Normen
DBAbk Großbritannien 1970 Art2 Abs1 litb Z6;
DBAbk Großbritannien 1970 Art2 Abs2;
F-VG §6 Abs1;
GewStG §1;
GewStG §25;
KommStG 1993 §1;
DBAbk Großbritannien 1970 Art2 Abs1 litb Z6;
DBAbk Großbritannien 1970 Art2 Abs2;
F-VG §6 Abs1;
GewStG §1;
GewStG §25;
KommStG 1993 §1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. November 1994 setzte die Abgabenbehörde 1. Instanz gegenüber der Beschwerdeführerin Kommunalsteuer für den Zeitraum Jänner bis August 1994 mit S 77.985,-- und Säumniszuschlag (S 1.560,--) wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Kommunalsteuer fest.
In einer dagegen erhobenen Berufung vom 22. November 1994 führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei eine GmbH mit Sitz in Großbritannien und unterhalte in Österreich lediglich eine Hilfseinrichtung, die gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (idF DBA) nicht als Betriebsstätte zu werten sei. Daraus ergebe sich, dass die Gesellschaft von der Kommunalsteuer in gleicher Weise befreit sei, wie dies für die Lohnsummensteuer gegolten habe. Unter wörtlicher Wiedergabe des Art 5 Abs 3 lit e DBA wird ausgeführt, die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei die einer reinen Informationsstelle und begründe damit keine Betriebsstätte im Sinne des DBA. Das Wesen der Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Österreich bestehe darin, dass diese Arzneimittel vertreibe und Verkaufsgeschäfte mit ausländischen Kunden in Osteuropa vermittle. Da der Verkauf von Arzneimitteln in Österreich an eine amtliche Zulassung und Registrierung gebunden sei und die Beschwerdeführerin derzeit über keine solche Zulassung verfüge, könnten schon auf Grund dieser Tatsache keine Produkte im Inland verkauft werden. Die Beschwerdeführerin sei in den Ländern Osteuropas aktiv. In Wien sei ein Informationsbüro eröffnet worden, das auf den östlichen Märkten vorbereitende Marktbearbeitung setzen solle, mit der Zielvorgabe, eigene operative Gesellschaften ins Leben zu rufen, was mittlerweile geschehen sei. Die Tätigkeit der Mitarbeiter der Wiener Informationsstelle werde nachweislich überwiegend im Ausland ausgeübt. Ein Leistungsaustausch erfolge immer nur direkt zwischen der Beschwerdeführerin in London bzw. deren Betriebsstätte in der Schweiz, nie aber in oder über Österreich. Im Zusammenhang mit der Einführung der Kommunalsteuer stelle sich nunmehr die Frage, ob diese "auch Aufnahme in das DBA" finde. Gemäß Art 2 Abs 2 DBA gelte dieses Abkommen auch für alle Steuern, die nach dem Datum der Abkommensunterzeichnung in Österreich neu eingeführt wurden, wenn sie jenen ähneln, die vom Abkommen erfasst sind. Da die Gewerbesteuer einschließlich der Lohnsummensteuer gemäß Art 2 Abs 1 lit b Z vi im sachlichen Abkommensbereich eingeschlossen sei, sei das DBA daher entsprechend auf die ihr ähnliche Kommunalsteuer anzuwenden. Dazu wurde auf eine Information des Bundesministers für Finanzen zur Kommunalsteuer 1993 vom 1. September 1994, Z 06 7004/2-IV/6/94, verwiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde (nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung) den erstinstanzlichen Bescheid insoweit ab, als infolge Zahlung der Kommunalsteuer für den Bemessungszeitraum Jänner 1994 der Säumniszuschlag, wie schon in der Berufungsvorentscheidung, auf S 1.392,-- reduziert und im Übrigen darauf hingewiesen wurde, dass der Abgabenbetrag für 1/94 (S 8.403,--) bezahlt worden sei, sodass für den Zeitraum 2-8/94 "noch S 69.582,-- zuzüglich eines Säumniszuschlages von S 1.392,-- zu entrichten" seien. "Ansonsten" werde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend räumt die belangte Behörde ein, dass das DBA ua die Gewerbesteuer einschließlich der Lohnsummensteuer erfasse und auch eine automatische