VwGH 96/21/0862

VwGH96/21/08629.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des S in Feldkirch, geboren am 25. November 1951, vertreten durch Dr. Gerold Hirn, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Gilmstraße 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 2. Juli 1996, Zl. Frb-4250b-8/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen slowenischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 (iVm § 19) des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus: Der Beschwerdeführer halte sich seit 1968 (mit Ausnahme der Jahre 1970 bis 1972 auf Grund der Ableistung des Militärdienstes in Slowenien) in Österreich auf und habe bis zum 31. Jänner 1992 - abgesehen von einigen kurzen Unterbrechungen - über einen entsprechenden Sichtvermerk verfügt. Seit diesem Zeitpunkt halte er sich ohne entsprechenden Sichtvermerk und sohin illegal in Österreich auf. Sein Vorbringen, dass er aus Angst vor einer etwaigen Abschiebung keinen Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt habe, ändere nichts an der Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes in Österreich. Seiner Aussage, er habe geglaubt, dass ein Befreiungsschein ausreichend sei, um sich in Österreich aufzuhalten, seien seine eigenen Ängste vor fremdenrechtlichen Konsequenzen entgegenzuhalten. Sohin sei dem Beschwerdeführer durchaus bewusst gewesen, dass er sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte. Die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 17 FrG seien gegeben.

Bei Bedachtnahme auf § 19 FrG sei zu berücksichtigen, dass auf Grund des langen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich ein gravierender Eingriff in sein Privatleben anzunehmen sei. Er halte sich aber seit rund vier Jahren ohne erforderliche Aufenthaltsbewilligung in Österreich auf und sei sich über die fremdenrechtlichen Konsequenzen dieses Verhaltens bewusst. Weiters sei ihm entgegenzuhalten, dass er seit dem Jahr 1992 auf Grund seiner Alkoholkrankheit nicht mehr in der Lage gewesen sei, einer Arbeit nachzugehen. Nunmehr befinde er sich in einer stationären Alkoholentzugstherapie und beziehe eine Leistung des Arbeitsmarktservice. Zuletzt habe er etwa von 1991 bis 1995 eine kranke Frau bis zu ihrem Tod betreut. Um die Zielsetzungen, die Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgebe, erreichen zu können, sei es von Bedeutung, einen Überblick über alle im Bundesgebiet aufhältigen Personen zu haben. Dazu diene vor allem die Sichtvermerkspflicht. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer vier Jahre lang nichts unternommen habe, um seinen Aufenthalt zu legalisieren, bringe zum Ausdruck, dass er nicht bereit sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Durch dieses Verhalten unterlaufe er das Bemühen des österreichischen Staates, eine geregelte und kontrollierte Fremdenpolitik zu betreiben. Die Ausweisung sei daher dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die auf den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid beruhende Ansicht der belangten Behörde, dass er sich nach Ablauf des ihm erteilten Sichtvermerks mit 31. Jänner 1992 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und demgemäß der Tatbestand des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG erfüllt sei. Gegen diese Beurteilung hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken.

In Ansehung des § 19 FrG wendet der Beschwerdeführer ein, dass seine Ausweisung nicht dringend geboten sei. Er habe es auf Grund schwerer persönlicher Schwierigkeiten eine geraume Zeit unterlassen, einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu stellen. Er sei lediglich ein Mal strafrechtlich bzw. verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten; dieser Vorfall im Jahr 1987 (Fahren mit einem Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand) sei seit langem gesühnt. Ihm könne daher lediglich vorgeworfen werden, es verabsäumt zu haben, fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu stellen. Demgegenüber sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in Slowenien keinerlei soziale Kontakte habe, vielmehr in Österreich sozial integriert sei und zu seinen beiden in Österreich lebenden Kindern bzw. zu seinem Enkelkind eine tiefe menschliche Beziehung habe. Er habe seine Alkoholkrankheit besiegt und sei bemüht, eine Arbeitsstelle zu finden und die vom Land Vorarlberg erhaltenen Sozialhilfegelder zurückzuzahlen.

Zutreffend wies die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung nach § 19 FrG auf das öffentliche Interesse hin, das aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 95/21/1153).

Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer durch seinen mehr als vierjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich in gravierender Weise gegen das besagte öffentliche Interesse verstoßen hat, ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Die belangte Behörde hat nämlich bei ihrer Prüfung, ob die Ausweisung des Beschwerdeführers aus im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen notwendig und damit gemäß § 19 FrG zulässig sei, den gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht das ihnen gebührende Gewicht beigemessen. Hätte sie dies getan, so wäre sie auf Grund des von ihr festgestellten - weitaus überwiegend rechtmäßigen - Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in der Dauer von (mit einer ca. zweijährigen Unterbrechung) 28 Jahren und des daraus resultierenden hohen Ausmaßes an Integration zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall der mit einer Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben des Fremden eine Intensität erreicht, die es geboten erscheinen lässt, diese fremdenrechtliche Maßnahme als zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) nicht notwendig und daher nach § 19 FrG nicht zulässig anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/18/0417, dem sachverhaltsmäßig ein 20-jähriger - davon nicht mehr als sechs Jahre rechtmäßiger - Aufenthalt des Fremden zugrundelag.

Ebenso wie in dem dem zitierten Erkenntnis zugrundegelegenen Beschwerdefall wurden vorliegend nicht auch noch andere öffentliche, in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Interessen ins Treffen geführt, die zu einer anderen Beurteilung des Falles hätten führen können.

Da sich somit der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 9. September 1999

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