Normen
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reiste am 16. Jänner 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle aus Ungarn in das Bundesgebiet ein. Er beantragte am 22. Jänner 1998 Asyl und wurde dazu am selben Tag vor dem Bundesasylamt einvernommen. Er gab an:
"Ich habe Algerien verlassen, weil mein Heimatland ein unsicheres Land geworden ist. Jeden Tag gibt es Massaker und Anschläge durch die Terroristen. Meine Eltern kamen bei einem Massaker im Jänner 1997 ums Leben. Befragt, wann genau dies war, gebe ich an, daß ich lediglich weiß, daß es im Jänner 1997 war. Ich war damals auf einer Baustelle, die ca. 20 bis 30 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt war. Ich habe dort auch übernachtet. Als ich nach fünf Tagen nach Hause kam, habe ich von den Nachbarn erfahren, daß meine Eltern bei einem Massaker in Algier ums Leben kamen und von den Nachbarn bereits beerdigt wurden. Aus Angst, mein Leben bei einem der Anschläge der Terroristen zu verlieren, habe ich mich entschlossen, das Land zu verlassen."
Er setzte fort, daß er nicht wisse, auf welche Art und Weise seine Eltern ums Leben gekommen seien. Die Nachbarn hätten sich bei den Polizisten, welche die Leichen der Eltern nach Annabah überführten, nicht näher erkundigt und die Polizei hätte sowieso keine Auskünfte erteilt. Die Nachbarn hätten das Gesicht der Leichen der Eltern des Beschwerdeführers gesehen, dieses sei unversehrt gewesen. Er komme zur Annahme, daß seine Eltern bei einem Massaker ums Leben gekommen seien, weil die Polizisten es den Nachbarn gesagt hätten. Sein Vater habe einen Ausweis mit der Heimatadresse bei sich gehabt, weshalb die Polizisten auch gewußt hätten, wo er gewohnt habe. Auf den Vorhalt, daß es schon mehrere Jahre Massaker gebe und seine Eltern auch schon vor einem Jahr ums Leben gekommen seien, antwortete der Beschwerdeführer, er habe jetzt erst die Idee bekommen, Algerien zu verlassen.
Er sei niemals konkreten Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder sonstigen Gründen bis zu seiner Ausreise ausgesetzt gewesen und habe sich nie in Haft befunden. Er sei persönlich nicht von den Terroristen bedroht worden. Er habe auch keine Probleme mit den algerischen Behörden gehabt. Er habe sich deshalb keinen Reisepaß besorgt und mit diesem Algerien verlassen, weil er das notwendige Geld zum Zeitpunkt beisammen gehabt habe, als ihm die Idee gekommen sei, nach Deutschland zu reisen. Er habe dann keine Zeit verlieren wollen. Auf Frage der Flüchtlingsberaterin antwortete der Beschwerdeführer, es seien überall Anschläge gewesen, auch in der Nähe von Annabah. Wann diese Anschläge gewesen seien, wisse er nicht. Er wisse auch nicht, warum seine Eltern in Algier gewesen seien.
Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag mit Spruchpunkt I ab und erkannte unter Spruchpunkt II, daß die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien gemäß § 8 Asylgesetz zulässig sei.
Die dagegen erhobene Berufung hat folgenden Wortlaut:
"Mit Bezug auf Ihr Schreiben mit der Aktenzahl 98 00 487-BAE vom 9.2.1998, in dem Sie mein Ansuchen auf Asyl in Ihrem Land ablehnten, möchte ich diese Berufung gegen Ihre Entscheidung einreichen. Mich in meine Heimat abzuschieben würde für mich heißen, wieder ohne Zukunft, ohne Familie, ohne Papiere und ohne Schutz zu leben. Ich möchte und will nicht in das Land des Terrors, der Morde und Massaker zurückkehren. Mit diesem Antrag möchte ich Sie bitten, Ihre Entscheidung nochmals zu überdenken und mir Asyl in Ihrem Land zu gewähren."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Jänner 1998 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie begründete den Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen noch im Berufungsverfahren konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe geltend gemacht habe. Daran vermöge auch der Hinweis auf die in Algerien allgemein herrschenden politischen Verhältnisse nichts zu ändern. Das Vorliegen einer Bürgerkriegssituation schließe eine asylrechtlich relevante drohende Verfolgung zwar nicht generell aus, doch liege im Umstand, daß im Herkunftsstaat eines Asylwerbers Bürgerkrieg herrsche, für sich allein noch keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK. Ebensowenig indiziere die Tötung von Familienangehörigen im Zuge allgemein herrschender Bürgerkriegsverhältnisse ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine den Beschwerdeführer bedrohende Verfolgungssituation.
