VwGH 98/10/0058

VwGH98/10/005819.10.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde der W-Ges.m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Jänner 1998, Zl. 6-55 Ga 16/5-1997, betreffend naturschutzbehördlicher Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Stmk 1976 §4 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs7;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates Graz vom 20. Dezember 1991 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 7 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 (NSchG) aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides die ohne behördliche Bewilligung auf den Grundstücken Nr. 882, 840, EZ 32, KG Stifting, außerhalb der geschlossenen Ortschaft errichtete Plakatwand im Ausmaß von 10,3 m Länge und 2,4 m Höhe zu entfernen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die stellvertretende Naturschutzbeauftragte der Landeshauptstadt Graz habe am 15. März 1990 gutachtlich festgestellt, die genannte Plakatwand sei im rechten Winkel zur Stiftingtalstraße hin ausgerichtet. Sie sei auf einem mittels Holzstützen im Boden fest verankerten Holzgerüst befestigt und beidseitig mit Werbezwecken dienenden, bunten Reklamebildern beklebt. Die Plakatwand sei ca. 1 m neben dem Straßenrand in einem Wiesengelände aufgestellt; sie sei gleichsam in einem Zaun eingebaut, der eine Grundstücksabgrenzung darstelle. Beim Aufstellungsort handle es sich um eine Freifläche, die vom Haus Stiftingtalstraße Nr. 220 weg bis zum Haus Stiftingtalstraße Nr. 198 die Straße linker Hand (stadteinwärts gesehen) begleite. Die Entfernung zwischen dem Haus Nr. 200 und der Plakatwand betrage 40 m; dazwischen liege eine Obstgarten, der zu dem Anwesen Nr. 220 gehöre. Der Teil der Freifläche, der sich von der Werbewand nach Südwesten hin ausdehne, sei vorwiegend von landwirtschaftlichen Nutzflächen geprägt. In südlicher Richtung erstrecke sich dieses weitläufige unverbaute Gebiet bis zum Stiftingbach. Großflächig gesehen zähle diese Freifläche zu einer ausgedehnten Freilandzone, die sich jenseits des Stiftingbaches mit lediglich eingestreuter Verbauung weit nach Süden hinziehe, hangartig ansteige und in die Hügelkette der Ries übergehe. Dieses Gebiet sei vorwiegend von Wäldern, Wiesen und landwirtschaftlichen Nutzflächen geprägt und sei auch als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Eine geschlossene Verbauung in Form von Einfamilienwohnhäusern mit umgebenden Grünflächen bestehe lediglich im Norden, auf der dem Aufstellungsort der Plakatwand gegenüberliegenden Straßenseite der Stiftingtalstraße. Man könne aber auch von keinem Naheverhältnis zwischen einem festen Bauwerk und der Werbeanlage sprechen, weil der Abstand zwischen dem nächstliegenden festen Bauwerk, einer Garage auf dem Anwesen Stiftingtalstraße Nr. 235 und der Plakatwand ca. 15 m betrage. Die Werbewand trete daher aus dem Schatten jeglicher Bebauung deutlich hervor. Der Aufstellungsort der Plakatwand sei somit nicht einer geschlossenen Ortschaft zuzurechnen, sondern liege vielmehr am Rande einer ausgedehnten Freilandzone. Im Hinblick auf diese Ausführungen erachte der Magistrat die Rechtssache für entscheidungsreif, sodaß die von der Beschwerdeführerin begehrte Einräumung einer First zur Vorlage des Gutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen unbegründet erscheine. Es sei daher die Entfernung der Plakatwand spruchgemäß zu verfügen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte aus, die Plakatwand befinde sich bei großräumiger Betrachtungsweise innerhalb der geschlossenen Ortschaft. Sie legte gleichzeitig das Gutachten des Architekten Dipl.-Ing. W. und Lichtbilder vor. Diesem Gutachten zufolge weise die Plakatwand zur gegenüberliegenden Garage des Nachbargebäudes nördlich der Stiftingtalstraße einen Abstand von 12 m auf. Die Stiftingtalstraße sei einer Wohnverbauung zugeordnet; westlich und nördlich des Aufstellungsortes seien Wohnhäuser in offener Bauweise errichtet. Diese Verbauung besitze den Charakter einer geschlossenen Ortschaft. In südlicher Richtung schließe das Freiland in Form von Ackerland an. Auch innerhalb dieses Bereiches seien jedoch in offener Bauweise ausgeführte Wohnhäuser vorhanden. Der Aufstellungsort der Werbeanlage befinde sich auf der Seite des Ackerlandes, jedoch innerhalb der U-förmigen Verbauung der Umgebung beidseitig der Stiftingtalstraße. Betrachte man die Werbewand aus westlicher Richtung, so liege sie im Erscheinungsbild der geschlossenen Ortschaft. Eine Betrachtung aus südlicher Richtung (von der Seite der Ackerfläche her) sei kaum möglich, weil die Ackerfläche in Privatbesitz und daher nicht allgemein zugänglich sei. Dennoch lasse sich die Werbewand auch von diesem Blickpunkt aus nur in Verbindung mit der Wirkung der geschlossenen Ortschaft nördlich der Stiftingstalstraße erkennen. Es müsse daher festgestellt werden, daß die Werbewand innerhalb einer geschlossenen Ortschaft gelegen sei. Von einer geschlossenen Ortschaft sei nämlich zu sprechen, wenn deren äußeres Erscheinungsbild überwiegend von größeren Ansammlungen von Bauwerken bzw. von einem räumlichen Zusammenschluß einer Vielzahl von Bauwerken geprägt sei, das sich von einzelnen zerstreut liegenden Baulichkeiten sichtbar abhebe. Eine solche sichtbare Abhebung sei im Bereich östlich des Hauses Nr. 220 zu erkennen, wobei sich auch der Gebäudekomplex der Liegenschaft Nr. 220 unmittelbar in die geschlossene "Ortsbilderscheinung" einfüge.

