Normen
FamLAG 1967 §8 Abs6;
FamLAG 1967 §8 Abs6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 16. Dezember 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (im folgenden: FLAG) für seinen am 11. Juli 1986 geborenen Sohn A. Dieser sei als Frühgeburt zur Welt gekommen und habe - wie sich jetzt herausstelle - eine angeborene Cerebralparese, einen allgemeinen Entwicklungsrückstand, sowie Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen und weise eine Minderung der intellektuellen Leistungsfähigkeit auf. Dazu komme eine Wachstumsstörung der rechten Körperhälfte mit einer Längendifferenz des rechten Beines von derzeit 2 cm.
Dem Antrag war eine ärztliche Bescheinigung der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde des Landeskrankenhauses in V. vom 9. Dezember 1996 angeschlossen, wonach bei dem genannten Sohn des Beschwerdeführers seit "Diagnosestellung Nov. 96, Grundstörung angeboren", ein allgemeiner Entwicklungsrückstand, eine Minderung der intellektuellen Leistungsfähigkeit und Verarbeitungsstörungen bestünden und aufgrund dieses Leidens bzw. Gebrechens der Grad der Behinderung des Kindes 50 v.H. betrage.
Mit Bescheid vom 22. Jänner 1997 wies das Finanzamt den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 31. Oktober 1996 ab, weil die Behinderung von 50 v.H. erst ab November 1996 bescheinigt sei.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, die - erst spät erkannten - Entwicklungsstörungen seien schon vor November 1996 vorhanden gewesen und die Aufwendungen schon bis dahin als erhöht anzusehen. Es werde daher neuerlich die rückwirkende Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab Dezember 1991 begehrt.
Mit Schreiben vom 21. Februar 1997 ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer um Ergänzung der Berufung durch Nachweis bzw. Bestätigung der oben genannten Fachabteilung des Landeskrankenhauses, daß die Behinderung mit 50 v.H. bereits ab Dezember 1991 bestanden habe.
Der Beschwerdeführer erklärte im Schreiben vom 16. März 1997, daß nach Auffassung eines namentlich genannten Arztes des Landeskrankenhauses bereits in der Bestätigung vom 9. Dezember 1997 auf die angeborene Störung hingewiesen worden und damit eine entsprechende Bestätigung gegeben sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. März 1997 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte begründend aus, gemäß § 10 Abs. 2 FLAG werde die Familienbeihilfe von Beginn des Monates gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt würden. Aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheinigung gehe hervor, daß die Behinderung in der Höhe von 50 % mit der Diagnosestellung November 1996 vorliege, jedoch könne daraus nicht abgeleitet werden, daß die Behinderung im bescheinigten Ausmaß bereits vor der Diagnosestellung bestanden habe.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen die Ausführungen in seinem Schreiben vom 16. März 1997.
Mit Schreiben vom 13. Mai 1997 ersuchte die belangte Behörde das Bundessozialamt Kärnten unter Anschluß von Ablichtungen der wesentlichen Aktenteile gemäß § 8 Abs. 6 FLAG um die Erstattung eines Gutachtens über das Ausmaß der Behinderung in der Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 31. Oktober 1996.
Das Bundessozialamt Kärnten ersuchte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. um die Erstattung eines Gutachtens darüber, welche Gesundheitsschädigungen derzeit vorlägen und ob der erhobene Zustand auch schon vor November 1996 vorgelegen sei, ferner welchen Richtsatzpositionen die voraussichtlich länger als drei Jahre dauernden Gesundheitsschädigungen gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 150/1965 zuzuordnen seien und welche Gesamteinschätzung sich unter Berücksichtigung aller mehr als drei Jahre andauernden Gesundheitsschädigungen ergebe, welche der eingeschätzten Gesundheitsschädigungen besserungsfähig seien und ob das Kind voraussichtlich dauernd außerstande sein werde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach Einholung eines ausführlichen psychologischen Befundes der Dr. S. erstattete Dr. C. das ärztliche Sachverständigengutachten vom 1. August 1997, in dem sie nach Wiedergabe der Vorgeschichte und der erhobenen Befunde als Gesundheitsschädigung eine frühkindliche Hirnschädigung mit 1. "diskreter spastischer Parese re. Bein und Beinverkürzung sowie dadurch bedingte leichte Gangstörung" (Richtsatzposition IVg 536, Grad der Behinderung entsprechend der Richtsatzposition 30 %) und
2. "Entwicklungsrückstand und intellektuelle Minderbegabung sowie Teilleistungsstörung" analog Richtsatzposition Va 578 (Grad der Behinderung 30 %) bezeichnete und den Gesamtgrad der Behinderung mit 40 % angab. Die vorliegenden Gesundheitsschädigungen würden voraussichtlich länger als drei Jahre dauern. Der erhobene Zustand habe auch schon vor November 1996 bestanden. Zur Begründung führte sie wörtlich aus:
"Zu lfd. Nr. 1:
Die Einschätzung nach Richtsatzposition IVg 536 mit 30 % erfolgt entsprechend der diskreten spastischen Parese am rechten Bein mit Beinverkürzung und dadurch leichter Gangstörung rechts; an der oberen Extremität bestehen keine Ausfälle.
Zu lfd. Nr. 2:
Die Einschätzung analog der Richtsatzposition Va 578 mit 30 % erfolgt entsprechend der lt. psychologischen Untersuchung festgestellten leichten intellektuellen Minderbegabung, wobei jedoch psychodiagnostisch auch eine psychogene Überlagerung faßbar war und somit eine psychogene Leistungshemmung für die sehr niedrigen intellektuellen und kognitiven Leistungen anzunehmen ist.
