VwGH 94/13/0038

VwGH94/13/003826.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der I Kommanditgesellschaft in W, vertreten durch Dr. Herbert Weber, Rechtsanwalt in Wien IV, Prinz Eugenstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 18. November 1993, Zl. 6/3 - 3335/93-04, betreffend Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1990, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §11 Abs6;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §11 Abs6;
EStG 1972 §4 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende KG hat u.a. für die Jahre 1984 bis 1986 die Begünstigung gemäß § 11 EStG 1972 (Rücklagen vom nichtentnommenen Gewinn) in Anspruch genommen. Im Jahr 1990 überstiegen die Entnahmen der Gesellschafter insgesamt um S 854.541,-- den Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Dies hatte zur Folge, dass mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid, die für das Jahr 1985 gebildeten Rücklagen vom nichtentnommenen Gewinn der einzelnen Gesellschafter zur Gänze und die für das Jahr 1986 gebildeten Rücklagen zum Teil gewinnerhöhend aufgelöst und die aufgelösten Beträge gemäß § 11 Abs. 7 EStG 1972 um entsprechende Zuschläge erhöht wurden. Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Begünstigungsschädlichkeit von Mehrentnahmen im Sinne des § 11 Abs. 6 EStG 1972.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11 EStG 1972 konnten natürliche Personen zu Lasten der Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb steuerfreie Rücklagen vom nichtentnommenen Gewinn bis zu einem bestimmten Höchstausmaß bilden.

Abs. 4 zweiter Satz des zitierten Paragraphen sah vor, dass die Rücklage mit Ablauf des fünften auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres über Kapitalkonto aufzulösen war. Gemäß Abs. 6 waren die Rücklagen nachzuversteuern, wenn in einem der auf das Jahr der Rücklagenbildung folgenden fünf Wirtschaftsjahre die Entnahmen höher waren als der Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Abs. 7 sah darüber hinaus Zuschläge vor, um die die nachzuversteuernden Rücklagen zu erhöhen waren. Die Bestimmungen über die Nachversteuerung der Rücklagen, die gemäß § 112 Z 3 EStG 1988 auch für Zeiträume nach dem 31. Dezember 1988 anzuwenden waren, lauten auszugsweise wie folgt:

"(6) Wenn in einem der auf das Jahr der Bildung der Rücklage folgenden fünf Wirtschaftsjahre die Entnahmen höher sind als der jeweilige Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres, so sind die steuerfrei gebildeten Rücklagen im Wirtschaftsjahr der Mehrentnahmen entsprechend dem Betrag der Mehrentnahmen gewinnerhöhend aufzulösen. Hiebei sind die Mehrentnahmen zunächst auf die für das zeitlich am weitesten zurückliegende Wirtschaftsjahr gebildete Rücklage anzurechnen. ...

(7) Der gemäß Abs. 6 gewinnerhöhend aufzulösende Betrag erhöht sich um je 5 v.H. für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklage (der Rücklagenteil) gegenüber dem Jahr der Bildung später aufgelöst wird. ..."

Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsansicht, dass der in Abs. 4 und Abs. 6 vorgesehene Bindungszeitraum von fünf Wirtschaftsjahren so zu verstehen sei, dass länger zurückliegende Gewinnrücklagen nicht nur über Kapitalkonto aufzulösen waren, sondern dass die dadurch frei werdenden Eigenmittel auch entnommen werden konnten, ohne dass solche Entnahmen als begünstigungsschädlich im Sinne des Abs. 6 - also eine entsprechende Nachversteuerung auslösend - zu beurteilen waren. Der Gesetzgeber habe als Voraussetzung für die Bildung von Gewinnrücklagen eine Bindung von Eigenkapital für die Dauer von lediglich fünf Wirtschaftsjahren vorgesehen. Wollte man - wie die belangte Behörde - die Auffassung vertreten, dass auch Eigenmittel, die vor diesem fünfjährigen Zeitraum im Wege von steuerfreien Gewinnrücklagen angesammelt wurden, bei ihrer Entnahme zu einer Nachversteuerung gemäß § 11 Abs. 6 EStG 1988 führen können, so dürften die mit Hilfe steuerfreier Gewinnrücklagen gebildeten Eigenmittel nie entnommen werden.

