VwGH 96/05/0189

VwGH96/05/018917.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Rudolf und der Edeltraud Neuhold in Freistadt, vertreten durch Dr. Johann Poulakos, Rechtsanwalt in Linz, Museumstraße 7/3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Mai 1996, Zl. BauR - 011609/4 - 1996 Gr/Lg, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1. Franz Strasser in Freistadt, vertreten durch

Dr. Wilfrid Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, Hauptplatz 7,

2. Stadtgemeinde Freistadt, vertreten durch den Bürgermeister) zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
ROG OÖ 1994 §32 Abs5;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
ROG OÖ 1994 §32 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf dem Grundstück des mitbeteiligten Bauwerbers Nr. 519/6 (Freistadt, Bahnhofstraße 17) befindet sich ein an die nördliche Grundgrenze angebautes Einfamilienhaus, ein daran anschließendes gleichfalls an die Grundgrenze angebautes ebenerdiges, 3,30 m breites und 2,95 m tiefes Gebäude und daran anschließend ein weiteres Gebäude, welches sowohl an die nordseitige Grundstücksgrenze als auch an die hintere (ostseitige) Grundstücksgrenze angebaut ist. Den Beschwerdeführern gehört die nordseitige Nachbarparzelle Nr. 519/7, welche mit einem gekuppelt an das Einfamilienhaus des Bauwerbers angebauten Einfamilienhaus bebaut ist. Auch an der hinteren Grundstücksgrenze beim Beschwerdeführer findet sich eine Bebauung; eine Zwischenfläche an der Grundstücksgrenze ist aber unbebaut.

Mit Ansuchen vom 22. Juli 1994, modifiziert in der Verhandlung vom 13. September 1994, begehrte der Bauwerber die Baubewilligung für einen Zubau. Auf dem bisher ebenerdigen, 3,30 m x 2,95 m großen Zwischengebäude soll im Obergeschoß ein Wintergarten mit einer Feuermauer an der Grundgrenze zu den Beschwerdeführern errichtet werden.

Anlässlich der Bauverhandlung wurde vom Bausachverständigen zunächst auf den Bebauungsplan verwiesen, der für diese Grundparzelle die zweigeschossige gekuppelte Bauweise vorsieht. An der östlichen (hinteren) Grundgrenze war im Bebauungsplan kein Bauwich einkotiert, weshalb der Bausachverständige für diese Grenze einen Mindestabstand von 3,00 m annahm. Ausdrücklich wurde vom Sachverständigen gefordert, dass die nordseitige Außenwand an der Grenze zu den Beschwerdeführern als Feuermauer gemäß § 12 der OÖ Bauverordnung auszubilden sei.

Die Beschwerdeführer überreichten bei der Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme, wonach sie eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte durch das Vorhaben verwirklicht sahen. Die Bauführung verletze Bestimmungen des Baurechtes, die auch Nachbarinteressen berührten, nämlich durch Unzulässigkeit von Abstand und Höhe, Entzug von Licht und Luft, wesentliche Beeinträchtigung der üblichen Benutzung des Grundstückes der Beschwerdeführer und negative Einwirkung auf Gesundheit und Umwelt.

Mit Bescheid vom 29. März 1995 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die beantragte Baubewilligung. Die geplante bauliche Anlage entspreche dem rechtswirksamen Bebauungsplan, insbesondere der gekuppelten Bauweise. Ein Anspruch auf Belichtung und Belüftung aus einem benachbarten fremden Grundstück bestehe nicht. Beeinträchtigungen und negative Einwirkungen auf Gesundheit und Umwelt seien durch den Zubau mit einer Größenordnung von 3,55 m x 2,95 m nicht erkennbar. Mit Bescheid vom 9. November 1995 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Berufung der Beschwerdeführer Folge und hob den Bescheid des Bürgermeisters gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf. Begründend wurde ausgeführt, dass die angesprochenen gesundheitlichen Belange und Beeinträchtigungen von einem medizinischen Amtssachverständigen beurteilt werden müssten. Tauglicher Rahmen dafür sei nur eine mündliche Verhandlung, weshalb die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG gegeben seien.

Mit Bescheid vom 5. Jänner 1996 gab die belangte Behörde einer dagegen vom mitbeteiligten Bauwerber erhobenen Vorstellung Folge und behob den Bescheid des Gemeinderates. Abgesehen davon, dass die Vorstellungsbehörde die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG nicht als gegeben annahm, führte sie aus, dass das Vorhaben dem Bebauungsplan entspreche und negative Einwirkungen auf Gesundheit und Umwelt nicht erkennbar seien. Verwiesen wurde auf den Rechtsanspruch der Bauwerber auf Erteilung der Baubewilligung.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 22. April 1996 wurde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 29. März 1995 keine Folge gegeben. Es wurde darauf verwiesen, dass Abstands- und Höhenvorschriften nicht verletzt würden, und dass hinsichtlich Licht, Luft und Sonne ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht nicht bestehe.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung verwiesen die Beschwerdeführer darauf, dass gemäß § 31 Abs. 2 ROG 1994 auf ein ausreichendes Maß an Licht, Luft und Sonne Rücksicht zu nehmen sei. Weiters sei der im § 32 Abs. 2 Oö BauO vorgesehene Mindestabstand nicht an einen Bebauungsplan gebunden. Der geplante Wintergarten sei nicht jener Gegenstand, der im Bebauungsplan der Regelung "gekuppelte Bauweise" unterworfen sei.

