Normen
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z1 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §30 Abs5 idF 8000-10;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z1 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4 idF 8000-10;
ROG NÖ 1976 §30 Abs5 idF 8000-10;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 21. März 1996 hatte der Sohn (Karl jun.) der nunmehrigen Beschwerdeführer bereits um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit einer Nutzfläche von ca. 190 m2 auf dem Grundstück Nr. 108/1, KG Wartmannstetten, angesucht. Dieses Grundstück ist im vereinfachten Flächenwidmungsplan 1972 der Marktgemeinde Wartmannstetten als Grünland ausgewiesen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 9. Mai 1996 wurde dieses Ansuchen wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan abgewiesen; das geplante Wohnhaus liege in der Nähe des Buschenschankes und ca. 400 bis 500 m vom bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb entfernt, weshalb es als nicht im Hofverband liegend angesehen werden könne. Die dagegen erhobene Berufung des damaligen Beschwerdeführers blieb ebenso erfolglos wie seine Vorstellung. Mit Erkenntnis vom 16. September 1997, Zl. 97/05/0185, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß in bezug auf den damaligen Beschwerdeführer keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß er der Übernehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei, weshalb das Bauansuchen mit Recht wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan abgewiesen worden sei. Auf die Frage, ob das Wohngebäude "im Hofverband" errichtet werden solle, sei daher nicht mehr einzugehen gewesen.
Mit Eingabe vom 22. April 1997 (nach Erlassung des abweislichen Berufungsbescheides an den Sohn des Beschwerdeführers, Karl Posch jun.) haben die nunmehrigen Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung des oben angeführten Wohnhauses beantragt.
Der agrartechnische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten vom 26. Juni 1997 aus, die Beschwerdeführer bewirtschafteten im Vollerwerb ca. 18,5 ha Acker- und Brachflächen, 5 ha Wiesen, 1,5 ha Obstgärten und ca. 4 ha Wald. Von den Gesamtflächen seien rund 13 ha zugepachtet. Es sei vorgesehen, in naher Zukunft weitere Obstbäume zur Most- und Safterzeugung auszupflanzen. Im Betrieb seien ca. 15 Zuchtsauen, 50 Mastschweine, 20 Schafe und 4 Ziegen vorhanden. Schafe und Schweine würden einerseits direkt abgesetzt, andererseits würden sie im Rahmen des Buschenschankbetriebes oder im Zuge der Urproduktion veräußert. Ein Teil werde zur Deckung des Eigenbedarfes verwendet. Der Betriebsstandort Wartmannstetten Nr. 25 (bisheriges Wohnhaus der Beschwerdeführer) habe ein Ausmaß von rund 1.550 m2. Es seien ein ca. 9 m mal 11 m großes zweigeschoßiges, ca. 20 Jahre altes Wohnhaus vorhanden, ein rund 8 m mal 8 m großes Stöckl sowie diverse Wirtschaftsgebäude. Im Erdgeschoß des Wohnhauses seien ausschließlich die Wirtschaftsräume, im ersten Stock 4 Zimmer, ein Wohnzimmer, Küche, Bügelraum, Bad und WC eingebaut. Das Dachgeschoß sei nicht ausgebaut. Im Stöckl würden zwei Zimmer und das Bad für familieneigene Wohnzwecke genutzt. An diesem Standort seien die Betriebsführer und deren sechs Kinder im Alter zwischen fünfundzwanzig und zwölf Jahren wohnhaft. Ca. 500 m westlich des oben beschriebenen Standortes bestehe auf dem Grundstück Nr. 108/1 ein weiteres Wirtschaftsgebäude des Betriebes. Dieses (konsentierte) Bauwerk sei vor ca. 4 Jahren errichtet worden, habe ein Ausmaß von ca. 35 m mal 12 m und sei zu einem Großteil unterkellert. Im Obergeschoß sei ein Buschenschanklokal mit diversen Nebenräumen vorhanden, im Kellergeschoß seien u.a. Maschinenabstellflächen sowie Abstellflächen zur Mostverarbeitung und Mostlagerung eingebaut. Sechsmal jährlich werde für die Dauer von je 14 Tagen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen Buschenschank betrieben. Rund 50 % des Gesamteinkommens des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes stammten laut Angabe der Beschwerdeführer aus diesem Wirtschaftszweig. Zur Bewirtschaftung stünden unter anderem zwei Traktoren, diverse Heuwerbegeräte, Grubber, Kombination, Sämaschine, Miststreuer, Güllefaß, Egge, Güllemixer, Körnerschnecken, drei Anhänger, drei Kipper, zwei Mähwerke, Spritze, Holzspalter, etc. zur Verfügung. Diese Geräte seien teilweise in den vorhandenen Wirtschaftsgebäuden im Zentrum von Wartmannstetten und teilweise im Keller des auf dem Grundstück Nr. 108/1 vorhandenen Gebäudes abgestellt.
