VwGH 98/01/0637

VwGH98/01/063713.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, 1. über den Antrag des J in W, vertreten durch Dr. Ernst Grossmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/II, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. Mai 1998, Zl. 203.116/0-V/15/98, betreffend Asylgewährung, und

2. in dieser Beschwerdesache, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluß vom 5. Juni 1998, Zl. VH 98/01/0159, bewilligte der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer gemäß § 61 VwGG die Verfahrenshilfe zur Erhebung der Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien bestellte daraufhin mit Bescheid vom 15. Juni 1998 den nunmehrigen Vertreter des Beschwerdeführers zum Verfahrenshelfer. Der Bestellungsbescheid wurde diesem am 24. Juni 1998 zugestellt.

Mit Postaufgabe 4. August 1998 brachte der bestellte Verfahrenshelfer namens des Beschwerdeführers Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluß vom 29. September 1998 mit der Begründung zurück, daß der einschreitende Rechtsanwalt lediglich für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zum Vertreter bestellt worden sei. Es bestehe keine Rechtsvorschrift, welche die gemäß § 61 VwGG i.V.m. § 464 Abs. 3 ZPO eintretende Wirkung der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes auf den Fristenlauf im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über dieses Verfahren hinaus auf ein anderes Verfahren ausdehne, insbesondere nicht in der anscheinend angenommenen Weise auf ein denselben Bescheid betreffendes Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Verfassungsgerichtshofbeschwerde erweise sich demnach wegen Versäumung der ab Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer zu berechnenden sechswöchigen Beschwerdefrist des § 82 Abs. 1 VerfGG als verspätet. Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, sei abzuweisen, weil nach Art. 144 Abs. 3 B-VG (und § 87 Abs. 3 VerfGG) eine solche Abtretung nur für den Fall vorgesehen sei, daß der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abweise oder ihre Behandlung ablehne, nicht aber für den Fall ihrer Zurückweisung.

Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1998 (Postaufgabe) begehrt der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Zustellung des Bestellungsbescheides an seinen Verfahrenshelfer mit 24. Juni 1998 - unter gleichzeitiger Nachholung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Diesen Antrag begründet er im wesentlichen damit, daß dem Beschluß über die Bewilligung der Verfahrenshilfe vom 5. Juni 1998 nicht zu entnehmen gewesen sei, daß die Verfahrenshilfe bloß eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und nicht auch eine solche beim Verfassungsgerichtshof umfasse; auf dem Bestellungsbescheid der Rechtsanwaltskammer befinde sich der gemeinsame Eingangsstempel des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes. Die Zurückweisung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde (und die damit verbundene Abweisung des Abtretungsantrages) - wegen "differenzierender Rechtsmeinung" des Verfassungsgerichtshofes - sei (daher) unerwartet gewesen und stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.

Als Ereignis im eben bezeichneten Sinn macht der Beschwerdeführer, der sich das Verhalten seines anwaltlichen Vertreters zurechnen lassen muß, die "unerwartete" Zurückweisung der vom Verfahrenshelfer an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde geltend. Bei objektiver Betrachtungsweise kann von einer "unerwarteten" Zurückweisung freilich nicht die Rede sein, entspricht diese Vorgangsweise bei vergleichbarer Sachlage doch der ständigen Judikatur beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. etwa VfSlg. 14.333 und den hg. Beschluß vom 11. März 1998, Zlen. 97/01/1099 und 1100, jeweils m.w.N.). Wenn der Beschwerdeführer darauf verweist, daß dem Beschluß über die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht zu entnehmen gewesen sei, daß sie sich bloß auf die Ausführung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erstrecke, so ist ihm zu entgegnen, daß der Beschluß vom 5. Juni 1998 zweifelsfrei und ausschließlich als Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes verstanden werden mußte. Warum eine vom Verwaltungsgerichtshof bewilligte Verfahrenshilfe Auswirkungen auf ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof haben sollte, ist aber - zumal vor dem Hintergrund des § 26 Abs. 3 VwGG - nicht nachvollziehbar.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der dem Vertreter des Beschwerdeführers unterlaufene Rechtsirrtum über den Grad des minderen Versehens - worunter leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen ist - hinausgeht (vgl. abermals den genannten hg. Beschluß vom 11. März 1998). Dem Wiedereinsetzungsantrag konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Dies hat weiters zur Folge, daß die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 13. Jänner 1999

Stichworte