VwGH 98/17/0180

VwGH98/17/018021.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der F, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. S in P, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 4. Februar 1998, Zl. Jv 50029-33a/98, betreffend Abweisung eines Antrages auf Nachlaß von Gerichtskosten, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
BAO §236;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
GEG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
BAO §236;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs2;
GEG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Justiz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Zahlungsauftrag des Kostenbeamten des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 22. September 1997 wurde der Beschwerdeführerin der Ersatz von Gerichtskosten in der Höhe von S 2.700,--, sowie eine Einhebungsgebühr gemäß § 6 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG) von S 100,--, insgesamt sohin S 2.800,-- zur Zahlung vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführerin beantragte am 30. September 1997, ihr diese vorgeschriebenen Gerichtskosten nachzulassen. Sie sei Eigentümerin eines näher bezeichneten Wohngrundstückes mit Garten in Wien. Das dort errichtete Haus sei reparaturbedürftig. Die Beschwerdeführerin verfüge über ein Einkommen von S 6.405,-- monatlich an Unterhaltszahlungen. Im Zusammenhang mit einer Errichtung eines Abwasserkanales im Bereich ihrer Liegenschaft sei mit einer Belastung von S 30.000,-- bis S 40.000,-- zu rechnen. Die Beschwerdeführerin besitze ein Sparbuch mit einer Einlage von S 13.392,60.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 4. Februar 1998 wurde diesem Antrag nicht Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 9 Abs. 2 GEG könnten - von dem hier schon von vornherein nicht in Betracht kommenden Fall des öffentlichen Interesses abgesehen - Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre. Bezogen auf den vorliegenden Fall ergebe sich, daß in Anbetracht der gegebenen Vermögensverhältnisse der Antragstellerin (Liegenschaftsbesitz, Sparguthaben von S 13.392,60) in der Einbringung eines einmaligen Betrages von S 2.800,-- keine besondere Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG erblickt werden könne. Daran vermögen auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf bevorstehende Reparaturarbeiten an ihrem Haus und ihr niedriges Einkommen in der Höhe von S 6.405,-- nichts zu ändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nachlaß der als Gerichtskosten vorgeschriebenen Zeugengebühren gemäß § 9 Abs. 2 GEG verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben. Gerade im Falle der Beschwerdeführerin wäre die Zahlung der Gerichtskosten in der Höhe von S 2.800,-- wirtschaftlich kaum zu verkraften. Die Beschwerdeführerin sei auf monatliche Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Gatten in der Höhe von S 6.405,-- angewiesen. Ansonsten verfüge sie über keinerlei Einkünfte. Ihr Einkommen liege damit deutlich unter dem Existenzminimum. Damit stehe auch fest, daß ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht bloß vorübergehender - sondern dauernder - Natur seien. Mit den monatlichen Unterhaltszahlungen sei es ihr gerade möglich, die mit dem Eigentum an ihrer Liegenschaft verbundenen Kosten - wie insbesondere Strom und Heizkosten - zu tragen. Die einmalige Zahlung von S 2.800,-- stelle daher für die Beschwerdeführerin jedenfalls eine besondere Härte dar. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, die von ihr getroffene "Ermessensentscheidung" zu begründen. Insbesondere habe sie sich mit dem Vorbringen betreffend die bevorstehende Errichtung eines Abwasserkanals und die Belastung durch notwendige Reparaturarbeiten nicht auseinandergesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 2 GEG lautet:

"§ 9. ...

(2) Gebühren und Kosten können auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlaß im öffentlichen Interesse gelegen ist. Über den Antrag entscheidet bei Beträgen bis zu 390 000 S der Präsident des Oberlandesgerichtes, sonst das Bundesministerium für Justiz."

Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge einer Verletzung der Begründungspflicht ist lediglich insoweit berechtigt, als es die belangte Behörde unterließ, das Antragsvorbringen betreffend die Kosten für die bevorstehende Errichtung eines Abwasserkanals in ihre Überlegungen mit einzubeziehen.