Nunmehr solle ca. 30 m östlich des Buschenschankbetriebes auf der Liegenschaft Nr. 108/1 ein 10,5 m mal 14 m großes dreigeschoßiges Wohnhaus mit einer Wohnnutzfläche von ca. 196 m2 errichtet werden. Das Bauwerk solle den Betriebsinhabern und den Kindern Gerhard und Reinhard (beide geb. 1979) und Barbara (geb. 1985) zur Deckung der Wohnbedürfnisse dienen. Am bisherigen Wohnsitz in Wartmannstetten sollten Karl Posch jun. (geb. 1972) und dessen künftige Gattin sowie Andreas (geb. 1974) und Günter Posch (geb. 1977) weiterhin wohnen. Begründet werde der Neubau einerseits mit den beengten Wohnverhältnissen im Zentrum von Wartmannstetten und andererseits aus arbeitswirtschaftlichen Aspekten (z.B. Vermeidung von Weg- und Leerzeiten, ständige Beaufsichtigung des Buschenschanklokales etc.). Die Antragsteller könnten zweifelsohne als Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bezeichnet werden. Die zur Verfügung stehende Hoffläche mit einer Größe von ca. 1.550 m2 biete dem bestehenden Landwirtschaftsbetrieb kaum Erweiterungsmöglichkeiten und erlaube langfristig eine moderne Betriebsführung nur mit Einschränkungen. Bedingt durch diese Situation solle das geplante Wohnhaus, das den Betriebsinhabern und deren Familie zur Deckung der Wohnbedürfnisse dienen solle, im unmittelbaren Nahbereich zum bereits bestehenden Buschenschanklokal errichtet werden, welches für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zweifellos ein wichtiges Standbein darstelle. Dies werde noch dadurch untermauert, daß rund 50 % des Gesamteinkommens aus der Ausschanktätigkeit stammten und das Bauwerk auch teilweise zur Maschineneinstellung genutzt werde. Aus fachlicher Sicht sei daher davon auszugehen, daß es sich bei dem Buschenschanklokal um ein unentbehrliches und wesentliches Wirtschaftsgebäude handle. Das zukünftige Wohnhaus stelle bei einer Entfernung von rund 30 m zum Buschenschankbetrieb sowohl in optischer als auch in funktioneller Hinsicht einen Hofverband dar. Auch von der rechtlichen Seite könne der Verband als gesichert angesehen werden, da das geplante Wohnhaus auf dem gleichen Grundstück wie das Wirtschaftsgebäude errichtet werde und somit mit diesem untrennbar verbunden sei. Ob dieser aus rein fachlicher Sicht vorliegende Hofverband letztlich auch als "Hofverband im Sinne der Bestimmungen des § 19 Nö. ROG" eingestuft werden könne, sei als Rechtsfrage von der Behörde zu klären. Für den Fall, daß das geplante Wohnhaus von der Baubehörde auch in rechtlicher Hinsicht als im Hofverband gelegen angesehen werde und somit grundsätzlich einer widmungsgemäßen Nutzung diene, werde vom Sachverständigen festgehalten, daß das Gebäude von der Größe und Ausgestaltung her weitgehend auf den Bedarf abgestimmt und im Sinne der Bestimmungen des § 19 Abs. 4 Nö. ROG als erforderlich anzusehen sei.
Die Beschwerdeführer äußerten sich zu diesem Gutachten positiv.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. Oktober 1997 wurde das Baugesuch abgewiesen, weil das vom landwirtschaftlichen Betrieb im Ortszentrum Wartmannstetten ca. 400 bis 500 m entfernt geplante Objekt, auch wenn es neben einem unentbehrlichen Wirtschaftsgebäude errichtet werden sollte, keinen eigenen Hofverband begründen könne, zumal der Hauptbetriebsstandort im Bauland liege.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 12. Jänner 1998 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 15. April 1998 keine Folge gegeben.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. September 1998, B 976/98-4, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der vorliegenden Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Niederösterreichischen
Raumordnungsgesetzes 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8000-10,
lauten wie folgt:
"§ 19
Grünland
(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen gehören zum Grünland.
