VwGH 98/11/0220

VwGH98/11/022017.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien I, Schwertgasse 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Juni 1998, Zl. MA 65-8/64/98, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §75 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen dieser Gruppen entzogen. Nach der Begründung stützt sich die Annahme der mangelnden Eignung des Beschwerdeführers auf das Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen der Erstbehörde. Ein medizinisches Endgutachten eines Amtssachverständigen der belangten Behörde habe nicht erstellt werden können, weil der Beschwerdeführer, nachdem er zur Untersuchung bei einer Amtssachverständigen erschienen sei, mehreren Aufforderungen zur Beibringung eines psychiatrischen Befundes nicht nachgekommen sei.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Berichterverfügung vom 13. Oktober 1998 wurde der belangten Behörde gemäß § 35 Abs. 2 VwGG Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen zu folgendem Vorhalt Stellung zu nehmen: Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei sie offensichtlich von der Notwendigkeit eines weiteren medizinischen Gutachtens ausgegangen. Es sei allerdings keine Rede davon, daß an den Beschwerdeführer je eine bescheidförmige Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 zur Beibringung des zur Erstellung des Gutachtens benötigten Befundes ergangen wäre; dementsprechend sei die Lenkerberechtigung auch nicht gemäß § 75 Abs. 2, sondern gemäß § 73 KFG 1967 entzogen worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 24. September 1991, Zl. 91/11/0020, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 17. Jänner 1989, Zl. 88/11/0180) könne eine Lenkerberechtigung nur auf der Grundlage eines schlüssig begründeten ärztlichen Gutachtens wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen entzogen werden. Verweigere der Besitzer der Lenkerberechtigung die erforderliche Mitwirkung am Ermittlungsverfahren (etwa weil er einen zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befund nicht beibringt), so habe eine bescheidförmige Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 zu ergehen. Bei Nichtbefolgung dieser Aufforderung komme nur eine Formalentziehung nach dieser Gesetzesstelle, nicht jedoch eine Entziehung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung gemäß § 73 KFG 1967 in Betracht. Der angefochtene Bescheid dürfte aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit behaftet sein.

Die belangte Behörde erklärte mit Schreiben vom 28. Oktober 1998, im Hinblick auf die Ausführungen in der Berichterverfügung werde auf die Erstattung einer Stellungnahme verzichtet. Unter einem legte sie den Verwaltungsakt der Erstbehörde vor. Diesem ist nicht zu entnehmen, daß an den Beschwerdeführer ein auf § 75 Abs. 2 KFG 1967 gestützter Bescheid mit der Aufforderung zur Beibringung des benötigten Befunden ergangen wäre. (Das Schreiben der belangten Behörde vom 12. Mai 1998 an den Beschwerdeführer kann schon mangels Bezeichnung als Bescheid, Bezugnahme auf § 75 Abs. 2 KFG 1967 und eines Hinweises auf die Rechtsfolgen der Nichtbefolgung nicht als Aufforderungsbescheid nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 gewertet werden. An die Qualifikation eines Schreibens als Aufforderungsbescheid nach dieser Bestimmung muß wegen der an die Nichtbefolgung geknüpften Sanktion der Formalentziehung der Lenkerberechtigung ein strenger Maßstab angelegt werden.)

Es ist nichts hervorgekommen, was gegen das Vorliegen der vorläufig angenommenen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spräche. Die belangte Behörde hat in dem gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Entziehungsverfahren seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen mangels eines fachärztlichen Befundes auf der Grundlage unzureichender Ermittlungsergebnisse verneint. Eines solchen Befundes hätte es zur Abklärung der wegen "Absolvierung eines Mundidol-Programmes" entstandenen Bedenken gegen die besagte Eignung des Beschwerdeführers jedenfalls bedurft. Dies ergibt sich einerseits aus dem Schreiben der von der belangten Behörde beigezogenen ärztlichen Amtssachverständigen vom 8. Mai 1998 und andererseits aus § 34 Abs. 3 KDV 1967, wonach bei Vorliegen eines krankhaften Zustandes im Sinne dieser Bestimmung eine Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt anzuordnen ist. Das von der belangten Behörde für ihre Entscheidung herangezogene, im erstinstanzlichen Verfahren erstellte Gutachten vom 9. Oktober 1997 kann schon mangels eines entsprechenden fachärztlichen Befundes nicht als taugliche Grundlage für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme angesehen werden.

Da sich nach dem Gesagten bereits aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung vorliegt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 17. Dezember 1998

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