Normen
StVO 1960 §26 Abs1;
StVO 1960 §26 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 StVO 1960 bestraft, weil er am 12. September 1997 um
9.48 Uhr bei einer näher umschriebenen Fahrt im Ortsgebiet von Wals das Folgetonhorn und das Blaulicht auf einem nach dem Kennzeichen bestimmten Kombinationskraftwagen verwendet habe, obwohl weder Gefahr im Verzug noch eine dringende Hilfeleistung erforderlich gewesen sei. Er habe daher diese beiden Einrichtungen missbräuchlich verwendet. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer bei der angeführten Fahrt als Lenker eines Ambulanzfahrzeuges des "Grünen Kreuzes" einen sogenannten "Schnellschnitttransport" von Gewebeproben einer Brustkrebspatientin vom Krankenhaus Zell am See ins Landeskrankenhaus Salzburg, Pathologisch-Anatomisches Institut, durchgeführt habe. Dieser Transport sei zwar aus organisatorischer Sicht dringlich gewesen, seine mögliche Verzögerung hätte aber keine lebensbedrohende Situation oder Gefährdung für die Patientin, welche in der Zwischenzeit im Krankenhaus in einem Nebenraum des Operationssaales gewartet habe und auch medizinisch überwacht worden sei, bedeutet. Der vorliegende Transport sei daher aus objektiver Sicht nicht geeignet gewesen, eine Gefahr im Verzug nach § 26 Abs. 1 StVO 1960 darzustellen. Diese Beurteilung stützte die belangte Behörde auf die Aussage des - sachverständigen - Zeugen Univ. Doz. Dr. Rudolf Pointner sowie die gutachtliche Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen Dr. Robert Sollak. Auch hinsichtlich der subjektiven Tatzeit sei dem Beschwerdeführer die Übertretung vorzuwerfen, weil von ihm als Inhaber einer Bewilligung zur Verwendung von Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht nach § 20 Abs. 5 KFG 1967 zu erwarten sei, dass er ein besonderes Augenmerk auf eine verantwortungsbewusste Verwendung von Blaulicht und Folgetonhorn richte und das Vorliegen der Voraussetzungen besonders genau prüfe. Dies müsse vor allem dann erwartet werden, wenn es sich nicht um unmittelbare Einsatzfahrten mit einer Beförderung von kranken oder verletzten Personen, sondern um bloße Gewebetransporte handle. Bei solchen Transporten hätte sich der Beschwerdeführer in jedem Einzelfall vor der Fahrt erkundigen müssen, ob mit allfälligen "außertourlichen" Zeitverzögerungen eine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen verbunden sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 dürfen die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht und mit Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinander folgenden verschiedenen hohen Tönen ausgestattet sind, diese Signale nur bei Gefahr im Verzuge, z.B. bei Fahrten zum und vom Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonstigen dringenden Einsatzes verwenden.
Aus der beispielhaften Umschreibung des Tatbestandelements "Gefahr im Verzuge" ist abzuleiten, dass dieses dann vorliegt, wenn die Hilfeleistung oder der Einsatz, zu deren Zweck die jeweilige Fahrt unternommen wird, besonders dringlich sind, um der Gefährdung von Menschen oder im erheblichen Umfang von Sachen vorzubeugen oder eine solche zu verringern, und der Zweck der Fahrt ohne rasche und möglichst unbehinderte Fahrt nicht erreicht werden kann (vgl. Messiner, StVO10 628f; Dittrich/Stolzlechner, Straßenverkehrsordnung, § 26 RZ 16). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. 1283 BlgNR 11. GP 2, wonach die Verwendung von Blaulicht und Tonfolgehorn auf ein Minimum begrenzt bleiben soll).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - was auch der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich im Zweifel zieht - im Beschwerdefall im Hinblick auf die Äußerungen des Zeugen Univ. Doz. Dr. Pointner und des medizinischen Sachverständigen Dr. Sollak das Vorliegen von Gefahr im Verzuge verneint hat.
Nicht gefolgt werden kann der belangten Behörde allerdings, wenn sie dem Beschwerdeführer ein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift vorwirft. Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass die von ihm im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten ärztlichen Bestätigungen den Schluss gerechtfertigt hätten, dass beim Transport von "Schnellschnittuntersuchungen" Gefahr im Verzuge bestünde. So heißt es in der Bestätigung des Vorstandes des Pathologisch-Anatomischen Institutes der Landeskrankenanstalten Salzburg Univ.Doz. Dr. Dietze vom 3. Mai 1996, "dass es sich bei dem Transport von intraoperativen Schnellschnitten um wichtige, z.T. lebensentscheidende ärztliche Indikationen handelt, die einen Transport mit Rettung und Blaulicht rechtfertigen". In der Bestätigung des Vorstandes der Gesamtchirurgischen Abteilung des Krankenhauses Zell am See Univ.Doz. Dr. Pointner vom 31. März 1993 wurde ausgeführt, dass die im Auftrag des Krankenhauses Zell am See zur "Histologie nach Salzburg" gebrachten Schnellschnittuntersuchungen "extrem eilig" seien, "da der Pat. in der Zwischenzeit im narkotischen Zustand im Operationssaal verweilt und die weitere Vorgangsweise von dem Untersuchungsergebnis, welches telefonisch durchgegeben wird, abhängig ist. Aus diesem Grund wäre ein Blaulicht für diese Fahrten angebracht". Angesichts dieser entgegen der Ansicht der belangten Behörde keineswegs "nur sehr allgemein gehaltenen" ärztlichen Bestätigungen würde es auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes eine Überspannung der Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers bedeuten, wenn er - wie von der belangten Behörde verlangt - noch in jedem Einzelfall gesonderte Erkundigungen über die Dringlichkeit der Fahrt einziehen müsste.
Dies verkannte die belangte Behörde, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. April 1999
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