Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, 92/13/0076, verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Präsidentenbeschwerde den von derselben belangten Behörde erlassenen Bescheid betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich gesonderter Feststellung von Einkünften und Gewerbesteuer 1979 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat.
Dem erwähnten Erkenntnis liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer erzielte im Jahr 1979 gewerbliche Einkünfte aus dem Zusammenbau von Einrichtungsgegenständen. Im Abgabenverfahren brachte er vor, einen Teil seiner Einnahmen unter der Bezeichnung "Fremdarbeiter" an eine Person namens St. weitergegeben zu haben, die nach Art eines Subunternehmers für den Beschwerdeführer tätig geworden sei.
Da diese Person nicht ausfindig gemacht werden konnte, wurde den angeblich weiter geleiteten Beträgen unter Bezugnahme auf die Bestimmung des § 162 BAO die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe versagt. Die diesbezüglichen zweitinstanzlichen Bescheide betreffend die gesonderte Feststellung von Einkünften, Umsatz- und Gewerbesteuer 1979 erwuchsen im Jahr 1987 in Rechtskraft.
Zwischenzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer ein gerichtliches Strafverfahren durchgeführt, in dem ihm vorgeworfen wurde, dem Finanzamt falsche Urkunden, nämlich angebliche Rechnungen des St., vorgelegt zu haben.
Dieses Verfahren wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. September 1988 beendet. Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen, weil kein Schuldbeweis erbracht werden konnte. Der Beschwerdeführer war insbesondere durch ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten entlastet worden. In dem Gutachten war festgestellt worden, dass die Rechnungen weder vom Beschwerdeführer noch von seiner Ehefrau geschrieben worden waren. Bezüglich der Unterschrift spreche viel dafür, dass es sich um einen dem Schreiber nicht geläufigen Namenszug handle.
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1988 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend gesonderte Feststellung von Einkünften, Umsatz- und Gewerbesteuer für das Jahr 1979 gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 20. September 1990 stützte der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmeantrag auch auf die Wiederaufnahmsgründe der lit. a und lit. b des § 303 Abs. 1 leg. cit. Diese Wiederaufnahmegründe seien erfüllt, weil der wiederaufzunehmende Bescheid unrichtigerweise von der Fälschung einer Urkunde ausgegangen sei und dieser Vorwurf sich nunmehr als unrichtig herausgestellt habe; zudem seien von der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz mit Berufungsentscheidung vom 20. Juni 1990 die strittigen Betriebsausgaben anerkannt worden, woraus sich ergebe, dass nunmehr von einem anderen Sachverhalt auszugehen sei.
Im ersten Rechtsgang wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich der Umsatzsteuer als unbegründet ab. Hinsichtlich der gesonderten Feststellung von Einkünften sowie der Gewerbesteuer nahm sie die Verfahren jedoch wieder auf. Gleichzeitig gab sie der Berufung gegen die Sachbescheide teilweise statt und anerkannte die strittigen an St. geleisteten Beträge als Betriebsausgaben. Während die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages betreffend Umsatzsteuer unbekämpft blieb, erhob der Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid in seinem Abspruch über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich gesonderter Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit dem eingangs erwähnten hg. Erkenntnis vom 20. April 1995 hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem "Wiederaufnahmeantrag ... betreffend das Berufungsverfahren, abgeschlossen durch die Berufungsentscheidung des Berufungssenates IV der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. April 1987 bezüglich gesonderter Feststellung von Einkünften, Umsatz- und Gewerbesteuer für 1979 " keine Folge.