VwGH 98/11/0289

VwGH98/11/028912.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in J, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. November 1998, Zl. VerkR-393.266/1-1998/Si, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs2;
AVG §17 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FSG 1997 §4;
KFG 1967 §64a Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2a;
KFG 1967 §74 Abs1;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §17 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FSG 1997 §4;
KFG 1967 §64a Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2a;
KFG 1967 §74 Abs1;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem im Jahr 1977 geborenen Beschwerdeführer wurde am 13. Dezember 1995 die Lenkerberechtigung erteilt.

Aufgrund einer am 30. April 1997 begangenen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 wurde ihm mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 5. Mai 1997 gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A1 und B vorübergehend für die Dauer von sechs Monaten (gerechnet ab 30. April 1997) entzogen.

In der dagegen erhobenen Vorstellung berief sich der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers (der nunmehrige Beschwerdevertreter) gemäß § 10 Abs. 1 AVG auf die ihm erteilte Vollmacht.

Mit mündlich (dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers gegenüber) verkündeten Vorstellungsbescheid vom 16. Mai 1997 wurde die Entziehungsdauer auf vier Monate herabgesetzt, sodass diese am 30. August 1997 endete.

Am 5. September 1997 wurde dem Beschwerdeführer der Führerschein wieder ausgefolgt.

Wegen der am 30. April 1997 begangenen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 wurde der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. März 1998 rechtskräftig bestraft.

Mit Bescheid vom 27. März 1998 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn an, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb von vier Monaten einer Nachschulung zu unterziehen habe. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängere sich die Probezeit um ein weiteres Jahr. Falls die Probezeit bereits abgelaufen sei, beginne sie mit der Anordnung der Nachschulung für ein Jahr wieder neu zu laufen.

Dieser Bescheid wurde nicht dem Vertreter des Beschwerdeführers, sondern diesem selbst zugestellt.

Mit Schreiben vom 1. Juli 1998 wies die Behörde den Beschwerdeführer darauf hin, dass er der Anordnung nicht Folge geleistet habe.

Mit Eingabe vom 14. Juli 1998 brachte der Beschwerdeführer (vertreten durch seinen Rechtsanwalt) vor, sein Vertreter habe am 10. Juli 1998 Akteneinsicht genommen und den Nachschulungsbescheid kopiert. An diesem Tag sei ihm somit der Bescheid zugestellt worden. Die Viermonatsfrist habe erst am 10. Juli 1998 zu laufen begonnen. Der Beschwerdeführer werde sich der Nachschulung unterziehen, zu der er sich bereits angemeldet habe.

Mit Bescheid vom 16. September 1998 entzog die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 6 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A1 und B bis zur Befolgung der mit Bescheid vom 27. März 1998 angeordneten Nachschulung. Weiters wurde er gemäß § 29 Abs. 3 leg. cit. aufgefordert, den Führerschein unverzüglich abzuliefern.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er auf den Inhalt seiner Eingabe vom 14. Juli 1998 hinwies und die Auffassung vertrat, dass die Frist für die Durchführung der Nachschulung noch nicht abgelaufen sei.

Nach einer Bestätigung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 18. November 1998 hat der Beschwerdeführer in der Zeit vom 16. Oktober 1998 bis 18. November 1998 an einer Nachschulung für alkoholauffällige Fahranfänger teilgenommen. Am 19. November 1998 wurde ihm der Führerschein wieder ausgefolgt.

Mit dem (am 10. Dezember 1998 zugestellten) angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 16. September 1998.

In der Begründung ihres Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, eine Parteienerklärung, dass sich die Bevollmächtigung des Beschwerdevertreters im Verwaltungsverfahren und im Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung auch auf weitere Verfahren beziehe, liege nicht vor. Zwischen diesen Verfahren und dem Verfahren betreffend die Anordnung einer Nachschulung bei "Probeführerscheinbesitzern" bestehe kein derartig enger Verfahrenszusammenhang, dass von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden könne. Die Zustellung des Bescheides vom 27. März 1998 an den Beschwerdeführer selbst am 2. April 1998 sei daher rechtswirksam gewesen. Ausgehend davon sei die im § 4 Abs. 8 FSG genannte Frist von vier Monaten am 2. August 1998 abgelaufen, weshalb dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 6 FSG bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 (idF vor der 19. KFG-Novelle BGBl. I Nr. 103/1997) kann die Behörde bei der Entziehung auch begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) anordnen. Wird eine solche Anordnung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen, so ist die Entziehungszeit um drei Monate zu verlängern. Die Behörde hat begleitende Maßnahmen anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 64a Abs. 1) erfolgt.