(2) Das Grünland ist entsprechend den örtlichen Erfordernissen und naturräumlichen Gegebenheiten in folgende Nutzungsarten zu gliedern:
1. Land- und Forstwirtschaft:
Flächen, die der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung, der Errichtung von Wohngebäuden im Hofverband zur Befriedigung der familieneigenen Wohnbedürfnisse der Inhaber sowie der Übernehmer land-und forstwirtschaftlicher Betriebe und der Errichtung von Bauwerken für die Ausübung der Land- und Forstwirtschaft und deren Nebengewerbe im Sinne der Gewerbeordnung dienen. Bei den zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehörenden Gebäuden, die nicht als Nebengebäude anzusehen sind, sind Zu- und Umbauten für die Errichtung von Wohnräumen für die Vermietung von höchstens 10 Fremdenbetten je land- und forstwirtschaftlichem Betrieb zulässig.
.....
(4) Im Grünland dürfen Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden sowie die Herstellung und Abänderung von baulichen Anlagen nur dann bewilligt werden, wenn sie für eine Nutzung gemäß Abs. 2 erforderlich sind.
.....
§ 30
Übergangsbestimmungen
...
(5) Für die in den örtlichen Raumordnungsprogrammen und vereinfachten Flächenwidmungsplänen nach Abs. 3 ausgewiesenen Widmungs- und Nutzungsarten sind die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden. Nutzungsarten, die nach ihrer Bezeichnung nicht mit den Bestimmungen dieses Gesetzes übereinstimmen, gelten als nicht ausgewiesen.
..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem o.a. Erkenntnis vom 16. September 1997, Zl. 97/05/0185, ausgeführt hat, ist aufgrund der Übergangsbestimmung des § 30 Nö. ROG 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8000-10 die Bestimmung des § 19 Abs. 1 und 2 in der Fassung der Novelle LGBl. 8000-10 anzuwenden, obwohl der hier anzuwendende vereinfachte Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1972 stammt.
Aufgrund des von der Baubehörde erster Instanz eingeholten agrartechnischen Gutachtens steht unzweifelhaft fest, daß die Beschwerdeführer einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb führen und im bestehenden Betrieb in Wartmannstetten 25 kaum Erweiterungsmöglichkeiten bestehen und eine wirtschaftliche, moderne Betriebsführung nur mit Einschränkungen erlaubt. Aus dem im Beschwerdeverfahren des Karl Posch jun. eingeholten Gutachten geht hervor, daß dort auch keine Erweiterung der Wohnflächen möglich ist und die vorhandenen Räumlichkeiten für die heranwachsenden Kinder unzureichend sind. Strittig ist, ob das geplante Wohnhaus, das in einer Entfernung von ca. 30 m vom konsentierten Buschenschanklokal errichtet werden soll, "im Hofverband" im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 1 Nö. ROG 1976 liegen würde.
Das ROG selbst enthält keine Definition des Begriffes "Hofverband". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist darunter die unmittelbare Nähe des Wohnhauses zu den für den Betrieb wichtigen Wirtschaftsgebäuden zu verstehen. Das Wirtschaften des Bauern soll mit dem Wohnen verbunden sein.
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß gemäß § 19 Abs. 2 Z. 1 Nö ROG 1976 idF. der Novelle LGBl. 8000-10 pro Landwirt nur ein Hofverband im Sinne der eben gegebenen Definition zulässig ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz muß allerdings dann angenommen werden, wenn der bisherige Hofverband aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht mehr ausreicht, um die Wohn- und Betriebsbedürfnisse hinreichend zu befriedigen. In einem derartigen Fall muß ein zweiter Hofverband als zulässig angesehen werden. Da diese Gegebenheiten im Beschwerdefall vorliegen und aus dem Gutachten des agrartechnischen Amtssachverständigen vom 26. Juni 1997 hervorgeht, daß das geplante Wohnhaus im Sinne des § 19 Abs. 4 Nö ROG 1976 erforderlich ist, weil es in Bezug auf Größe und Ausgestaltung weitgehend auf den Bedarf abgestimmt ist, und im unmittelbaren Nahbereich des bestehenden Buschenschanklokales errichtet werden soll, das für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ein wichtiges Standbein darstellt, dieses Bauwerk ferner auch teilweise zur Maschineneinstellung genutzt wird, und es sich dem Gutachten zufolge bei diesem Gebäude um ein unentbehrliches und wesentliches Wirtschaftsgebäude handelt, ist keine rechtliche Grundlage erkennbar, die beantragte Baubewilligung deshalb zu versagen, weil das Wohngebäude in einem neuen Hofverband errichtet werden soll.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Februar 1999
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