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn erhobenen Beschwerde, in der die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, des Eigentumsrechtes sowie des rechtsstaatlichen Prinzips behauptet worden ist, mit Beschluss vom 8. Oktober 1997, B 3983/95-7, ab, und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Vorerkenntnis vom 20. April 1995 hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch mit den Argumenten des Beschwerdeführers (der als mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet hatte) auseinander gesetzt. Demnach stellen Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ergehen, als solche keine Wiederaufnahmsgründe im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO für das abgeschlossene Verfahren dar und zwar weder hinsichtlich der darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen noch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung. Sowohl eine Sachverhaltsfeststellung, als auch deren rechtliche Beurteilung beruhen nämlich auf einer behördlichen Willensbildung, deren Ergebnis rechtlich erst mit Erlassung der betreffenden Entscheidung entsteht. Selbst wenn daher in einer späteren Entscheidung auf Grund der dort angestellten Ermittlungen eine Tatsache als erwiesen angenommen wird, handelt es sich bei dieser Feststellung nicht um eine Tatsache, die bereits im abgeschlossenen Verfahren bestanden hat und bloß später hervorgekommen ist, sondern um das Ergebnis eines späteren Rechtsfindungsaktes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters festgehalten, dass Tatsachen oder Beweismittel, die zwar einer späteren Entscheidung zugrunde liegen, die aber schon früher als Tatsachen (Beweismittel) entstanden bzw. vorhanden waren, grundsätzlich zur Wiederaufnahme eines anderen, bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens führen können. Der Umstand, dass sie durch eine später ergangene Entscheidung neu hervorgekommen sind, sei ohne Bedeutung, weil die Art und Weise, in der dem Wiederaufnahmswerber Tatsachen oder Beweismittel zur Kenntnis gelangen, für deren Eignung als Wiederaufnahmsgründe unerheblich seien. In diesem Sinne stützt sich die Beschwerde nunmehr auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens. Der Beschwerdeführer habe im Zuge der mündlichen Verhandlung am 19. September 1988 zum ersten Mal Kenntnis von der Tatsache erlangt, dass die Rechnungen von einer Person unterschrieben worden sein sollen, der der Namenszug "St."
nicht geläufig gewesen sei. Daraus könne geschlossen werden, dass diese Person nicht St. heiße. Wenn dem so sei, könne dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen werden, er habe die Bekanntgabe des Zahlungsempfängers im Sinne des § 162 BAO verweigert. Es liege diesfalls eine tatsächliche Unmöglichkeit, den Empfänger der abgesetzten Beträge namhaft zu machen, vor.
Dieses Vorbringen zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Gegenstand des vom Landesgericht für Strafsachen Wien eingeholten Gutachtens war die Untersuchung, ob die streitgegenständlichen Rechnungen vom Beschwerdeführer oder dessen Gattin stammen, weiters ob die Unterschriften auf diesen Rechnungen von der gleichen Person geleistet wurden. Aus den aufgenommenen Befunden (Vergleich der Rechnungen mit Schriftproben des Beschwerdeführers und dessen Ehegattin) kam die Schriftsachverständige zu folgender gutachterlicher Stellungnahme:
1. Die Rechnungen stammten nicht vom Beschwerdeführer bzw. dessen Gattin.
2. Die auf diesen Rechnungen befindlichen Unterschriften stammten mit hoher Wahrscheinlichkeit (mit einer Ausnahme) von der gleichen Person. Es spreche vieles dafür, dass es sich um einen dem Schreiber nicht geläufigen Namenszug handle.
