Normen
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132;
B-VG Art133 Z4;
DSG 1978 §37 Abs3 idF 1994/632;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132;
B-VG Art133 Z4;
DSG 1978 §37 Abs3 idF 1994/632;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 10. Juni 1996 erhob der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde gemäß § 14 des Datenschutzgesetzes (DSG) Beschwerde wegen Verletzung seiner Rechte nach diesem Gesetz. Er machte im wesentlichen geltend, der Magistrat der Stadt Wien habe durch den Dienstleister Hewlett Packard GesmbH personenbezogene Daten aus der Berechtigungsverwaltung des klinischen Informationssystems Hewlett Packard Care Vue 9000 in einem bestimmten Zeitraum der Konzernmutter Hewlett Packard Company ohne die nach § 34 DSG erforderliche Genehmigung überlassen.
Nachdem die belangte Behörde nicht innerhalb von sechs Monaten über diesen Antrag entschieden hatte, erhob der Beschwerdeführer in dieser Angelegenheit gemäß Art. 132 B-VG Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (eingelangt am 26. März 1998).
Mit Schreiben vom 1. April 1998 gab der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof bekannt, ihm sei am 30. März 1998 der Bescheid der Datenschutzkommission (DSK) vom 24. März 1998, dessen Ablichtung angeschlossen werde, zugestellt worden, mit dem sein Antrag vom 10. Juni 1996 erledigt worden sei. Er erachte sich als "klaglos" gestellt; das anhängige Verfahren möge daher unter Kostenzuspruch eingestellt werden.
Im Zeitpunkt des Einlangens dieses Schreibens beim Verwaltungsgerichtshof war das Vorverfahren gemäß § 36 Abs. 2 VwGG noch nicht eingeleitet.
Gemäß § 36 Abs. 2 dritter Satz VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen, wenn der Bescheid erlassen wird oder vor Einleitung des Vorverfahrens erlassen wurde.
An sich sind die Voraussetzungen nach der zweiten Alternative dieses Tatbestandes erfüllt. Da aber eine Zurückweisung der Säumnisbeschwerde der Einstellung des Verfahrens vorgeht und die Lösung dieser Frage auch Auswirkungen auf die Kostenentscheidung hat, ist vorab die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde zu prüfen.
Die DSK ist auf Grund ihrer Zusammensetzung (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Kriteriums z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, 93/11/0178, 0179 und 94/11/0076) - siehe dazu die §§ 38 und 40 DSG - eine Behörde gemäß Art. 133 Z. 4 B-VG.
Nach Art. 133 Z. 4 B-VG sind von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes die Angelegenheiten, über die in oberster Instanz die Entscheidung einer Kollegialbehörde zusteht, wenn nach dem die Einrichtung dieser Behörde regelnden Bundes- oder Landesgesetz unter den Mitgliedern sich wenigstens ein Richter befindet, auch die übrigen Mitglieder in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden sind, die Bescheide der Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und nicht, ungeachtet des Zutreffens dieser Bedingungen, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärt ist, ausgeschlossen.
Das DSG ordnete in § 36 Abs. 4 seiner Stammfassung, BGBl. Nr. 565/1978, an, daß Entscheidungen der DSK nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege unterliegen. Dessen ungeachtet erklärte Satz 2 dieser Bestimmung ausdrücklich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.
Der als Verfassungsbestimmung gekennzeichnete § 36 Abs. 5 DSG (Stammfassung), lautete:
"(5) Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist auch zulässig in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 lit. c B-VG."
Durch die DSG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 370, wurden die Absatzbezeichnungen 4 und 5 auf 3 und 4 umgestellt.
Nach Art. 130 Abs. 1 lit. c B-VG in der damals geltenden Fassung (vor der Novelle BGBl. Nr. 685/1988) erkannte der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Verletzung der Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden behauptet wurde (vgl. nunmehr lit. b).
Im Bericht des Verfassungsausschusses (1024 Blg.Sten.Prot. NR 14. GP), auf den die Fassung des § 36 Abs. 5 (später Abs. 4) DSG zurückging, wurde dazu in Punkt 10 der allgemeinen Erläuterungen auf Seite 4, linke Spalte, folgendes bemerkt:
"Da Entscheidungen über den Schutz der Privatsphäre wegen der Gefahr des Eintrittes von nicht wiedergutzumachenden Schäden möglichst rasch ergehen sollen, sieht der Entwurf auch vor, daß bei Säumigkeit der Datenschutzkommission eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden kann, was gegenüber der üblichen Rechtslage bei den Behörden nach Art. 133 Z. 4 B-VG eine Fortbildung des Rechtsschutzes bedeutet."
In der Literatur hat Stadler, Das österreichische Datenschutzgesetz als Markstein der Verfassungspolitik und des Informationsrechts, JBl. 1979, 358 ff (363) die Auffassung vertreten, daß damit erstmals gegen die Untätigkeit einer Kollegialbehörde nach Art. 133 Z. 4 B-VG auch die Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingeräumt wurde.
