Normen
BDG 1979 §114 Abs2 impl;
BDG 1979 §43 Abs1 impl;
BDG 1979 §43 Abs2 impl;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4 impl;
BDG 1979 §93 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs2 impl;
BDG 1979 §95 Abs3 impl;
LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs2;
LDG 1984 §70 Abs1 Z4;
LDG 1984 §71 Abs1;
LDG 1984 §73 Abs2 idF 1994/016;
LDG 1984 §73 Abs3;
LDG 1984 §82 idF 1994/016;
StGB §207 Abs1;
StGB §27 Abs1;
VwRallg;
BDG 1979 §114 Abs2 impl;
BDG 1979 §43 Abs1 impl;
BDG 1979 §43 Abs2 impl;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4 impl;
BDG 1979 §93 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs2 impl;
BDG 1979 §95 Abs3 impl;
LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs2;
LDG 1984 §70 Abs1 Z4;
LDG 1984 §71 Abs1;
LDG 1984 §73 Abs2 idF 1994/016;
LDG 1984 §73 Abs3;
LDG 1984 §82 idF 1994/016;
StGB §207 Abs1;
StGB §27 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aufgrund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg. Er wurde vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 13. Jänner 1995, AZ. 31 Vr 1194/94-HV 7/94, wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten, Probezeit drei Jahre, verurteilt. Das Urteil ist seit dem 21. August 1995 rechtskräftig. Der Beschwerdeführer habe am 18. März 1994 drei unmündige Schülerinnen durch Betasten ihrer Geschlechtsteile auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht.
Die belangte Behörde stützte ihren - im Instanzenzug ergangenen - Bescheid ausschließlich auf die dem genannten Urteil des Landesgerichtes Salzburg zugrundeliegenden Taten des Beschwerdeführers. Sie gelangte zum Schluß, daß im gegenständlichen Fall ein disziplinärer Überhang gegeben sei. Die für die disziplinäre Verfolgung wesentlichen Gesichtspunkte, wie etwa das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben und das Vorhandensein des erforderlichen Vertrauensverhältnisses zwischen der Dienstbehörde und dem Lehrer und das Funktionieren der Verwaltung (Trennung von einem Organ, das nicht mehr tragbar erscheint) habe das Strafgericht nicht in entsprechender Weise berücksichtigen können, weil das Verhalten des Beschwerdeführers bei dem in Rede stehenden strafrechtlichen Vergehen nur an Maßstäben zu messen gewesen sei, die für alle Normunterworfenen zu gelten hätten. Bei Dienstpflichtverletzungen, die den Vorwurf der Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben beträfen, läge aufgrund des spezifischen dienstrechtlichen Tatbestandsmerkmales ein disziplinärer Überhang vor. Die belangte Behörde setzte in der Begründung fort:
"Sexuelle Angriffe gegen Abhängige wie die vom 18. März 1994 sind grundsätzlich schwerer zu werten als Angriffe auf Personen in annähernd gleicher Stellung. Solche Übergriffe gegen anvertraute minderjährige Pflichtschüler durch Pädagogen müssen besonders schwer gewertet werden. Daher führen solche sexuellen Übergriffe, die ja zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt haben, dazu, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Lehrers nicht mehr gegeben sein kann. Wenn die Bevölkerung das Vertrauen verliert, daß ihre Kinder in der Schule keinen sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind - bzw. daß Täter nach solchen Vorkommnissen aus dem Schuldienst entfernt werden - hat dies verheerende Auswirkungen auf das gesamte Schulsystem. Ebenso wird durch ein solches Handeln das Vertrauensverhältnis, welches in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zwischen der Dienstbehörde und dem betroffenen Lehrer gegeben sein muß, derartig zerstört, daß es auch nicht wieder hergestellt werden kann. Überdies ist es nicht mehr vorstellbar, daß ein Lehrer, der wegen sexueller Übergriffe an Schülerinnen strafrechtlich verurteilt worden ist, jeweils wieder die erforderliche positive Vorbildwirkung erlangen könnte."
Er habe dadurch gegen seine allgemeinen Dienstpflichten gemäß § 29 Landeslehrer-DienstrechtsG (LDG) verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 69 LDG begangen. Die Disziplinarbehörde erster Instanz habe die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 70 Abs. 1 Z. 4 LDG verhängt.
Die bereits von der Disziplinarbehörde erster Instanz verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung sei im gegenständlichen Fall die einzig mögliche Strafe. Milderungsgründe seien nicht mehr von Bedeutung.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 9. Juni 1998, B 859/98-3, ihre Behandlung ab und trat sie sodann dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Sie ist folgendermaßen ausgeführt:
"Die belangte Behörde erachtet sich gemäß § 73 Abs. 2 LDG an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles zugrunde gelegten Tatsachenfeststellung gebunden, nicht jedoch an die disziplinarrechtliche Beurteilung.
Die belangte Behörde übersieht dabei jedoch, daß das Strafgericht bei der Strafbemessung nicht nur die Frage des Unrechtscharakters im Sinne des StGB zu prüfen hatte. Vielmehr war bei der Strafbemessung auch die Frage des Amtsverlustes gemäß § 27 StGB zu prüfen.