Die Berufungsbehörde holte ein Gutachten der Fachstelle Naturschutz ein. Diesem zufolge liegt nördlich der Stiftingtalstraße ein geschlossenes bebautes Gebiet vor. 15 m davon entfernt befinde sich die Werbeanlage südlich dieser Straße auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, die über den Stiftingbach hinweg in den Hangbereich des bewaldeten Rieshügelrückens übergingen. Östlich des Standortes der Werbeanlage befinde sich in einer Entfernung von 30 m ein bäuerliches Gehöft, bestehend aus Wohn- und Wirtschaftsgebäuden. Westlich des Standortes erstrecke sich ein 170 m breiter Freilandbereich, der dann in ein geschlossen bebautes Gebiet südlich der Stiftingtalstraße überleite. Östlich des bäuerlichen Gehöfts folge eine größere unbebaute Freilandzone, sodann einzelne, voneinander so weit entfernte Objekte, daß von einem deutlichen Siedlungszusammenhang nicht gesprochen werden könne. Somit befinde sich das bäuerliche Gehöft, umgeben von landwirtschaftlichen Freiflächen, die nach Osten, Süden und Westen ihre Ausdehnung hätten, eindeutig in der freien Landschaft. Selbst wenn man dieses Gehöft aber der nördlich der Stiftingtalstraße bestehenden geschlossenen Ortschaft zurechne, sei der Standort der Werbeanlage noch immer in der freien Landschaft gelegen, weil die Werbeanlage von der geschlossenen Ortschaft im Norden 15 m und vom landwirtschaftlichen Gehöft 30 m entfernt sei und damit deutlich aus dem Schatten des letzten Gebäudes der geschlossenen Ortschaft hervortrete.

In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten führte die Beschwerdeführerin - unter Hinweis auf eine ergänzende Stellungnahme des Architekten Dipl.-Ing. W. - im wesentlichen aus, eine großräumige Betrachtungsweise müsse auf optische Wahrnehmung abstellen und nicht auf 15 m bzw. 30 m. Durch diese Entfernungsangaben werde die Betrachtung kleinräumig eingeschränkt. Die Betrachtung müsse überdies auch in Richtung Norden angestellt werden, bei der der Standort der Werbewand innerhalb der U-förmigen Verbauung liege und daher auch nicht aus dem Schatten dieser Gesamtverbauung heraustreten könne.

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Jänner 1998 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im wesentlichen ausgeführt, aufgrund des Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß sich die Werbetafel nicht auf Grünflächen innerhalb des geschlossen bebauten Gebietes befinde. Aus den Entfernungsangaben werde klar, daß die Werbeeinrichtung sich auch nicht in einem derartigen räumlichen Naheverhältnis zu einem Gebäude befinde, daß man von einer Schattenlage ausgehen könne. Die Werbeeinlage sei eindeutig außerhalb der geschlossenen Ortschaft gelegen. Der Vorwurf, es fehle eine Betrachtung nach Norden, gehe ins Leere, weil aus dem eingeholten Gutachten hervorgehe, daß nördlich der Stiftingtalstraße ein geschlossen bebautes Gebiet vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 NSchG 1976 dürfen Ankündigungen (Werbeeinrichtungen, Bezeichnungen, Hinweise und nichtamtliche Bekanntmachungen) außerhalb geschlossener Ortschaften nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommen werden. Die Zustimmung des Grundeigentümers (Verfügungsberechtigten) ist nachzuweisen.

Nicht bewilligte Ankündigungen sind gemäß § 4 Abs. 7 NSchG 1976 binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde von demjenigen zu entfernen, der sie veranlaßt hat, oder, wenn dieser nicht mehr herangezogen werden kann, vom Grundeigentümer (Verfügungsberechtigten), wenn dieser dazu sein Einverständnis erteilte. Können beide nicht herangezogen werden, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Entfernung durchzuführen.