Da die Entziehung der Lenkerberechtigung aufgrund der am 30. April 1997 begangenen Übertretung innerhalb der Probezeit erfolgte, hätte gemäß § 73 Abs. 2a letzter Satz KFG 1967 die Anordnung der Nachschulung bereits "bei der Entziehung" getroffen werden müssen. Eine solche Anordnung hat in Bezug auf die Entziehung der Lenkerberechtigung akzessorischen Charakter (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0069, und vom 30. Juni 1998, Zl. 98/11/0078) und ist im Regelfall zugleich mit der Entziehung der Lenkerberechtigung auszusprechen. Es handelt sich dabei aber nicht um einen vom Ausspruch der Entziehung untrennbaren Ausspruch, weshalb die nachträgliche Anordnung einer begleitenden Maßnahme für sich allein noch keine Rechtsverletzung des Betreffenden bewirkt. Die nachträgliche Anordnung einer begleitenden Maßnahme hat aber in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Entziehung zu erfolgen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/11/0254); sie darf jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass daraus eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Betreffenden gegenüber jener bei gleichzeitiger Anordnung einer begleitenden Maßnahme resultiert (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Slg. Nr. 14572/A).

Aus der gesetzlichen Verpflichtung der Behörde, bei der Entziehung in der Probezeit eine begleitende Maßnahme anzuordnen, und dem akzessorischen Charakter dieser Anordnung ergibt sich, dass die Anordnung zum selben Verfahren gehört, in dem die Entziehung ausgesprochen wird. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn - wie es der Regelfall sein sollte - die Behörde Entziehung und begleitende Maßnahme mit demselben Bescheid verfügt. Daraus folgt, dass die Behörde auch dann, wenn sie Entziehung und Anordnung der begleitenden Maßnahme mit getrennten Bescheiden ausspricht, beide Bescheide dem im Verfahren für den Besitzer der Lenkerberechtigung unter Berufung auf die erteilte Vollmacht (§ 10 Abs. 1 letzter Satz AVG) einschreitenden Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigten (§ 9 Abs. 1 Zustellgesetz) zuzustellen hat. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde die nachträgliche Anordnung - zu Unrecht (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/11/0254) - nicht auf § 73 Abs. 2a KFG 1967 sondern auf § 64a Abs. 2 leg. cit. oder - wie im vorliegenden Fall - auf § 4 FSG stützt.

Daraus folgt, dass die Zustellung des die Anordnung der Nachschulung verfügenden Bescheides vom 27. März 1998 an den Beschwerdeführer gesetzwidrig (und unwirksam) war. Der auf der Annahme der Gesetzmäßigkeit dieser Zustellung basierende angefochtene Bescheid erweist sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

Es bedarf daher keiner näheren Ausführungen dazu, dass von einer Heilung des Zustellmangels im Sinne des § 9 Abs. 1 zweiter Satz Zustellgesetz nach der Aktenlage nicht ausgegangen werden kann, weil die in der Eingabe des Beschwerdevertreters vom 14. Juli 1998 erwähnte Akteneinsicht und Anfertigung einer Kopie am 10. Juli 1998 dazu nicht ausreicht (siehe dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E. Nr. 18 zu § 9 Zustellgesetz zitierte hg. Rechtsprechung).

Für den Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist es auch ohne Bedeutung, ob die nachträgliche Anordnung der Nachschulung eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers gegenüber jener bei gleichzeitiger Anordnung bewirkt und deshalb rechtswidrig ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Slg. Nr. 14572/A).

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. April 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte