VwGH 98/01/0366

VwGH98/01/036611.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Josef Leitner, Rechtsanwalt in

3340 Waidhofen/Ybbs, Oberer Stadtplatz 33, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. Februar 1998, Zl. 200.620/2-IV/10/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 9. September 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 11. September 1997 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 16. September 1997 niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens.

Die Behörde erster Instanz gab das Vorbringen des Beschwerdeführers in ihrem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 1. Oktober 1997 folgendermaßen wieder:

"Den Militärdienst hätten Sie nicht abgeleistet. Es sei dreimal versucht worden, Ihnen einen Einberufungsbefehl zuzustellen, doch hätten Sie die Schriftstücke nie übernommen. Der letzte Versuch der Zustellung sei 1995 erfolgt. Sie hätten aufgrund der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles keinerlei Probleme gehabt.

Sie seien nie Mitglied einer politischen Partei gewesen.

Am 30.8.1997 hätte ein Freund von Ihnen geheiratet. Sie hätten an der Hochzeitsfeierlichkeit teilgenommen. Es sei so Sitte, daß man bei solchen Feierlichkeiten mit Waffen in die Luft schieße, was auch bei der Hochzeit Ihres Freundes passiert sei. Die Polizei habe Sie in der Folge verdächtigt, mit einer Pistole in die Luft geschossen zu haben. Aus diesem Grund seien am 1.9.1997 zwei Polizeiautos zu dem Haus gekommen. Die Polizisten hätten nach Ihnen gesucht, doch hätten Sie sich bei dem Freund aufgehalten.

Die Beamten hätten Ihren Vater getroffen und in weiterer Folge das Haus durchsucht. Da Sie nicht gefunden worden wären, sei Ihr Vater aufgefordert worden, er und Sie sollten sich am folgenden Tag bei der Polizeistation Gjuragovce melden. Danach seien die Polizisten verschwunden. Sie hätten aber Ihrer Familie ausdrücklich gesagt, daß man nur Sie bräuchte.

Ihr Vater hätte noch am gleichen Tag einen jüngeren Bruder zu Ihrem Freund geschickt, wo Sie sich aufgehalten hätten. Dieser Bruder hätte Ihnen mitgeteilt, daß Sie im Auftrag Ihres Vaters nicht nach Hause zurückkehren sollten, da die Polizei nach Ihnen suche.

Da auch Ihr Vater nicht zur Polizeistation gegangen wäre, seien am 2.9.1997 abermals Polizisten zum Haus gekommen. Diese hätten wieder nach Ihnen gesucht. Ihr Vater hätte gesagt, er wüßte nicht, wo Sie sich aufhalten. Aus diesem Grund seien Ihr Vater und ihr 17-jähriger Bruder verprügelt worden. Die Polizisten hätten nun nach Ihnen verlangt. Die Polizisten hätten Ihrem Vater gedroht, ihn umzubringen, sollten Sie sich nicht melden. Überdies sei Ihrem Vater verboten worden, das Krankenhaus aufzusuchen. Danach seien die Polizisten wieder verschwunden. Ihr Bruder hätte eben wegen dieses Vorfalles auch das Haus verlassen, Sie wüßten aber nicht, wohin er sich begeben hätte.

Unmittelbar nach diesem Vorfall sei noch einmal ein Bruder zu Ihnen gekommen und hätte Ihnen mitgeteilt, daß der Vater gesagt hätte, Sie sollten das Heimatland verlassen.

Auf Befragung geben Sie an, daß die Polizei nicht zur Hochzeit gekommen sei, um nachzusehen, wer geschossen hätte.

Sie hätten noch nie eine Waffe besessen.

Sie hätten nicht gewagt, zur Polizeistation zu gehen, nachdem Sie erfahren hätten, daß Ihr Vater so verprügelt worden sei. Hätten Sie sich gemeldet, dann wären Sie umgebracht worden.

Sie hätten nicht gewagt, zur Polizeistation zu gehen, da Sie den Behörden nicht vertrauten. Die Polizei würde keine Erklärung dafür benötigen, um jemanden zu beschuldigen.

Auf konkrete Fragen gaben Sie an, daß 60 Gäste an der Hochzeit teilgenommen hätten, aber nur eine Person mit einer Waffe geschossen hätte.

Auf die Frage, woher die Polizei gewußt haben soll, daß Sie an der Hochzeitsfeier teilgenommen hätten, gaben Sie an, daß jemand die Polizei informiert haben müsse.

Sie hätten nichts davon gehört, daß andere Gäste Probleme bekommen hätten. Die Polizisten seien nur zu Ihnen gekommen. Es würde genügen, daß jemand die Polizei informiert hätte, daß eine Person mit einer Waffe geschossen hätte.

Die Person müßte Sie kennen. Sie wüßten nicht, wer diese Person sei, die die Polizei informiert hätte. Die Polizei hätte jedoch nicht gewußt, daß Sie sich auf der Hochzeit aufgehalten hätten.

Vor diesem Vorfall hätten Sie nie Probleme mit der Polizei gehabt.

Sie würden nicht wagen, nunmehr in ihre Heimat zurückzukehren, denn die Polizei würde Sie umbringen. Man würde so lange gefoltert werden, bis man behindert oder tot sei, wenn man in die Hände der Polizei gerät."

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag mit der Begründung ab, daß die Hausdurchsuchung und die Aufforderung der Polizei, der Beschwerdeführer solle sich innerhalb einer bestimmten Frist melden, keine asylrelevante Verfolgung erkennen lasse.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer neben der Wiedergabe von Normen aus:

"Weiters kommt es im Kosovo wiederholt zu größeren Menschenrechtsverletzungen wie Folter, ja sogar dazu, daß Personen umgebracht werden. Auch die Asyl-Info 2/97 von Amnesty International weist auf Tod in der Haft und drohende Mißhandlungen im Kosovo hin. Desgleichen wurde in der Asyl-Info 6/97 darauf hingewiesen, daß man Angehörige der albanischen Volksgruppe verschwinden ließ, daß ihnen außerdem Folter drohte und ein entsprechend unfaires Gerichtsverfahren.

Eine derartige willkürliche Festnahme und Mißhandlung wurde für das gesamte Jahr 1996 beschrieben, desgleichen sind Reiseberichte von Regierungsmitgliedern in Deutschland vorhanden, die ein erschütterndes Zeugnis über die Verhältnisse in bezug auf die Menschenrechte im Kosovo ablegen. Auch das 'Auswärtige Amt' von Bonn bestätigt: 'Im Kosovo kommt es immer wieder seitens der Sicherheitsbehörden zu zahlreichen willkürlichen Übergriffen und körperlichen Mißhandlungen, in aller Regel in Form von Schlägen. Staatliche Repressionen im Kosovo zeichnen sich jedoch gerade und ganz bewußt durch Willkür aus, um einen latenten Vertreibungsdruck durch Erzeugung allgemeiner Unsicherheit aufrecht zu erhalten. Repressionen im Kosovo können jederzeit jeden treffen, der 'ins Blickfeld' der serbischen Behörden geraten ist.'"

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Sie erhob das "richtig und vollständig" im Bescheid der Behörde erster Instanz wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers auch zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Sie begründete den Bescheid damit, daß sie in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung einen zusammenfassenden Zeitungsartikel des auswärtigen Amtes in Bonn über die Sicht der Dinge aus deutscher Perspektive erörtert habe. Weiters seien die Umstände im Kosovo aufgrund des Friedensberichtes 97, herausgegeben vom Verlag Rüger, erstellt von "EPU Stadt-Schlaining", sowie "Textstellen der österreichischen Vertretungsbehörde im Heimatland des Asylwerbers sowie von Schweizer Behörden über die Ereignisse im Zeitpunkt der vom Asylwerber behaupteten fluchtrelevanten Ereignisse" vorgehalten worden; die diesbezüglichen Berichte und Urkunden seien jedoch sogleich wegen ihres konsularischen vertraulichen Charakters von der Parteieneinsicht auszunehmen gewesen. Aus der ergänzenden Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung habe sich einerseits ergeben, daß dieser glaubwürdig seine Angaben der seinerzeitigen Ersteinvernahme bestätigt, andererseits über Befragung und Vorhalt ergänzende Angaben gemacht habe, aus denen sich folgende Feststellungen ergäben:

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