Eine "geschlossene Ortschaft" im Sinne des § 4 Abs. 1 NSchG 1976 liegt insofern vor, als das äußere Erscheinungsbild des Ortes oder Ortsteiles überwiegend von einer größeren Ansammlung von Bauwerken einschließlich der sie etwa umgebenden Grünanlagen geprägt wird oder von einem räumlichen Zusammenschluß einer Vielheit von Bauwerken gesprochen werden kann, die sich durch den Zusammenschluß von einzelnen verstreut liegenden Baulichkeiten sichtbar abhebt. Es kommt dabei nicht auf den Ausblick in die Landschaft, sondern nur auf die Umgebung des Standortes der Ankündigungstafel an.

Für die Beurteilung der Frage, ob eine geschlossene Ortschaft, die sich von der verbliebenen natürlichen Landschaft abhebt, vorliegt, ist eine großflächige Betrachtungsweise geboten.

Werbeeinrichtungen, die außerhalb des letzten Gebäudes, das zu einer geschlossenen Ortschaft zählt, aufgestellt sind, liegen außerhalb der geschlossenen Ortschaft. Von diesem Grundsatz ist jedoch insofern eine Ausnahme denkbar, als eine Werbeeinrichtung an einem Gebäude selbst angebracht ist oder sich in einem derartigen räumlichen Naheverhältnis zu einem Gebäude befindet, daß die Werbeeinrichtung sozusagen nicht aus dem Schatten des Gebäudes hervortritt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 17. März 1997, Zl. 93/10/0185, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, die getroffenen Feststellungen ließen bei großräumiger Betrachtungsweise, die sich keineswegs "an kleinlichen Meterangaben" zu orientieren habe, eindeutig nur den Schluß zu, daß sich die Werbeanlage innerhalb einer vorwiegenden Verbauung befinde. Die Werbeanlage trete, wie auch aus den vorgelegten Fotos ersichtlich, keineswegs aus dem Schatten der nördlich von ihr gelegenen Gebäude. Die Werbeanlage müßte daher rechtens als innerhalb einer geschlossenen Ortschaft gelegen beurteilt werden.

Die Beschwerdeführerin verkennt bei ihrer Argumentation, daß eine großflächige Betrachtungsweise nach der oben dargestellten hg. Judikatur bei Beurteilung der Frage geboten ist, ob eine Vielzahl von Bauwerken in einem derartigen Siedlungszusammenhang stehen, daß das betreffende Gebiet - gegebenenfalls einschließlich von Freiflächen - als geschlossene Ortschaft anzusehen ist. Die Grenze der geschlossenen Ortschaft wird durch das jeweils äußerste Bauwerk bestimmt.

Außerhalb dieser Grenze aufgestellte Werbeeinrichtungen befinden sich demnach außerhalb der geschlossenen Ortschaft, mögen sie auch unter verschiedenen Blickpunkten als der Ortschaft zugehörig erscheinen. Lediglich dann, wenn eine Werbeanlage in einem solchen räumlichen Naheverhältnis zu einem (grenzbestimmenden) Bauwerk steht, daß sie wie ein Bestandteil dieses Bauwerks in Erscheinung tritt ("sozusagen nicht aus dem Schatten dieses Gebäudes tritt"), ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz denkbar.

Hingegen ist eine großräumige Betrachtungsweise, wie sie der Beschwerdeführerin offenbar vorschwebt, die im Ergebnis zu einem der geschlossenen Ortschaft zuzurechnenden Umfeld außerhalb der dargelegten Begrenzung führt, mit dem Begriff der "geschlossenen Ortschaft" im Sinne des § 4 Abs. 1 NSchG 1976 nicht vereinbar.

Davon ausgehend ist der Standpunkt der belangten Behörde, die in Rede stehende Werbeanlage befinde sich außerhalb der geschlossenen Ortschaft, weil sie von den die Grenze der geschlossenen Ortschaft bestimmenden Gebäuden 15 m bzw. 30 m entfernt sei, nicht zu beanstanden.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die von der belangten Behörde eingeholte Stellungnahme der Fachstelle Naturschutz stamme vom 26. März 1993. Am 22. Oktober 1997 sei lediglich der Standort der Werbeanlage als unverändert festgestellt worden, die belangte Behörde habe aber nicht erhoben, ob nicht zwischenzeitig Veränderungen in der Bebauung erfolgt seien, die eine andere Beurteilung, inwieweit eine geschlossene Ortschaft vorliege, zur Folge hätten.

Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen, behauptet die Beschwerde doch selbst nicht konkret, es hätten sich entsprechende Änderungen in der Verbauung ergeben. Die Beschwerdeführerin hat es somit unterlassen, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG darzulegen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Oktober 1998

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