VwGH 95/21/0894

VwGH95/21/08941.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, in der Beschwerdesache der TS, geboren am 29. Oktober 1957, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. Juni 1995, Zl. IV-823.444-FrB/95, betreffend Versagung eines Sichtvermerks, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §6 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §6 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Die obzitierte Erledigung vom 30. Juni 1995 weist als Betreff den Vermerk "Sichtvermerksversagung" und das Wort "Bescheid" als Überschrift auf. Dann folgt der Hinweis, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs. 1 FrG Fremde sei, weil sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze. Nach Wiedergabe der §§ 7 Abs. 1 und 10 Abs. 1 FrG führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am 1. Mai 1995 mit einem gültigen Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und habe am 21. Juni 1995 einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerks gemäß § 7 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1 FrG gestellt. Als Journalistin benötige sie gemäß § 1 Abs. 3 Z. 4 AufG keine Aufenthaltsberechtigung, aber einen Sichtvermerk. Ein solcher müsste jedoch bereits vor der Einreise nach Österreich von einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland erteilt werden. Da die Beschwerdeführerin den ersten Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 FrG im Inland gestellt habe und die Erteilung eines solchen zeitlich an den Touristensichtvermerk anschließen würde, liege ein Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Die besagte Erledigung endet vor der Rechtsmittelbelehrung wie folgt:

"Aufgrund dieses Sachverhaltes konnte somit Ihrem Antrag auf Sichtvermerk gem. § 6 Abs. 1 Ziff. 1 FrG nicht entsprochen werden. Daher war spruchgem. zu entscheiden."

Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

Gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Diese Bestimmungen über Inhalt und Form des Bescheides sind nicht für sich allein, sondern in ihrem Zusammenhang, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz innerhalb der Verwaltung und dem Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit auszulegen; sie sind also nicht isoliert so zu verstehen, dass behördliche Erledigungen nur dann als Bescheide zu werten sind, wenn alle gesetzlichen Vorschriften über Inhalt und Form der Bescheide und über die Bescheiderlassung erfüllt sind (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A). Die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid und der Spruch dieses Bescheides stehen in einer Wechselbeziehung zu einander, weil einerseits eine behördliche Erledigung nur dann als Bescheid ausdrücklich bezeichnet werden darf und zu bezeichnen ist, wenn die Erledigung ihrem Inhalt nach normativ ist, und weil andererseits sowohl die Bezeichnung als Bescheid als auch die gesetzlichen Bestimmungen über den Spruch als Bescheidinhalt den Zweck haben, dem Adressaten der Erledigung mit Klarheit vor Augen zu führen, dass es sich um einen verwaltungsbehördlichen Bescheid handelt. Dies geschieht durch die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid in förmlicher Weise, durch den Spruch, mag er im Einzelnen auch nicht den Verfahrensvorschriften über den Spruch entsprechen, in inhaltlicher Weise (vgl. auch dazu den genannten Beschluss Slg. 9458/A).

Der vorletzte Satz der in Rede stehenden Erledigung, welcher - wie bereits dargelegt - lautet: "Aufgrund dieses Sachverhaltes konnte somit Ihrem Antrag auf Sichtvermerk gem. § 6 Abs. 1 Ziff. 1 FrG nicht entsprochen werden.", deutet auf eine beabsichtigte normative Aussage hin. So gesehen ist darin, wenngleich an unüblicher Stelle platziert, der Spruch des Bescheides zu sehen. Diese Annahme wird durch den nachfolgenden Satz "Daher war spruchgem. zu entscheiden." noch verstärkt. Angesichts des erwähnten Inhalts der ausdrücklichen Bezeichnung als "Bescheid", des Betreffs "Sichtvermerksversagung" und der Anfügung einer Rechtsmittelbelehrung ist die bekämpfte Erledigung als ein der Rechtskraft fähiger normativer Abspruch, somit als Bescheid zu werten. Demgemäß ist die Zulässigkeit der Beschwerde zu bejahen.

Zur Versagung des Sichtvermerkes:

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Juni 1995 lautet ausdrücklich, ihr für die Zeit vom 1. August 1995 bis zum 3. August 1998 einen Sichtvermerk auszustellen. Da somit der Zeitraum, für den der Sichtvermerk begehrt wurde, abgelaufen ist, könnte die Beschwerdeführerin durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof nicht günstiger gestellt werden, als dies ohne meritorische Entscheidung über die Beschwerde der Fall ist. Der Entscheidung über die Beschwerde käme nach der Sachlage nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung zu, weshalb das Verfahren infolge - nachträglichen - Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen war.

Da die Kostenentscheidung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, hat der Gerichtshof nach freier Überzeugung entschieden, dass keine Kosten zugesprochen werden (§ 58 Abs. 2 VwGG).

Wien, am 1. Juli 1999

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