Mit diesen Ausführungen verkennt die Beschwerdeführerin sowohl den klaren Wortlaut der zitierten Bestimmungen als auch deren Sinn. Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzestext keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dem im Abs. 6 des § 11 EStG 1972 verwendeten Begriff "Entnahmen" einen anderen Inhalt beizumessen als in den übrigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes. § 4 Abs. 1 EStG 1972 umschreibt den Begriff Entnahmen wie folgt:

"Entnahmen liegen vor, wenn der Steuerpflichtige dem Betrieb Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen) für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke entnimmt". Gleichgültig ist, wann die entnommenen Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen zugeführt wurden und ob ihr Vorhandensein auf betriebliche Aktivitäten oder auf frühere Einlagen zurückzuführen ist. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass es bei einem derartigen undifferenzierten Entnahmebegriff dazu komme, dass auch länger als fünf Wirtschaftsjahre zurückliegende, durch Gewinnrücklagen gebildete Eigenmittel nie entnommen werden könnten, kann nicht gefolgt werden. Es ist nämlich zu beachten, dass nur so genannte "Mehrentnahmen", also solche die den Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres übersteigen, begünstigungsschädlich sind. Zweck dieser Bestimmung war es, den Steuerpflichtigen zu veranlassen, für die Zeit der Inanspruchnahme der Abgabenbegünstigung des § 11 EStG seine Entnahmen möglichst gering zu halten, um das angestrebte Ziel der Begünstigung, nämlich eine nachhaltige Stärkung des betrieblichen Eigenkapitals zu erreichen. Als Zeitraum, innerhalb dessen die Begünstigung diesem Ziel dienen sollte, hat der Gesetzgeber einen solchen von fünf Wirtschaftsjahren normiert. Innerhalb - und nur innerhalb - dieses Zeitraumes, gerechnet von der jeweils letzten Gewinnrücklagenbildung sollte der Steuerpflichtige angehalten sein, sein betriebliches Eigenkapital durch eine Reduktion der Entnahmen zu vermehren und so zu stärken. Wollte man der Auffassung der Beschwerdeführerin folgen, dass nur solche Entnahmen begünstigungsschädlich sein sollten, die auf innerhalb der letzten fünf Wirtschaftsjahre gebildete Gewinnrücklagen zurückzuführen waren, so hätte dies zur Folge, dass der Steuerpflichtige bereits während dieses fünfjährigen Zeitraumes beliebig hohe Entnahmen tätigen könnte ohne die Begünstigung zu verlieren und zwar mit dem Argument, es handle sich dabei um Wirtschaftsgüter (Gewinnteile oder sonstiges Betriebsvermögen), die aus länger zurückliegenden Zeiträumen stammten. Ein derartiges Verständnis der Begünstigungsbestimmung des § 11 EStG 1972 wäre mit dem Ziel der nachhaltigen Stärkung des betrieblichen Eigenkapitals nicht zu vereinbaren. Dem Gesetzgeber würde unterstellt werden, auf die Besteuerung eines Teiles des Gewinnes - nämlich des der Gewinnrücklage zugeführten - zu verzichten, die zulässigen Entnahmen der nächsten Wirtschaftsjahre aber nur insofern zu begrenzen, als diese aus Gewinnrücklagen der letzten fünf Wirtschaftsjahre stammten. Abgesehen davon, dass eine derartige Zuordnung der entnommenen Wirtschaftsgüter so lange als willkürlich bezeichnet werden müsste, als der Steuerpflichtige über Betriebsvermögen verfügen würde, das nicht auf die Bildung steuerfreier Rücklagen zurückzuführen wäre, könnte mit einer solchen Regelung nicht erreicht werden, dass der Steuerpflichtige seine Entnahmen möglichst gering hält. Vielmehr könnte dem Betrieb theoretisch das gesamte vor Inanspruchnahme der Begünstigung erwirtschaftete oder durch Einlagen geschaffene Vermögen sanktionslos entnommen werden. Ein solcher Regelungsinhalt kann einer Steuerbegünstigung, die ausschließlich eine nachhaltige Stärkung des betrieblichen Eigenkapitals zum Ziel hat, nicht ernstlich unterstellt werden.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten im angesprochenen Umfang gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 1999

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