VwGH 98/20/0337

VwGH98/20/033724.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des OR in A, vertreten durch Mag. Thomas Christl, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Promenade 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 21. Juli 1998, Zl. 424.179/60-V.6/1998, betreffend eine Angelegenheit des Strafvollzuges, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §68 Abs7 impl;
StVG §122;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
AVG §68 Abs7 impl;
StVG §122;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener der Justizanstalt A, wo er eine Freiheitsstrafe in der Gesamtdauer von 19 Jahren verbüßt. Zu Beginn des Jahres 1998 zeigte der Beschwerdeführer in einem Gespräch mit dem Justizwachekommandanten auf, dass bestimmte Insassen der Justizanstalt für Mehrleistungen statt einer Prämie Lebensmittel erhielten. Um weiteren Beschwerden vorzubeugen, ordnete hierauf der Anstaltsleiter an, dass den Insassen keine Lebensmittel an Stelle der Prämie mehr ausgefolgt werden dürfen. Die von dieser Einschränkung nachteilig betroffenen Strafgefangenen brachten in Erfahrung, dass die Beanstandung vom Beschwerdeführer ausgegangen sei.

Am 19. Jänner 1998 richtete der Beschwerdeführer an die belangte Behörde eine "Dienstaufsichtsbeschwerde", in der er dem Leiter der Justizanstalt A vorwarf, unbefugt Informationen des internen Dienstgebrauches an einen Privaten weitergegeben zu haben. Dadurch habe er insbesondere die Amtsverschwiegenheit verletzt, die Verletzung oder Tötung des Beschwerdeführers durch Mithäftlinge billigend in Kauf genommen und die Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt gefährdet. "Durch diese geschilderten Umstände scheint ein aufsichtsbehördliches Einschreiten Ihrerseits unbedingt erforderlich, um die Sicherheit und Ordnung der JA-A zu gewährleisten. (...) Aufgrund der Situation der Gefahr im Verzug für den Beschwerdeführer wie auch die akute Gefährdung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der JA-A, macht es erforderlich dass der Beschwerdeführer auf eine bescheidmäßige Bearbeitung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde bestehen muss.

Der Beschwerdeführer stellt daher nochmalig dezidiert den Antrag auf eine Beantwortung und Bearbeitung seiner Beschwerde in bescheidmäßiger Form ..."

In der "Verbesserung der Dienstaufsichtsbeschwerde" vom 24. Jänner 1998 brachte der Beschwerdeführer vor, der Anstaltsleiter habe sich eines Wacheorgans bedient, um ihn einschüchtern zu lassen. Das Wacheorgan habe die anderen Häftlinge unter Nennung des Namens des Beschwerdeführers aufgewiegelt. Dieses Vorgehen des Wacheorgans sei "jedoch nur dadurch möglich geworden, da der verantwortliche Anstaltsleiter so sehr wenige Gesetze und Vorschriften einhält, dass er schon den Überblick verloren hat, was überhaupt noch im Rahmen des gesetzlichen Erlaubten ist, in der irrigen Meinung, die Hoheitsverwaltung wird ihn und seine Helfershelfer und Helfer schon vor den Rechtsfolgen seines Tuns bewahren, denn der Hoheitsträger ist ja bis dato kaum je gegen einen Träger von Uniformen vorgegangen.

(..)

Hier in diesem Fall ist die Hoheitsverwaltung dringend gefordert einzuschreiten und den Umtrieben von einzelnen die glauben Gesetze sind nur dazu da um von nicht Beamten eingehalten zu werden dafür zu sorgen dass dieses Bild nicht entsteht.

Der Beschwerdeführer muss aufgrund seiner Haftsituation auch an dieser Stelle wiederum darauf verweisen dass er eine Erledigung dieser, seiner Dienstaufsichtsbeschwerde in Bescheidform beantragt, da ansonsten kein Beleg für die sehr lasche Kontrolle des Hoheitsträgers, in diesem Fall des Bundesministeriums für Justiz bestehen würde."

Der hierüber ergangene angefochtenen Bescheid lautet folgendermaßen:

"Der Beschwerde des Strafgefangenen ... gegen den Leiter der Justizanstalt A wird gemäß §§ 102 Abs. 1, 120 f. StVG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG nicht Folge gegeben."

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer Ende 1997 gegenüber dem Kommandanten des Justizwachekommandos eine Beschwerde wegen ungerechtfertigter Bevorzugung durch übermäßige Zuwendungen gemäß § 30 Abs. 3 StVG an Insassen, die in der Schneiderei beschäftigt waren, erhoben habe. Im Zuge der Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers sei dem privaten Inhaber eines in die Schneiderei eingegliederten Unternehmerbetriebes bei einem mit dem Anstaltsleiter geführten Gespräch der Name des Beschwerdeführers bekannt geworden. Die Nahrungsmittelzuwendungen an die in der Schneiderei tätigen Insassen seien auf Grund der Beschwerde eingestellt worden. Nicht festgestellt werden könne, dass der Leiter der Justizanstalt A Informationen (insbesondere den Namen des Beschwerdeführers) an Privatpersonen dergestalt weitergegeben habe, dass diese den von der Beschwerde betroffenen Insassen bekannt hätten werden (können) und sollen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - ohne weitere Anführung von Gesetzesbestimmungen - Folgendes aus:

"Die Tatsache, dass der Name des Beschwerdeführers im Zuge der Prüfung seines Beschwerdevorbringens zwischen Vollzugsbediensteten (...) genannt wurde, kann die Annahme des vom Beschwerdeführer behaupteten pflichtwidrigen Unterlassens des Anstaltsleiters keinesfalls begründen. Vielmehr entspricht es einem zweckmäßigen und sachgerechten Amtshandeln, ein Beschwerdesubstrat in seiner Gesamtheit umfassend zu erörtern. Das Vorenthalten einzelner Sachverhaltselemente (z.B. der Name des Beschwerdeführers) gegenüber im Zuge der Prüfung des Vorbringens beigezogener Personen, wäre nur angezeigt und ein Verstoß dagegen pflichtwidrig, wenn vorweg ein missbräuchlicher Umgang zu befürchten gewesen wäre, wofür gleichfalls keine Anhaltspunkte vorliegen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 120 Abs. 1 StVG können sich die Strafgefangenen gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren.

Gemäß § 122 StVG haben Strafgefangene das Recht, durch Ansuchen und Beschwerden das Aufsichtsrecht der Vollzugsbehörden anzurufen. Auf solche Ansuchen oder Beschwerden braucht den Strafgefangenen jedoch kein Bescheid erteilt zu werden.

Ist ein Strafgefangener mit einem seine Rechte betreffenden Verhalten eines Strafvollzugsbediensteten oder des Anstaltsleiters unzufrieden, so hat er die Möglichkeit, sowohl eine Administrativbeschwerde gemäß § 120 Abs. 1 StVG als auch eine Aufsichtsbeschwerde gemäß § 122 StVG zu erheben.

Wenn der Beschwerdeführer, obwohl er eine Administrativbeschwerde ergreifen könnte, nur eine Aufsichtsbeschwerde ergriffen hat (vgl. Holzbauer/Brugger, Strafvollzugsgesetz (StVG), S 546), so löst diese kein förmliches Verwaltungsverfahren aus. Die Aufsichtsbeschwerde braucht gemäß § 122 StVG nicht mit Bescheid erledigt werden. Nach der im Hinblick auf § 68 Abs. 7 AVG ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes fehlt einer Mitteilung der Behörde, dass sie sich zu einer begehrten aufsichtsbehördlichen Verfügung nicht veranlasst finde, jeder rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende Inhalt (vgl. VfSlg 6456/1971). Unter dieser Voraussetzung könnte selbst die Wahl der äußeren Form eines Bescheides nicht zu einer Verletzung subjektiver Rechte führen, sodass Beschwerden gegen die Ablehnung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung zurückzuweisen wären (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1984, B 653/80, sowie den hg. Beschluss vom 30. Oktober 1978, Zlen. 2817, 2818/78; vgl. zur fehlenden Beschwerdelegitimation wegen Fehlens eines subjektiven Rechts auch das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/19/1203).

Mit seinen ausdrücklich als Dienstaufsichtsbeschwerde bzw. als Verbesserung der Dienstaufsichtsbeschwerde bezeichneten Schreiben vom 19. Jänner und vom 24. Jänner 1998 hat der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, dass es ihm nicht um die (in einem solchen Fall mit einer Administrativbeschwerde geltend zu machende) Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit eines seine Rechte betreffenden Verhaltens des Leiters einer Strafvollzugsanstalt, sondern um ein aufsichtsbehördliches Einschreiten geht, "um die Sicherheit und Ordnung in der JA-A zu gewährleisten".

Der Verfahrensgegenstand bestimmt sich bei antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren nach dem zu Grunde liegenden Antrag (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, E. 22 und 36 zu § 13 AVG).

Bei der Prüfung der Frage, über welchen Verfahrensgegenstand die belangte Behörde aber tatsächlich entschieden hat, kommt jedoch - ungeachtet der Nennung des konkret gestellten Antrags und dessen Abweisung durch den angefochtenen Bescheid - der Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen im Spruch des angefochtenen Bescheids (§ 59 Abs. 1 AVG) wesentliche Bedeutung zu. Aus den von der belangten Behörde nach dem Spruch des angefochtenen Bescheids für die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts herangezogenen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, welchen Antrag sie dem Beschwerdeführer unterstellt hat.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde der "Beschwerde des Strafgefangenen ... vom 19.1.1998 und 24.1.1998 gegen den Leiter der Justizanstalt" nicht Folge gegeben und als angewendete Gesetzesbestimmungen gemäß § 59 Abs. 1 AVG die "§§ 102 Abs 1, 120 f. StVG" angeführt, noch dazu "in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG", obwohl sie gar nicht als Berufungsbehörde eingeschritten ist. Weil nun kein Zweifel darüber besteht, welche gesetzlichen Vorschriften die Grundlage des angefochtenen Bescheides gebildet haben (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, E. 212 und 214 zu § 59 AVG zitierte Rechtsprechung), ergibt sich aus der Anführung der "§§ 120 f. StVG" im Zusammenhalt mit dem Umstand, dass über eine Aufsichtsbeschwerde gemäß § 122 StVG gar nicht mit Bescheid hätte entschieden werden müssen, dass die belangte Behörde über eine tatsächlich vom Beschwerdeführer - trotz seines Verlangens nach bescheidmäßiger Erledigung - bei richtiger rechtlicher Beurteilung seiner Schriftsätze gar nicht erhobene Administrativbeschwerde im Sinne des § 120 Abs. 1 StVG entschieden hat.

Durch die Abweisung eines nicht gestellten Antrags hat die belangte Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr gesetzlich nicht zukommt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 97/20/0741, und Aichlreiter, Antragslos erlassener antragsbedürftiger Verwaltungsakt und Rechtsschutz, JBl 1996, 299 ff).

Soweit Entscheidungen zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Ein Ausspruch über den Aufwandersatz unterblieb, weil der Beschwerdeführer keine Kosten verzeichnet hat.

Wien, am 24. Juni 1999

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