Ein Begründungsmangel führt aber nur dann zur Bescheidaufhebung, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1995, Zl. 95/06/0070). Dies trifft hier jedoch aus folgenden Erwägungen nicht zu:

Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlaß im öffentlichen Interesse gelegen ist. Bei der Bestimmung des § 9 Abs. 2 GEG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde, von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, Zl. 93/17/0265). In Ermangelung von Hinweisen auf das Vorliegen einer besonderen Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung wäre im vorliegenden Fall der Nachlaß aus dem Grund der besonderen Härte vom Vorliegen individueller Gründe abhängig, die die Eintreibung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hatte die belangte Behörde aber in rechtlicher Gebundenheit, nicht - wie die Beschwerdeführerin vermeint - im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen. Für eine Ermessensentscheidung wäre erst dann Raum gewesen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen einer besonderen Härte infolge individueller Gründe bejaht hätte. Das Gegenteil war jedoch der Fall.

In einem Verfahren nach § 9 Abs. 2 GEG ist es Aufgabe des Antragstellers, einwandfrei und unter Ausschluß jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die begehrte Nachsicht gestützt werden kann (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1996). Im vorliegenden Fall war der Verwaltungsgerichtshof daher nicht daran gehindert, zu prüfen, ob sich aus dem Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin einschließlich des Hinweises auf die Kosten für den Abwasserkanal eine besondere individuelle Härte der Einbringung der in Rede stehenden Gerichtskosten ableiten ließe. Daß der aufgezeigte Begründungsmangel die Beschwerdeführerin an der Verfolgung ihrer Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht behinderte, zeigt sich schon daran, daß sie in ihrer Beschwerde ausdrücklich auf dieses Antragsvorbringen Bezug nimmt. Sie war folglich auch nicht daran gehindert, vor dem Verwaltungsgerichtshof Ausführungen betreffend die aus diesem Antragsvorbringen abzuleitenden rechtlichen Konsequenzen zu erstatten. Dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Begründungsmangel fehlt es demnach an Relevanz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 20. August 1996, Zl. 96/16/0155, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 GEG in Ansehen einer Gebührenschuld von S 1.635,-- schon allein deshalb verneint, weil der Nachlaßwerber über einen Liegenschaftsanteil im Wert von S 415.000,-- verfügte, welcher lediglich mit Pfandrechten im Ausmaß von S 360.715,32 belastet war. Der Verwaltungsgerichtshof ging in diesem Erkenntnis daher offenbar davon aus, daß das Vorhandensein eines die Abgabenschuld beträchtlich übersteigenden Liegenschaftsvermögens der Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG entgegensteht.

Auf Basis dieser Rechtsprechung ist aber die Auffassung der belangten Behörde, eine besondere Härte liege im Hinblick auf die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Liegenschaft (deren Einheitswert in einem Vermögensbekenntnis vom 17. September 1990 mit S 211.000,-- beziffert wurde) und das Sparguthaben nicht vor, selbst dann nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn man die bevorstehende Belastung der Beschwerdeführerin mit den Kosten für die Errichtung des Abwasserkanals und die im Antrag nicht näher bezifferten Reparaturkosten für das Haus mit in Betracht zieht, zumal sich keine Hinweise darauf ergeben, daß diese Reparaturkosten an den Wert der Liegenschaft heranreichen würden.

Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, eine besondere wirtschaftliche Härte könne bereits darin liegen, daß der Nachlaßwerber, um die einzubringenden Gerichtskosten ohne Gefährdung seines notwendigen Unterhaltes aufbringen zu können, auf die Substanz seines Liegenschaftsvermögens greifen müßte, wäre für die Beschwerdeführerin hier nichts gewonnen. Voraussetzung für die persönliche Unbilligkeit wäre es nämlich, daß die besondere Härte gerade durch die Einhebung verursacht oder entscheidend mitverursacht wird (vgl. die - insoweit auch auf den Bereich des § 9 Abs. 2 GEG übertragbare - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 236 BAO etwa im hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1989, Zl. 89/14/0196). Dies ist jedoch hier nicht der Fall:

Allein die Einhebung der in Rede stehenden Gebühren führte nämlich im Hinblick auf das von der belangten Behörde festgestellte Sparguthaben nicht zur Notwendigkeit, auf das Liegenschaftsvermögen zu greifen. Andererseits wäre die Beschwerdeführerin nach ihrem Antragsvorbringen auch bei Unterbleiben der Vorschreibung der in Rede stehenden Gerichtskosten nicht in der Lage, die Kosten für die Reparatur des Hauses und für die Errichtung des Abwasserkanales ohne Gefährdung ihres notwendigen Unterhaltes oder der Substanz ihres Liegenschaftsvermögens zu bestreiten.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 1998

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