Führend bei der Einschätzung der Gesamt-Gdb ist die laufende Nr. 1, die lfd. Nr. 2 erhöht nur um 1 Stufe, da die intellektuelle Minderbegabung sehr geringfügig ist und psychodiagnostisch eine psychogene Leistungshemmung faßbar war und letztlich sämtliche Volksschulklassen positiv abgeschlossen wurden.
Die unter lfd. Nr. 2 angeführte geringe intellektuelle Minderbegabung und Teilleistungsstörung ist bei entsprechender Förderung noch besserungsfähig. Kontrolltermin in ca. 2 Jahren.
Voraussichtlich wird das Kind nicht außer Stande sein sich selbst den Unterhalt zu verdienen."
Der ärztliche Dienst beim Bundessozialamt Kärnten stimmte der Einzel- und Gesamteinschätzung (Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.) zu.
Mit Schreiben vom 24. November 1997 übersandte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer je eine Ablichtung des ärztlichen Gutachtens Dris. C. und des psychologischen Befundes Dris. S. und räumte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb von vierzehn Tagen ein. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer am 28. November 1997 zugestellt. Der Beschwerdeführer hat sich dazu nicht geäußert.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des wesentlichen Akteninhaltes und Hinweis auf § 8 Abs. 4 bis 6 und § 10 Abs. 1 bis 3 FLAG aus, eine erhebliche Behinderung mit einem Grad von mindestens 50 v.H. sei für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 31. Oktober 1996 nicht in Form einer ärztlichen Bestätigung nachgewiesen worden. Das im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholte ärztliche Gutachten habe nur einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben, wobei der erhobene Zustand auch schon vor November 1996 bestanden habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um S 1.650,--.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG (in Verbindung mit Art. 33 §§ 1 und 10 des Arbeitsmarktservice-Begleitgesetzes, BGBl. Nr. 314/1994) ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung eines inländischen Amtsarztes, einer inländischen Universitätsklinik, einer Fachabteilung einer inländischen Krankenanstalt oder eines Mobilen Beratungsdienstes der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen nachzuweisen. Kann aufgrund dieser Bescheinigung die erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt werden, hat das Finanzamt einen Bescheid zu erlassen. Zur Entscheidung über eine Berufung gegen diesen Bescheid hat die Finanzlandesdirektion ein Gutachten des nach dem Wohnsitz des Berufungswerbers zuständigen Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen einzuholen. Benötigt das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hiefür ein weiteres Sachverständigengutachten, sind die diesbezüglichen Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe zu ersetzen.
Der Beschwerdeführer macht als Verfahrensmangel geltend, die belangte Behörde hätte ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten einholen müssen, weil die derzeitige Aktenlage keine eindeutige Beurteilung des Grades der Behinderung seines Sohnes ermögliche. Er verweist in diesem Zusammenhang zunächst auf die von ihm mit dem Antrag vorgelegte Bestätigung des Landeskrankenhauses in V., in der ein Grad der Behinderung von 50 v.H. angegeben werde. Die diagnostizierte spastische Parese sei keinesfalls diskret, sondern auffallend, sodaß die im Gutachten zu Nr. 1 festgestellte 30 %ige Behinderung jedenfalls zu gering sei. Bei der Einschätzung der Behinderung Nr. 2 habe sich die Sachverständige davon leiten lassen, daß sein Sohn letztlich sämtliche Volksschulklassen positiv abgeschlossen habe, jedoch nicht berücksichtigt, daß dies auf den Einsatz seiner Ehefrau zurückzuführen sei, die ständig mit seinem Sohn lerne.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß das von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte, ausführlich begründete Gutachten nicht als unschlüssig zu erkennen ist. Der Beschwerdeführer ist diesem Gutachten im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten, sodaß der belangten Behörde kein Verfahrensfehler vorzuwerfen ist, wenn sie dieses Gutachten ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Einschätzung des Grades der Behinderung in der Bescheinigung des Landeskrankenhauses in V. vom 9. Dezember 1996 ist nicht geeignet, die Unschlüssigkeit des Gutachtens darzutun, weil diese Bescheinigung - anders als das Gutachten der Sachverständigen Dr. C. - keine Darstellung der aufgenommenen Befunde und keine ausführliche Begründung enthält. Soweit der Beschwerdeführer die im Gutachten beschriebene Gesundheitsbeeinträchtigung anders darzustellen versucht und das Gutachten in diesem Zusammenhang als unrichtig bezeichnet, verstößt er gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot. Mit seiner Behauptung, es sei nicht berücksichtigt worden, daß der positive Volksschulabschluß seines Sohnes auf die Bemühungen seiner Ehefrau zurückzuführen sei, geht er insofern am Akteninhalt vorbei, als in dem dem ärztlichen Sachverständigengutachten zugrunde liegenden psychologischen Befund Dris. S. vom 8. Juli 1997 ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß der elterliche Einsatz für den positiven Abschluß aller Volksschulklassen maßgebend gewesen sein dürfte.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die belangte Behörde hätte kein Gutachten einholen dürfen, sondern hätte ihm aufgrund der Bestätigung vom 9. Dezember 1996 die erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend zuerkennen müssen. Dem Beschwerdeführer ist diesbezüglich entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde zufolge § 8 Abs. 6 FLAG ein Gutachten des zuständigen Bundessozialamtes einzuholen hatte und sich daher nicht mit der Bestätigung vom 9. Dezember 1996 - die zudem hinsichtlich des vor der Diagnosestellung im November 1996 bestehenden Leidens bzw. Gebrechens keine bestimmte Aussage enthält - begnügen durfte.
Aus der Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab November 1996 kann der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt im vorliegenden Beschwerdefall nichts gewinnen, weil diesbezüglich schon mangels Vorliegens eines Bescheides keine bindende Wirkung bestehen kann.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Jänner 1999
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