Das Strafgericht, insbesondere das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht, ist ausführlich auf die Strafzumessungsgründe eingegangen. Es wurde ausdrücklich auf mein langjähriges einwandfreies Verhalten als Lehrer verwiesen. Wortwörtlich hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß eine Erhöhung der Strafe, so wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, in Hinblick auf die jahrzehntelangen ausgezeichneten Leistungen als Lehrer und Pädagoge und der Tatsache, daß ich mich bereits im fortgeschrittenen Alter befinde, eine Anhebung des Strafmaßes nicht erforderlich ist.
Der Ausspruch der Disziplinarstrafe der Entlassung ist daher ungerechtfertigt.
Ebenso ist zu berücksichtigen, daß ich aufgrund meines Alters und meiner gesundheitlichen Probleme nicht mehr in den Schuldienst zurückkehren werde.
Das Argument, daß es nicht zumutbar ist, mich weiter im Schuldienst zu belassen, ist daher im gegenständlichen Fall unzutreffend.
Es bleibt daher darauf abzustellen, wie gravierend mein Fehlverhalten im Vergleich zu meinen bisherigen tadellosen Leistungen zu setzen ist. Hier hätte bei richtiger Abwägung aller Umstände die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, daß das allerschärfste Disziplinarmittel, nämlich das der Entlassung, nicht anzuwenden ist."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes BGBl. Nr. 302/1984 in der hier anzuwendenden Fassung der Nov. BGBl. Nr. 16/1994 (LDG 1984) lauten:
"§ 29. (1) Der Landeslehrer ist verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Landeslehrer hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
(3) Der Landeslehrer hat um seine berufliche Fortbildung bestrebt zu sein.
...
§ 69. Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, sind nach den Bestimmungen dieses Abschnittes zur Verantwortung zu ziehen.
§ 70. (1) Disziplinarstrafen sind
- 1. der Verweis,
- 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Haushaltszulage,
4. die Entlassung.
(2) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Landeslehrer auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses bzw. im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.
...
§ 73. (1) Wurde der Landeslehrer wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
(2) Die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten."
Die Bindungswirkung im Disziplinarverfahren folgt nicht bloß aus der Bestimmung des (dem § 95 Abs. 2 erster Satz BDG 1979 nachgebildeten) § 73 Abs. 2 LDG 1984, sondern aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft überhaupt, wie sie unanfechtbaren gerichtlichen Entscheidungen eigen ist. Diese Bestimmung dient den rechtsstaatlichen Anliegen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, weil durch die grundsätzliche Bindungswirkung sichergestellt werden soll, daß zu einem sachgleichen historischen Geschehensablauf nicht unterschiedliche tatsächliche Feststellungen in verschiedenen Verfahren rechtskräftig getroffen werden. Das gerichtliche Strafverfahren ist mit den strengsten rechtsstaatlichen Garantien ausgestattet; das gilt in besonderem Maße für das Zustandekommen der tatsächlichen Feststellungen. Deshalb muß auch gemäß § 82 LDG 1984 das Disziplinarverfahren unterbrochen und der Ausgang eines sachgleichen Strafverfahrens abgewartet werden, womit zugleich das Ziel verfolgt wird, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Die Disziplinarkommissionen können keine Überprüfungsinstanz für gerichtliche Strafurteile darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191). Die Disziplinarbehörde ist ua. an die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen gebunden. Dies steht aber einer eigenen rechtlichen Würdigung der disziplinarrechtlichen Gesichtspunkte nicht entgegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1997, Zl. 95/09/0262).
Gemäß § 27 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) ist mit der durch ein inländisches Gericht erfolgten Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe der Verlust des Amtes verbunden.
Der Beschwerdeführer verkennt den Inhalt dieser Bestimmung. Denn die in § 27 Abs. 1 StGB vorgesehene Rechtsfolge ist nicht bei der nach den Bestimmungen der §§ 32 ff StGB vorzunehmenden Strafbemessung zu berücksichtigen, sondern sie ist eine - wie der unmißverständliche Gesetzestext zeigt - im Anschluß an die erfolgte Verurteilung ex lege eintretende Rechtsfolge.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0025, und vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0050) dargelegt hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter fordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191 und vom 7. Mai 1997, Zl. 95/09/0045, mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur).
In diesem Sinne ist die im Beschwerdefall verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Bei einem strafrechtlich geahndetem Verhalten (hier: Unzucht mit minderjährigen Schülerinnen der Schule, an der der Beschwerdeführer unterrichtete), das bei objektiver Betrachtung geeignet ist, bezogen auf die dienstliche Stellung des Beamten (hier: Lehrer) nach allgemeiner gesellschaftlicher Auffassung die Achtung und das Vertrauen in die Person und damit in die Amtsstellung zu untergraben, liegt jedenfalls im Sinne des § 29 Abs. 2 LDG 1984 ein disziplinärer Überhang vor, der bei der gegebenen Sachlage das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Verwaltung zu zerstören geeignet ist und demnach auch die schwerwiegende Disziplinarstrafe der Entlassung rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0119).
Ist aber das Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für die in der Beschwerde angestellten weiteren Differenzierungen und Bemessungserwägungen, da andere Strafzumessungs- (insbesondere Milderungsgründe) nicht mehr entscheidend sein können (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1997, Zl. 95/09/0045).
Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Wien, am 21. Oktober 1998
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