VwGH 98/04/0112

VwGH98/04/011224.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der C Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. November 1995, Zl. MA 63-F 207/95, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung, zu Recht erkannt:

Normen

11992E048 EGV Art48;
11992E177 EGV Art177;
61996CJ0350 Clean Car Autoservice VORAB;
EURallg;
GewO 1994 §340 Abs7;
GewO 1994 §39 Abs2;
GewO 1994 §9 Abs1;
11992E048 EGV Art48;
11992E177 EGV Art177;
61996CJ0350 Clean Car Autoservice VORAB;
EURallg;
GewO 1994 §340 Abs7;
GewO 1994 §39 Abs2;
GewO 1994 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. November 1995 wurde gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1994 festgestellt, daß die Voraussetzungen für die Ausübung des von der Beschwerdeführerin (noch unter der Bezeichnung Immobilien Entwicklungs Gesellschaft m.b.H.) am 7. Juli 1995 angemeldeten Gewerbes "Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (Servicestation) unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit" an einem näher bezeichneten Standort nicht vorlägen und die Ausübung des Gewerbes untersagt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung am 7. Juli 1995 habe der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer keinen Wohnsitz im Inland gehabt. Es seien daher die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 GewO 1994, wonach der gewerberechtliche Geschäftsführer seinen Wohnsitz im Inland haben müsse, nicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt sie vor, der in Aussicht genommene gewerberechtliche Geschäftsführer sei gleichzeitig ihr Angestellter. Die belangte Behörde berücksichtige in keiner Weise den von der Beschwerdeführerin schon in der Berufung vorgebrachten Einwand, seit dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union sei jedenfalls ein Wohnsitz innerhalb der Europäischen Union ausreichend, um den gesetzlichen Verpflichtungen eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nachkommen zu können. Es werde in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Diskriminierungsverbot des Art. 6 des Unionsvertrages verwiesen, welcher insbesondere im Abs. 1 grundsätzlich Ungleichbehandlung von Inländern und Ausländern auf Grund der Staatsangehörigkeit verbiete. Die Mitgliedstaaten dürften eine schlechterstellende Differenzierung nicht auf das Kriterium der Staatsangehörigkeit stützen. Darüber hinaus sei auch die versteckte Diskriminierung verboten, welche wohl im vorliegenden Fall von der belangten Behörde vorgenommen worden sei. Der angefochtene Bescheid verstoße auch gegen Art. 48 des Unionsvertrages, welcher die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und somit eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union regle. Kernstück dieses Artikels sei ebenfalls das Diskriminierungsverbot auf Grund der Staatsangehörigkeit. Der von der Beschwerdeführerin bestellte Geschäftsführer sei gleichzeitig Angestellter des Unternehmens der Beschwerdeführerin und somit ihr Arbeitnehmer, weshalb ihm das Freiheitsrecht des Art. 48 zugute komme. Auch in diesem Zusammenhang gelte die hier von der belangten Behörde angewandte versteckte Diskriminierung als verboten. Österreich sei bereits zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung Mitglied der Europäischen Union gewesen, weshalb der Wohnsitz des namhaft gemachten Geschäftsführers in der Bundesrepublik Deutschland als ein Wohnsitz innerhalb des Territoriums der Europäischen Union einem Wohnsitz innerhalb von Österreich gleichzusetzen sei.

Gemäß § 9 Abs. 1 können juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes (Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften (Offene Erwerbsgesellschaften und Kommandit-Erwerbsgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.

Gemäß § 39 Abs. 2 GewO 1994 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Anmeldung des in Rede stehenden Gewerbes hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1996, BGBl. Nr. 10/1997, muß der Geschäftsführer u. a. den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen, seinen Wohnsitz im Inland haben und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 8. Oktober 1996 zur Klärung der Frage, ob die zuletzt genannte Bestimmung bei Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht und daher durch dieses verdrängt wird, gemäß Art. 177 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 EG-Vertrag folgende Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. 1.) Sind Art. 48 EGV und Art. 1 bis 3 der VO 1612/68 dahingehend auszulegen, daß daraus auch inländischen Arbeitgebern das Recht erfließt, Arbeitnehmer, die Angehörige eines anderen Mitgliedstaates sind, ohne Bindung an Bedingungen zu beschäftigen, die - auch wenn sie auf die Staatsangehörigkeit nicht abstellen - typisch mit der Staatsbürgerschaft verbunden sind.
  2. 2.) Wenn das im Punkt 1.) genannte Recht inländischen Arbeitgebern zusteht: Sind Art. 48 EGV und Art. 1 bis 3 der VO 1612/68 dahin auszulegen, daß eine Regelung wie § 39 Abs. 2 GewO 1994, wonach der Gewerbeinhaber nur eine Person zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen darf, die ihren Wohnsitz im (österreichischen) Inland hat, damit im Einklang steht?

Mit Urteil vom 7. Mai 1998, Zl. C-350/96 , erkannte dieser Gerichtshof wie folgt zu Recht:

  1. "1. Auf den in Artikel 48 EG-Vertrag verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer kann sich auch ein Arbeitgeber berufen, der im Mitgliedstaat seiner Niederlassung Angehörige eines anderen Mitgliedstaats als Arbeitnehmer beschäftigen will.
  2. 2. Es verstößt gegen Artikel 48 EG-Vertrag, wenn ein Mitgliedstaat dem Inhaber eines Gewerbes, das dieser im Gebiet dieses Staates ausübt, verbietet, eine Person als Geschäftsführer zu bestellen, die in diesem Staat keinen Wohnsitz hat."

Von dieser bindenden Auslegung des Art. 48 EG-Vertrag ausgehend verstößt die Regelung des § 39 Abs. 2 GewO 1994 in der oben genannten Fassung, soweit darin das Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes des bestellten Geschäftsführers normiert wird, gegen Gemeinschaftsrecht, weshalb sie im vorliegenden Fall wegen des dem Gemeinschaftsrecht gebührenden Anwendungsvorranges nicht anzuwenden war.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf die in der zitierten Verordnung normierte Pauschalierung dieses Aufwandersatzes, welche auch die Umsatzsteuer umfaßt, abzuweisen.

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