Anpassungsklausel für nach Abkommensunterzeichnung in Kraft tretende Abgaben enthalte, verweist aber darauf, dass Steuergegenstand der Kommunalsteuer gemäß § 1 KommStG 1993 die Arbeitslöhne seien, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden seien. Bemessungsgrundlage sei gemäß § 5 Abs 1 leg cit die Summe der Arbeitslöhne. Das DBA enthalte keine Abgrenzungsregelung hinsichtlich der Besteuerung von Arbeitslöhnen, dh es komme zu keiner Modifikation des innerstaatlichen Steuerrechts in Bezug auf die Kommunalsteuer. Die Definitionen der Art 3, 4 und 5 des Abkommens dienten, wie auch aus den Texten ersichtlich, ausschließlich der Klarstellung in jenen Fällen, in denen diese Begriffe in den nachfolgenden Aufteilungsregelungen verwendet würden; darüber hinaus komme einer Begriffsbestimmung kein eigenständiger Regelungsgehalt zu. Seien - wie im Fall der Arbeitslöhne - keine Aufteilungsregelungen vorhanden, würde auch die Definition nicht zur Anwendung gelangen. Als eigenständige Zuordnungskriterien könnten die Begriffsbestimmungen nicht in Betracht kommen, da dies eine Derogation der entsprechenden innerstaatlichen Regelungen darstellen würde. Das DBA habe somit keine Auswirkung auf eine nach dem KommStG 1993 bestehende Steuerpflicht. Doppelbesteuerungsabkommen, welche sich auf die Steuern vom Einkommen bezögen, umfassten nicht nur die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer, sondern auch die Gewerbesteuer. Im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen werde die Lohnsummensteuer - als Teil der Gewerbesteuer - als Steuer vom Einkommen behandelt. Bei der Kommunalsteuer handle es sich um eine "eigenständige" Steuer. Sie bemesse sich zwar von Löhnen und Gehältern der Angestellten und Arbeiter, Steuerschuldner sei das Unternehmen, jedoch sei nach herrschender Lehre die Kommunalsteuer gemäß § 231 Abs 2 Z 6 lit d HGB als vom Entgelt abhängige Abgabe unter der Position "Personalaufwand" zu erfassen. Die Kommunalsteuer werde "somit" sowohl von der Lehre als auch in der Praxis als "Aufwandsteuer" (Wertschöpfungssteuer: der Personalaufwand sei ein Teil - der Kernbereich - der betrieblichen Wertschöpfung) betrachtet. Da eine "Aufwandsteuer" weder auf Vermögens- noch auf Einkommensbestandteile zugreife, sei auch eine Doppelbesteuerung ausgeschlossen; das gegenständliche DBA umfasse keine "Aufwandsteuer". Der sachliche Anwendungsbereich des DBA erstrecke sich daher - mangels Ausprägung der Kommunalsteuer als Steuer vom Einkommen (bzw. Vermögen) - nicht auf die Kommunalsteuer.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Beide Parteien des Verfahrens gehen erkennbar davon aus, dass die von der Beschwerdeführerin betriebene Geschäftsstelle sowohl eine Betriebsstätte iSd § 29 BAO als auch des KommStG darstellt. Der Gerichtshof teilt diese Auffassung. Auf Grund der Anordnung des § 16 Abs 2 KommStG , wonach die auf völkerrechtlichen Verträgen beruhenden Begünstigungen hinsichtlich der Kommunalsteuer unberührt bleiben, ist aber auch zu prüfen, ob die Kommunalsteuer im Beschwerdefall vom sachlichen Anwendungsbereich des DBA, welches im Jahre 1969 abgeschlossen und in Österreich im Jahre 1970 im Rang eines Bundesgesetzes in Kraft trat, erfasst ist.
Der sachliche Anwendungsbereich des DBA wird durch dessen Art. 2 festgelegt, der in Abs 1 jene Steuern, die im Zeitpunkt des Abschlusses von den Vertragsstaaten erhoben wurden, taxativ aufzählt. Gemäß Art 2 Abs 1 lit b Z vi DBA war die Gewerbesteuer einschließlich der Lohnsummensteuer vom sachlichen Anwendungsbereich des DBA erfasst. Auf Grund des Art 2 Abs 2 leg cit gilt das Abkommen auch für alle Steuern gleicher oder ähnlicher Art, die in einem Vertragsstaat nach dem Datum der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.
