetzes den Verfall der betroffenen Tiere und Gegenstände, mit denen die Tat begangen worden ist, dann vorsehe, wenn zu erwarten sei, dass der Täter sein strafbares Verhalten fortsetzen oder wiederholen werde. Gegen einen Beschlagnahmebescheid könne nur derjenige berufen, dem der Bescheid rechtswirksam zugestellt oder verkündet worden sei und für den er auch inhaltlich bestimmt sei. Sofern eine beschlagnahmte Sache nicht im Eigentum einer Person stehe, scheide eine Verletzung von subjektiven Rechten von vornherein aus. Im Hinblick auf den Umstand, dass es als gesichert anzusehen sei, dass zum Zeitpunkt der Beschlagnahme der gegenständlichen Tiere der Beschwerdeführer nicht mehr Pächter der gegenständlichen Liegenschaft gewesen sei, käme ihm in diesem Verfahren unbeschadet des Umstandes, dass der Beschlagnahmebescheid ihm persönlich gegenüber erlassen worden sei, wegen des Fehlens von subjektiven Rechten keine Parteistellung zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Entscheidung in der Sache, Anerkennung der Parteistellung sowie Ausübung des Berufungsrechtes verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen sei Teil des Verwaltungsstrafverfahrens, in dem der Beschuldigte jedenfalls Parteistellung habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Begriff "Verwaltungsstrafsachen" schließt auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergehen, ein. Er erstreckt sich auf alle "Verfahren vor den Verwaltungsbehörden wegen Verwaltungsübertretungen"; davon sind auch Bescheide betreffend die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen und deren Ausfolgung im Sinne des § 39 VStG erfasst (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 15. Juli 1999, Zl. 99/07/0083, mit weiteren Nachweisen, sowie das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 92/01/0552).

Im Beschwerdefall liegt ein einem Verwaltungsstrafverfahren zuzurechnender Beschlagnahmebescheid vor. § 13 des NÖ Tierschutzgesetzes 1985, LGBl. 4610-1, ist mit "Strafbestimmungen" überschrieben und enthält im Abs. 1 und 2 Verwaltungsstraftatbestände und die dazugehörigen Strafarten und Strafsätze. Im Abs. 5 dieses Paragraphen ist normiert:

"(5) Wenn zu erwarten ist, dass der Täter sein strafbares Verhalten fortsetzen oder wiederholen werde, sind die betroffenen Tiere und/oder Gegenstände, mit denen die Tat begangen wurde, für verfallen zu erklären."

Der im § 13 Abs. 5 des NÖ Tierschutzgesetzes 1985 vorgesehene Verfall ist daher (jedenfalls auch) als Strafe vorgesehen.

Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann nach § 39 Abs. 1 VStG die Behörde zur Sicherung des Verfalls die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen. Diese Regelung gilt im Hinblick auf die Anordnung des § 285a zweiter Satz ABGB auch für Tiere.

Ist aber die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen nach § 39 Abs. 1 VStG Teil des Verwaltungsstrafverfahrens, so steht dem Beschuldigten - unabhängig von einem allfälligen Berufungsrecht des Sacheigentümers - jedenfalls gemäß § 51 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 6 VStG das Recht der Berufung gegen den Beschlagnahmebescheid ohne Rücksicht darauf zu, ob er Eigentümer der beschlagnahmten Gegenstände ist (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 17. März 1998, Zl. 96/04/0264, und vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0215, mit weiteren Nachweisen). Eine gegenteilige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor. Das in der Gegenschrift der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1997, Zl. 94/17/0388, enthält keinen gegenteiligen Rechtssatz wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid behauptet. Die belangte Behörde belastete daher durch die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. August 1999

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