Dem Umstand, ob die strittigen Rechnungen vom Beschwerdeführer, dessen Gattin oder von einer dritten Person, welcher der Namenszug "St." geläufig oder nicht geläufig war, unterschrieben wurden, kommt im Anwendungsbereich des § 162 BAO keine entscheidende Bedeutung zu. Selbst die vom Beschwerdeführer daraus gezogene - keinesfalls zwingende - Schlussfolgerung, es sei nunmehr bewiesen, dass er von "St." über dessen wahre Identität getäuscht worden sei, vermag den Eintritt der Rechtsfolge des § 162 BAO nicht auszuschließen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem hg. Erkenntnis vom 2. März 1993, 91/14/0144, ausgeführt hat, beruht § 162 BAO auf dem Grundsatz, dass das, was bei dem einen Abgabepflichtigen abzusetzen ist, bei dem anderen versteuert werden muss, wenn nicht steuerpflichtige Einnahmen unversteuert bleiben sollen. Es könne daher die Absetzung von Betriebsausgaben trotz feststehender sachlicher Berechtigung abgelehnt werden, solange nicht die Möglichkeit, die entsprechenden Einnahmen beim Empfänger zu versteuern, dadurch sichergestellt sei, dass der Steuerpflichtige den Empfänger konkret genannt habe. Es dürften allerdings dem Steuerpflichtigen keine offenbar unerfüllbaren Aufträge zum Nachweis der Empfänger erteilt werden. "Offenbar unerfüllbar" seien derartige Aufträge aber nur dann, wenn eine unverschuldete tatsächliche Unmöglichkeit, die Empfänger der geltend gemachten Betriebsausgaben namhaft zu machen, vorliege. Die Bezeichnung der Empfänger der aufgewendeten Beträge könne jedoch nicht als unverschuldetermaßer tatsächlich unmöglich angesehen werden, wenn dem Steuerpflichtigen die Bezeichnung der Empfänger auf Grund seines eigenen Verhaltens unmöglich wurde. Setze der Steuerpflichtige ohne zwingende Gründe ein Verhalten, das ihn daran hindere, den Empfänger von Zahlungen namhaft zu machen, so könne grundsätzlich nicht gesagt werden, die Erfüllung der im § 162 BAO vorgesehenen Pflichten sei ihm unzumutbar.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 1979 rund zwei Drittel seiner Einnahmen an St. weitergegeben. In 11 Rechnungen wurde über einen Gesamtbetrag von brutto S 1,049.696,61 abgerechnet. Sämtliche Beträge wurden in bar ausschließlich in der Wohnung des Beschwerdeführers übergeben. St. hat über kein Firmenpapier verfügt und sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers erst im Laufe des Jahres 1979 bei einer vom Beschwerdeführer empfohlenen Firma einen Stempel anfertigen lassen. Bei der gegebenen Sachlage ist es geradezu unverständlich, dass der Beschwerdeführer nicht auch aus eigenem Antrieb - um eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufträge sicherzustellen - daran interessiert war, mit St. gegebenenfalls Kontakt aufnehmen zu können. Wenn sich der Beschwerdeführer deshalb damit begnügt hat, darauf zu warten, gelegentlich von St. in der eigenen Wohnung aufgesucht zu werden, bzw. ihn zufällig auf Baustellen zu treffen, so ist darin keine übliche Geschäftsbeziehung zu Subunternehmern zu erblicken. Ein derartiges Verhalten des Beschwerdeführers leistet jenen Abgabenverkürzungen Vorschub, denen § 162 BAO verbeugen will (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1988, 87/14/0203, und die dort zitierte Literatur). Von einer unverschuldeten Unmöglichkeit, den wahren Leistungsempfänger zu nennen, kann daher keine Rede sein.
Soweit der Beschwerdeführer die lange Verfahrensdauer dafür verantwortlich macht, jene Person, die sich als St. ausgegeben hat, nicht mehr auffinden zu können, ist er zunächst auf das oben Gesagte zu verweisen. Zudem wurde der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1981 vom Finanzamt darauf aufmerksam gemacht, dass eine Person namens St. an der angegebenen Adresse unbekannt sei.
Zum Beschwerdevorbringen, das Landesgericht für Strafsachen Wien habe eine Vorfrage im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO anders entschieden, genügt es auf die diesbezüglichen Ausführungen im Vorerkenntnis vom 20. April 1995 zu verweisen.
Die belangte Behörde hat indes die Rechtslage insoweit verkannt, als sie davon ausgegangen ist, mit dem Vorerkenntnis vom 20. April 1995 sei der Bescheid zu Gänze, also auch in seinem unbekämpft gebliebenen Abspruch über die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages hinsichtlich der Umsatzsteuer, aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Da die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich jeder einzelnen Abgabenart gesondert zu verfügen ist, ist auch ein Bescheid, mit dem über einen Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich verschiedener Abgabenarten abgesprochen wird, gesondert anfechtbar. Wenn die belangte Behörde daher neuerlich über den Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich der Umsatzsteuer 1979 abgesprochen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit einer Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war somit in seinem Abspruch über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben. Im Übrigen erweist sich die Beschwerde jedoch als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Dezember 1999
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