Bereits den Materialien zum KommStG ist zu entnehmen, dass die Kommunalsteuer in Zweck und Wirkungsweise der (bisherigen) Lohnsummensteuer entspricht. Gleichzeitig wird der Kreis der kommunalsteuerpflichtigen Unternehmen gegenüber jenen der Lohnsummensteuer erweitert (vgl Fellner, KommStG, § 1, sowie Doralt/Ruppe, Steuerrecht I, 6. Aufl., S 476). Bei Beurteilung, ob die Kommunalsteuer eine gleichartige Abgabe wie die Lohnsummensteuer (als deren Vorläufersteuer) ist, sind die wesentlichen Merkmale der zu vergleichenden Abgaben heranzuziehen und ist insbesondere auf den Besteuerungsgegenstand und den Kreis der Abgabepflichtigen abzustellen. Unter Zugrundelegung dieser Systematik ist der Besteuerungsgegenstand der Kommunalsteuer (§ 1 KommStG) und jener der Lohnsummensteuer (§ 25 GewStG) deckungsgleich. Beide Abgaben haben den gleichartigen Steuergegenstand, nämlich die Lohnsumme bzw den Arbeitslohn eines Kalendermonats. Der Umstand, dass der Kreis der Abgabepflichtigen durch die Einführung der Kommunalsteuer erweitert wurde, steht der Gleichartigkeit der beiden Steuern nicht entgegen, zumal auch der Verfassungsgerichtshof bei Beurteilung der - insoweit vergleichbaren - Problematik der gleichartigen Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand (§ 6 Abs 1 F-VG) keine vollständige Identität der Vergleichsmerkmale, im vorliegenden Fall der Abgabepflichtigen, fordert (vgl Firlinger, SWI 1994, 65ff mwH). Überdies fällt nach dem Wortlaut der Bestimmung eine Steuer, die neben oder an Stelle einer anderen Steuer erhoben wird, bereits in den sachlichen Anwendungsbereich des DBA, wenn diese der Vorläufersteuer ähnlich ist, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt eine völlige Deckungsgleichheit nicht erforderlich ist.
Dem Argument der belangten Behörde, bei der Kommunalsteuer handle es sich um eine "Aufwandsteuer", weil der Personalaufwand ein Teil der betrieblichen Wertschöpfung sei, kann nicht gefolgt werden. Bereits die Gewerbesteuer war (auch in ihrer Ausprägung als Lohnsummensteuer) als reine Objektsteuer gestaltet. Steuerlich getroffen werden sollte das bestehende Besteuerungsobjekt "Gewerbebetrieb", somit auch der die Größe des Betriebes widerspiegelnde Einsatz von Arbeitskräften (Philipp, Kommentar zum GewStG; Tz 0, Rz 15). Bereits dem Gewerbesteuergesetzgeber ging es daher nicht um die Besteuerung des Personalaufwandes des Unternehmers, sondern um die Besteuerung des Steuerobjektes Gewerbebetrieb. Daran hat sich durch die an Stelle der Lohnsummenssteuer nunmehr erhobenen Kommunalsteuer, wie sich aus den vorangehenden Ausführungen ergibt, nichts geändert. Die von der belangten Behörde zur Untermauerung ihrer Rechtsansicht angeführte Literaturstelle befasst sich lediglich mit der Frage, wie Kommunalsteuer buchhalterisch zu erfassen ist, nicht jedoch mit der systematischen Stellung der Kommunalsteuer, sodass sich auch daraus für die belangte Behörde nichts gewinnen lässt.
Aus den dargelegten Gründen erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich des DBA auch auf die erst nach innerstaatlichem Inkrafttreten dieses Abkommens eingeführte Kommunalsteuer. Der persönliche Anwendungsbereich des Abkommens bedarf ob des klaren Gesetzeswortlautes keiner näheren Prüfung.
Da die belangte Behörde somit den normativen Gehalt des Art 2 DBA verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid schon deswegen als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.
Wien, am 15. Dezember 1999
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