VwGH 97/09/0012

VwGH97/09/001227.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der G Ö in W, vertreten durch Mag. Dr. Michael Swoboda, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien von 28. November 1996, Zl. LGSW/Abt. 10/13117/1996, betreffend Feststellung gemäß Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art7;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z1;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
ARB1/80 Art7;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z1;
AuslBG §4 Abs3 Z7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangen, vor der Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangte Behörde vom 28. November 1996 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin (einer türkischen Staatsangehörigen) gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 keine Folge gegeben und damit der Bescheid des Arbeitsmarktservice Angestellte Wien vom 20. September 1996, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. August 1996 auf Feststellung der Voraussetzungen gemäß Art. 7 des genannten Assoziationsratsbeschlusses abgewiesen worden war, bestätigt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 und des bisherigen Verfahrensverlaufes - im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei unbestrittenermaßen als Tochter eine Familienangehörige. Daneben werde vorausgesetzt, dass die Beschwerdeführerin die Genehmigung erhalten habe, zu dem türkischen Staatsangehörigen zu ziehen, und bei dieser Bezugsperson mindestens "fünf Jahre vom Antragszeitpunkt" ununterbrochen ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz habe. Eine Teilung der Wohnsitzzeiten wäre aus rechtlichen Gründen unmöglich. Da im Fall der Beschwerdeführerin "eine Heirat während der fünfjährigen geforderten Wohnsitzdauerzeit erfolgte, diese zwar wieder geschieden wurde, insofern aber ein Wechsel der obig ausgeführten Bezugsperson (von Vater zum Ehegatten) erfolgte", sei davon auszugehen, dass die Voraussetzung der fünfjährigen ununterbrochenen Wohnsitzdauer nicht gegeben sei. Die Eigenschaft des Familienangehörigen sei im Falle eines Kindes mit dem 21. Lebensjahr begrenzt. Die Beschwerdeführerin habe dieses Alter im Antragszeitpunkt bereits überschritten. Es sei daher die Selbsterhaltungsfähigkeit zu überprüfen und es müsse "eine durchgehende Versorgungskette zu den Eltern gewährleistet sein eine Unterbrechung derselben macht eine Anwendung im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG unmöglich". Aus der Eheschließung gehe hervor, dass die Unterhaltspflicht des Vaters auf den Ehemann übergegangen sei und eine Unterbrechung der Versorgungskette stattgefunden habe. Die Berufungsausführungen seien nicht geeignet, die gewünschte Feststellung gemäß Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zu erwirken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "wegen rechtswidriger Anwendung des Art. 7 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei (in der Folge ARB 1/80) in ihrem Recht auf freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt verletzt". Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und "Kostenersatz für alle regelmäßig anfallenden Kosten" zuzusprechen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor (wobei jedoch zweifelhaft bleibt, ob die Beschwerdeführerin ihren Antrag unter Verwendung eines Formblattes gestellt hat) und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem offenbar ohne Verwendung eines Formblattes gestellten Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. August 1996 ist eine Einschränkung auf den ersten Satz (zweiter Gedankenstrich) des Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nicht entnehmbar. Die Berufung der Beschwerdeführerin enthält den Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass festgestellt werde, die Beschwerdeführerin erfülle die Voraussetzungen des Art. 7 erster Satz zweiter Gedankenstrich und des Art. 7 zweiter Satz ARB Nr. 1/80 und habe somit freien Zugang zu jeder von ihr gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis. Gleichwohl haben beide Instanzen des Verwaltungsverfahrens ausschließlich über den ersten Satz (zweiter Gedankenstrich) des Art. 7 abgesprochen und jede Auseinandersetzung mit dessen zweiten Satz unterlassen. Prüfungsgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist - da der Antrag der Beschwerdeführerin nur teilweise erledigt wurde - daher lediglich das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich leg. cit. Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation

(ARB Nr. 1/80) lautet:

"Art. 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

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