Die belangte Behörde gelangte zur Ansicht, daß auch keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abweisung Gefahr liefe, in seinem Heimatstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Der Beschwerdeführer habe nicht vermocht, eine derartige Bedrohungssituation glaubhaft zu machen. Der Hinweis auf eine allfällige Gefährdung durch radikale islamische Terrorgruppen reiche für die Annahme eines Refoulement-Grundes im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG nicht aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde. Sie ist folgendermaßen begründet:
"Es ist richtig, daß in dem Herkunftsland Algerien bürgerkriegsähnliche Zustände vorherrschen.
Man weiß auch aus vielfach bestätigten Quellen der internationalen Presse und den Medien, daß die scheinbar wahllosen Mord- und Terroranschläge im Herkunftsland und die daraus resultierenden bürgerkriegsähnlichen Zustände durch eine Organisation radikaler Fundamentalisten, sohin durch religiöse und nationale Fanatiker verursacht sind und sich - vordergründig scheinbar ohne Plan - an Teilen der Bevölkerung, die dieser Gesinnung nicht angehören, durch Mord, Brandschatzung und Zerstörung, in noch unvermindertem Maße andauern und auswirken.
Tatsächlich, und dies hat selbst der Beschwerdeführer offenbar nicht erkannt, sind jene Gruppen und Teile der Bevölkerung der fundamentalistischen Terroristen Adressaten der Gewalt gegen Eigentum und Leben, die nicht gleicher Gesinnung angehören. Dazu zählt auch der Beschwerdeführer und dessen ums Leben gekommene Familie.
Dies ist bisher von den entscheidenden Behörden nicht erkannt worden. Die zufällige Abwesenheit des Beschwerdeführers am Tag und Ort des Mordanschlages gegen die Eltern beweist geradezu, daß der Beschwerdeführer in seinem Leben bedroht war und zur Zielgruppe der verfolgten und weiterhin bedrohten Personen gehört."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, sich gegen die Gesinnung der fundamentalistischen Terroristen gewendet zu haben. Es ist daher der belangten Behörde zu folgen, daß er keinen Grund genannt hat, weshalb gerade ihm durch die Terroristen eine asylrechtlich relevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe. Insofern der Beschwerdeführer nunmehr erstmalig in der Beschwerde behauptet, er und seine Familie seien nicht gleicher Gesinnung wie die Terroristen, unterliegt diese neue Sachverhaltsbehauptung dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbot.
Auch das Argument des Beschwerdeführers betreffend seine "zufällige Abwesenheit" am Tag und Ort des Mordanschlages gegen seine Eltern geht schon aus dem einfachen Grund ins Leere, als der Beschwerdeführer nie behauptet hat, daß den Terroristen die Anwesenheit seiner Eltern in Algier - und nicht in ihrem Heimatort - bekanntgewesen sei und das "Massaker" zielgerichtet ihnen gegolten hätte. Schon aus diesem Grund sind daraus keine Rückschlüsse auf die Situation des Beschwerdeführers zu ziehen. Im übrigen ist die belangte Behörde im Recht, daß die Tötung von Familienangehörigen im allgemeinen keine individuell dem Asylwerber drohende asylrechtlich relevante Verfolgung indiziert.
Letztendlich erblickt der Verwaltungsgerichtshof auch in der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Bedrohungssituation im Sinne des § 57 Abs. 2 FrG glaubhaft gemacht, aus den obigen Gründen keine Rechtswidrigkeit.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. Oktober 1998
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