Die überwiegende Auffassung in der Literatur hat allerdings (teilweise allgemein ohne Bezugnahme auf das DSG) die gegenteilige Meinung vertreten, daß die Wendung "Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes" in Art. 133 Z. 4 B-VG alle Beschwerdemöglichkeiten, daher sowohl die Bescheid- als auch die Säumnisbeschwerde umfaßt (vgl. dazu Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 425 f; R. Novak, Rechtsschutz und Gesetzestechnik, JBl. 1981, 516 ff (518 f) sowie Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht8, Rz 952).
Dem ist in der Folge der Gesetzgeber gefolgt: Z. 6 in Verbindung mit dem durch Z. 11 dem § 58 angefügten Abs. 13 der Novelle zum Datenschutzgesetz, BGBl. Nr. 632/1994, hob die Verfassungsbestimmung des § 36 Abs. 4 DSG mit Wirkung vom 1. Jänner 1995 ersatzlos auf. Gleichzeitig wurde auch § 36 Abs. 3 DSG aufgehoben (Z. 5 dieser Novelle).
§ 37 Abs. 2 und 3 DSG in der Fassung der Z. 7 der Novelle BGBl. Nr. 632/1994, lauten nunmehr:
"(2) Gegen Bescheide der Datenschutzkommission ist kein Rechtsmittel zulässig. Sie unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.
(3) Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist zulässig."
In der Regierungsvorlage zu dieser Novelle, 1640 Blg. Sten.Prot. 18. GP, Seite 8 zu Z. 5 bis 7, wird unter anderem folgendes ausgeführt:
"Die Absicherung der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde durch Verfassungsbestimmung, wie sie im bisherigen § 36 Abs. 4 enthalten war, scheint überflüssig und wurde daher in § 37 Abs. 3 nicht nachvollzogen: Aus der Formulierung des Art. 133 B-VG (Einleitungssatz im Zusammenhang mit Z. 4) ist nicht zu ersehen, wieso die im letzten Halbsatz bezogene "Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes" sich nur auf die Bescheidbeschwerde und nicht auch auf die Säumnisbeschwerde beziehen sollte. Es wird daher davon ausgegangen, daß es zulässig ist, durch einfaches Gesetz die Möglichkeit der "Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes" im gesamten Bereich des Art. 130 B-VG (also auch hinsichtlich der Säumnisbeschwerde) festzulegen."
(Es folgen Hinweise auf die obzitierten Arbeiten von Novak und Walter/Mayer).
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an: Wortlaut und Systematik des Art. 133 Z. 4 B-VG führen nämlich zum Ergebnis, daß die vollständige (undifferenzierte) Ausnehmung der Behörden nach Art. 133 Z. 4 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes durch eine ausdrückliche Anordnung des einfachen Bundes- oder Landesgesetzgebers zur Gänze beseitigt und die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes wieder hergestellt werden kann. In diesem Sinn ist der Ausdruck "Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes" in Art. 133 Z. 4 B-VG, der seinerseits nicht nach den verschiedenen Beschwerdeformen unterscheidet, zu verstehen (so schon R. Novak, aaO, 518). Ein Rückgriff auf die Vorgängerbestimmungen (Art. 130 Z. 3 in der Fassung der B-VG Nov. 1925, BGBl. Nr. 268 und Art. 129 Abs. 5 Z. 4 in der Fassung der B-VG Nov. 1929, BGBl. Nr. 392), bei der mangels Bestehens der Säumnisbeschwerde-Möglichkeit die Wendung "Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes" nur Bescheidbeschwerden umfassen konnte, scheitert schon deshalb, weil Art. 133 Z. 4 leg. cit. formell durch die B-VG Novelle 1946, BGBl. Nr. 211, neu gefaßt wurde, mit der auch die Säumnisbeschwerde erstmals im B-VG eine verfassungsrechtliche Verankerung erfuhr (vgl. auch die weitere Argumentation bei R. Novak, aaO, 518).
Ein Rückschluß aus der (vereinzelt gebliebenen) späteren (für einen besonderen Bereich getroffenen) Verfassungsbestimmung des § 36 Abs. 5 (4) DSG auf die Auslegung der früheren (allgemeinen) Norm des Art. 133 Z. 4 B-VG scheint vor dem Hintergrund dieser Überlegungen nicht zwingend geboten.
Dies führt im Beschwerdefall zu folgendem Ergebnis:
Die einfachgesetzliche Anordnung des § 37 Abs. 3 DSG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 632/1994, die unter Verwendung der verba legalia des Art. 133 Z. 4 B-VG die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärt, umfaßt sowohl die Bescheid- als auch die Säumnisbeschwerde. Die vom Beschwerdeführer erhobene Säumnisbeschwerde ist demnach zulässig. Bei dieser Gesetzeslage war im Beschwerdefall nicht die weitere Frage zu prüfen, ob Art. 133 Z. 4 B-VG dem einfachen Bundes- oder Landesgesetzgeber die Möglichkeit einräumt, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes auch nur eingeschränkt (z.B. auf einen bestimmten Beschwerdetypus oder auf bestimmte Angelegenheiten) vorzusehen oder nicht.
Im Beschwerdefall sind die Voraussetzungen nach § 36 Abs. 2 dritter Satz VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 erfüllt, weshalb das Verfahren in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat einzustellen war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2, 49 und 55 Abs. 1 Satz 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
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