Dieser Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Der geplante Zubau entspreche den Festlegungen im Bebauungsplan. Ein Anspruch des Nachbarn darauf, dass durch Neu-, Zu- oder Umbauten die früheren Belichtungsverhältnisse nicht verändert werden dürften, bestehe nach der Oö BauO nicht.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf "Berücksichtigung öffentlich-rechtlicher Einwendungen, Einhaltung der baurechtlichen Abstandsvorschriften" verletzt erachten. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie der mitbeteiligte Bauwerber, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das gegenständliche Bauansuchen stammt vom 22. Juli 1994, weshalb gemäß § 58 Abs. 1 O.ö. BauO 1994 das Verwaltungsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiter zu führen war.

§ 32 Abs. 1 und 2 O.ö. BauO 1976 in der Fassung LGBl. Nr. 82/1983 (BO) lautet:

"§ 32

Lage und Höhe der Gebäude

(1) Sofern sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt, gelten hinsichtlich der Lage und Höhe von baurechtlich bewilligungspflichtigen Gebäuden die Bestimmungen der folgenden Absätze.

(2) Neubauten und solche Zubauten, die eine Vergrößerung des Gebäudes der Länge oder Breite nach bezwecken, müssen außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gegen die seitlichen Grenzen des Bauplatzes (§ 2) und gegen die innere Bauplatzgrenze,

a) wenn es sich um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von

der Hälfte der Gesamthöhe des Gebäudes,

b) wenn es sich nicht um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von einem Drittel der Gesamthöhe des Gebäudes, jedenfalls aber einen Mindestabstand von drei Meter

erhalten. Die Gesamthöhe des Gebäudes ist jeweils vom tiefsten Punkt des Geländeanschnittes an der der Bauplatzgrenze nächstgelegenen Gebäudewand bis zum höchsten Punkt des Gebäudes zu messen."

Aus dem Einleitungssatz dieser Bestimmung ergibt sich somit unzweifelhaft, dass die Regelung nur dann zum Tragen kommt, wenn sich aus dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt. Der hier vorliegende Bebauungsplan erlaubt aber nicht nur eine zweigeschossige Bauweise, sondern sieht insbesondere die gekuppelte Bauweise vor. § 32 Abs. 5 Oö Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 114/1993, (ROG) beschreibt die gekuppelte Bauweise wie folgt:

"gekuppelte Bauweise, wenn auf zwei benachbarten Bauplätzen die Gebäude an der gemeinsamen seitlichen Grenze aneinander gebaut, nach allen anderen Seiten aber freistehend errichtet werden müssen;

..."

In Entsprechung der gekuppelten Bauweise sind die beiden Häuser der Beschwerdeführer einerseits und des Bauwerbers andererseits an der gemeinsamen seitlichen Grenze aneinander gebaut, sodass sich die Frage, an welcher Seite gekuppelt werden muss, nicht stellt. Bei einer Bauführung an der nördlichen Grundstücksgrenze ist der Bauwerber jedenfalls berechtigt, ohne Einhaltung einer Abstandsfläche unmittelbar an der Grenze anzubauen.

Die Auffassung der Beschwerdeführer, der Gesetzeswortlaut erlaube einen Anbau nur dann, wenn an dieser Stelle schon eine Verbauung vorliegt, würde die gekuppelte Bauweise nur dann zulassen, wenn beide Bauwerber exakt gleichzeitig ihr Gebäude errichten. In allen anderen Fällen, wenn noch kein Bestand vorhanden ist, wird immer ein Bauwerber eine unbebaute Nachbarliegenschaft vorfinden. Dass dann die gekuppelte Bauweise nicht Anwendung fände, kann dem Gesetz keinesfalls unterstellt werden. Daher kann der Bauwerber, soweit nicht andere Einschränkungen, etwa durch eine hintere Baufluchtlinie oder durch das Maß der baulichen Nutzung, bestehen, die gesamte seitliche Grenze verbauen. Schon der eindeutige Gesetzeswortlaut verbietet die von den Beschwerdeführern gewünschte Interpretation: Bei der gekuppelten Bauweise ist nicht an Gebäude, sondern an Grenzen anzubauen. Ob sich an dieser Grenze auf der Nachbarliegenschaft ein Gebäude befindet oder nicht, ist ohne Belang.

Das gegenständliche Vorhaben entspricht somit dem Bebauungsplan, sodass eine Verletzung von Nachbarrechten, insbesondere durch Nichteinhaltung von Abstandsbestimmungen, nicht gegeben ist. Nicht unerwähnt soll allerdings bleiben, dass aufgrund der schon bestehenden ebenerdigen Bebauung an der Grenze die projektierte Aufstockung auch zulässig wäre, wenn kein Bebauungsplan die subsidiäre Abstandsregelung ausschlösse, weil § 32 Abs. 2 BO nur Neubauten und Zubauten erfasst, die eine Vergrößerung des Gebäudes der Länge oder Breite nach bezwecken, nicht aber Aufstockungen (siehe den bei Neuhofer-Sapp, Oö Baurecht3, wiedergegebenen Ausschussbericht zur Novelle LGBl. Nr. 82/1983: Härtefälle bei der Handhabung der Vorschriften über den nach Abs. 2 einzuhaltenden Mindestabstand ergeben sich vor allem bei beabsichtigten Aufstockungen bereits bestehender Gebäude, und zwar dann, wenn schon der Altbestand den gesetzlich geforderten Mindestabstand nicht aufweist, sowie beim Umbau solcher Gebäude. Mit der vorliegenden Neufassung des Abs. 1 soll daher auf die Einhaltung des Mindestabstandes in diesen Fällen verzichtet werden).

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Da ausschließlich eine Rechtsfrage zu klären war, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von einer Verhandlung abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Mai 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte