Normen
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art6 Abs1;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art8 Abs1;
AZG §28 Abs1a idF 1994/446;
EURallg;
VStG §2 Abs2;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwRallg;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art6 Abs1;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art8 Abs1;
AZG §28 Abs1a idF 1994/446;
EURallg;
VStG §2 Abs2;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der erstangefochtene Bescheid wird zur Gänze, der zweitangefochtene Bescheid im Umfang des Abspruches über Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 20. Mai 1996 - jeweils wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes - aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 27. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführer als Inhaber eines Güterbeförderungsbetriebes schuldig erkannt, bei Fahrten im internationalen Straßenverkehr im Oktober und November 1995
1. einen namentlich genannten Arbeitnehmer an näher bezeichneten Tagen in der angegebenen, jeweils 10 Stunden übersteigenden Dauer zum Lenken eines Lastkraftwagens herangezogen zu haben, obwohl die Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten darf und die Gesamtlenkzeit lediglich zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden darf,
2. zwei namentlich genannten Arbeitnehmern in näher genannten Zeiträumen lediglich die angegebene tägliche Ruhezeit von jeweils weniger als 9 Stunden gewährt zu haben, obwohl innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden zu gewähren ist, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.
Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen (1.) Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 (im folgenden: VO) und (2.) Art. 8 Abs. 1 VO verstoßen.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 20. Mai 1996 wurde der Beschwerdeführer als Inhaber eines Güterbeförderungsbetriebes schuldig erkannt, es zu verantworten zu haben, daß am 12. Jänner 1995 im internationalen Straßenverkehr
1. ein namentlich genannter Arbeitnehmer insgesamt 11 Stunden zum Lenken eines Lkw's herangezogen wurde,
2. kein Schaublatt für das Kontrollgerät im Lkw benützt wurde und
3. näher genannte Eintragungen in Schaublättern nicht vorgenommen wurden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen (1.) Art. 6 Abs. 1 und (2. und 3.) Art. 13 iVm Art. 15 VO verstoßen.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstgenannte Straferkenntnis Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und 3 VStG eingestellt.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das zweitgenannte Straferkenntnis Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und 3 VStG eingestellt.
Gegen diese Bescheide richtet sich die auf § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 gestützte Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales - in Ansehung des zweitangefochtenen Bescheides allerdings nur gegen die Aufhebung des Spruchpunktes 1. des Straferkenntnisses vom 20. Mai 1996. Die Beschwerdeführerin macht jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend und beantragt deren Aufhebung (in Ansehung des zweitangefochtenen Bescheides im bekämpften Umfang).
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, die sich mit dem Beschwerdevorbringen nur aus dem Blickwinkel des zweitangefochtenen Bescheides befaßt. Beantragt wird primär die Zurückweisung der Beschwerde, in eventu deren Abeisung als unbegründet. Auch der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Entgegen der in der Gegenschrift geäußerten Auffassung der belangten Behörde besteht kein Grund zur Zurückweisung der Beschwerde wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Fertigung, weil der Beschwerdeschriftsatz nicht gemäß §18 Abs. 4 AVG mit der leserlichen Beifügung des Namens des Genehmigenden oder einem Beglaubigungsvermerk versehen sei. § 18 Abs. 4 AVG ist, weil es sich bei der Beschwerde nicht um eine in einem behördlichen Verfahren ergangene Erledigung der beschwerdeführenden Bundesministerin handelt (siehe Art. II Abs. 1 und 4 EGVG), hier nicht anwendbar. Anzuwenden ist vielmehr § 13 AVG (§ 62 Abs. 1 VwGG) über Anbringen von Beteiligten. Nach dessen Abs. 4 kann, wenn ein schriftliches Anbringen keine eigenhändige und urschriftliche Unterschrift aufweist, die Behörde, wenn sie Zweifel darüber hat, ob das Anbringen von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen. Die vorliegende Beschwerde ist mit der eigenhändigen Unterschrift der auf Seite 1 der Beschwerde genannten Bundesministerin versehen, sodaß auch für ein Vorgehen nach § 13 Abs. 4 AVG kein Anlaß besteht.
Die belangte Behörde begründete die Einstellung der Verwaltungsstrafverfahren jeweils mit eingetretener Verfolgungsverjährung. In Ansehung der Überschreitung der zulässigen Lenkzeit sei aus keiner innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangenen Verfolgungshandlung erkennbar, ob dem Mitbeteiligten vorgeworfen werde, den jeweiligen Arbeitnehmer über eine erlaubte tägliche Gesamtlenkzeit von 9 Stunden oder von 10 Stunden hinaus zum Lenken eingesetzt zu haben, was im Hinblick einerseits auf das Verteidigungsrecht des Mitbeteiligten und andererseits auf den Unrechtsgehalt und damit für das Strafausmaß von Bedeutung sei. Ebenso sei in Ansehung der Unterschreitung der Ruhezeit dem Mitbeteiligten mangels Angabe der dem betreffenden Arbeitnehmer jeweils gebührenden Ruhezeit nie konkret vorgeworfen worden, ob er gegen das Gebot, dem Arbeitnehmer eine Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren oder gegen das Gebot, ihm eine Ruhezeit von 9 Stunden (kürzere Ruhezeit dreimal pro Woche) zu gewähren, oder gegen das Gebot, eine durchgehende Ruhezeit von acht Stunden und eine oder zwei weitere Ruhezeiten (insgesamt aber 12 Stunden Ruhezeit) zu gewähren, verstoßen habe. Auch die zuletzt genannte Möglichkeit komme nach dem geltenden Kollektivvertrag in Betracht. Dies hätte im Tatvorwurf zum Ausdruck kommen müssen bzw. hätten "jene Umstände angeführt werden müssen, warum keine zulässige Teilung vorgenommen wurde". Dies sei erforderlich, weil allein der Umstand, daß eine Ruhezeit von gut 8 Stunden gewährt worden sei, noch keine Strafbarkeit nach Art. 8 Abs. 1 VO (iVm dem Kollektivvertrag) ergebe. Damit sei eine Zuordnung zu den Tatbeständen des Art. 8 Abs. 1 VO nicht möglich. In der Gegenschrift verweist die belangte Behörde zusätzlich darauf, daß Art. 6 Abs. 1 VO alternative Tatbestände normiere, was in der Tatumschreibung die Angabe der konkreten Begehungsdauer der Tat (Ausmaß der Überschreitung) und damit deren Zuordnung zu einem der Alternativtatbestände erfordere. Dem gesamten Akteninhalt sei nicht zu entnehmen, welche Tageslenkzeit (9 Stunden oder 10 Stunden) an den einzelnen Tagen jeweils erlaubt gewesen sei. Mangels einer auch dieses Tatbestandselement umfassenden fristgerechten Verfolgungshandlung wäre eine entsprechende Spruchänderung durch die belangte Behörde unzulässig gewesen.
Der Mitbeteiligte teilt im wesentlichen die Ansicht der belangten Behörde.
Die Beschwerdeführerin hält die Tatumschreibung in den innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangenen Verfolgungshandlungen und in den erstinstanzlichen Straferkenntnissen im gegebenen Zusammenhang für ausreichend. Es sei damit klargestellt, in welchem Gesamtausmaß die Arbeitnehmer jeweils zum Lenken eingesetzt gewesen seien bzw. welche tägliche Ruhezeit ihnen jeweils gewährt worden sei. Sämtliche Tageslenkzeiten hätten das zulässige Höchstmaß überschritten und sämtliche gewährten Ruhezeiten hätten das gebotene Mindestmaß unterschritten. Damit sei der wesentliche Sachverhalt insoweit iSd § 44a Z. 1 VStG ausreichend umschrieben. Dies gelte auch hinsichtlich der Auffassung der belangten Behörde, Art. 8 Abs. 1 zweiter und dritter Satz VO erfordere eine Angabe darüber, warum keine nach diesen Bestimmungen zulässige Teilung der täglichen Ruhezeit vorgenommen worden sei. Aus der Tatumschreibung gehe klar hervor, daß außer der jeweils angeführten Ruhezeit keine weiteren täglichen Ruhezeiten gewährt worden seien, die insgesamt eine Ruhezeit von 12 Stunden ergeben hätten.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO darf die nachstehend "Tageslenkzeit" genannte Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden. Der Fahrer muß nach höchstens sechs Tageslenkzeiten eine wöchentliche Ruhezeit im Sinne von Art. 8 Abs. 3 einlegen (Unterabsatz 2). Die wöchentliche Ruhezeit kann bis zum Ende des sechsten Tages verschoben werden, falls die Gesamtlenkzeit während der sechs Tage nicht die Höchstdauer übersteigt, die sechs Tageslenkzeiten entspricht (Unterabsatz 3). (Unterabsatz 3 ist hier nicht von Belang.)
Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO legt der Fahrer innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden ein, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.
Die Ruhezeit kann an den Tagen, an denen sie nicht nach Unterabsatz 1 verkürzt wird, innerhalb von 24 Stunden in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen werden, von denen einer mindestens 8 zusammenhängende Stunden betragen muß. In diesem Falle erhöht sich die Mindestruhezeit auf 12 Stunden (Unterabsatz 2).
§ 28 Abs. 1a AZG normiert die Strafbarkeit von Arbeitgebern und deren Bevollmächtigten, die die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 1 VO nicht gewähren (Z. 2) oder Lenker über die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen (Z. 4).
Diese Bestimmungen enthalten nicht, wie die belangte Behörde (in der Gegenschrift) meint, alternative Tatbestände, sondern jeweils einen Tatbestand mit einer oder zwei Ausnahmen von der betreffenden Grundregel, sodaß bei Zutreffen einer Ausnahme der betreffende Tatbestand nicht erfüllt ist. Dies gilt auch für die in Unterabsatz 2 des Art. 8 Abs. 1 VO normierte Ausnahme. Für dieses Verständnis spricht auch der Wortlaut der Sanktionsbestimmung des § 28 Abs. 1a AZG, der ohne weitere Differenzierung das Nichtgewähren der "täglichen Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 1" bzw. das Einsetzen von Lenkern "über die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 zulässige Lenkzeit hinaus" unter Strafsanktion stellt. Es genügt daher zum Vorliegen einer tauglichen Verfolgungshandlung, die jeweilige Gesamtlenkzeit bzw. Gesamtruhezeit bzw.- bei Teilung der Ruhezeit - die Teilruhezeiten anzuführen. Damit ist der insoweit wesentliche Sachverhalt im Sinne des § 44a Z. 1 VStG so ausreichend umschrieben, daß der Beschuldigte in der Lage ist, darauf bezogen ein konkretes Vorbringen zu seiner Entlastung zu erstatten (vgl. zu den Anforderungen an eine taugliche Verfolgungshandlung Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, Anm. 1 zu § 32 VStG mwN). Ob auf den Sachverhalt allenfalls eine der Ausnahmen zutrifft und damit der betreffende Tatbestand nicht gegeben ist, ist bei der rechtlichen Subsumtion der Tat gemäß § 44a Z. 2 VStG zu prüfen, keinesfalls aber Erfordernis einer tauglichen Verfolgungshandlung. Entgegen der Meinung der belangten Behörde bedurfte es demnach auch keiner Ausführungen darüber, warum von der Möglichkeit des Art. 8 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO kein Gebrauch gemacht wurde. Die belangte Behörde hat die Rechtslage insofern verkannt, als sie jeweils vom Fehlen einer tauglichen Verfolgungshandlung ausgegangen ist.
Die in ihrer Gegenschrift vertretene Ansicht, § 28 Abs. 1a Z 4 AZG sei ein Begehungsdelikt (arg.: "einsetzen"), weshalb die vom Verwaltungsgerichtshof zu Unterlassungsdelikten entwickelte "Tatort-Judikatur" (Tatort ist im Zweifelsfall der Unternehmenssitz) hier nicht anzuwenden sei, wird nicht geteilt. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß mit der Schaffung der genannten Bestimmung durch die Novelle BGBl. Nr. 446/1994 der bisher geltende Grundsatz der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften durch Arbeitnehmer in irgendeiner Weise geändert werden sollte (auch in den Materialien, 1596 Blg. NR 18. GP, findet sich kein Hinweis auf eine solche Absicht). Der Ausdruck "einsetzen" zwingt keineswegs zu einer gegenteiligen Annahme. Entgegen der Meinung der belangten Behörde kommt daher die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften weiterhin zum Tragen. Auch erfaßt der Begriff "einsetzen" nach seiner Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch auch das von der Erstbehörde als "heranziehen" von Arbeitnehmern umschriebene Verhalten des Mitbeteiligten. Es ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt die Annahme des Eintrittes der Verfolgungsverjährung nicht berechtigt.
Das aufgezeigte Verkennen der Rechtslage hat zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide im bekämpften Umgang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes zu führen. Wien, am 9. Februar 1999
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