Normen
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 7. März 1997 wurde gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in Albanien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht.
In ihrer Begründung gab die belangte Behörde zunächst die Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren - auf diese hatte er in seinem Antrag gemäß § 54 FrG verwiesen - wieder. Demnach wäre der Beschwerdeführer von einem Hoxhe, einem moslemischen Geistlichen, der sich beleidigt gefühlt hätte, angezeigt worden. Er hätte sich daraufhin bei der Polizeistation seines Bezirkes in Tirana melden müssen. Dort hätte man ihn bezüglich der Beleidigung des Geistlichen befragt und dabei auch geschlagen und mit den Füßen getreten. Von diesen Mißhandlungen wären - zum Zeitpunkt der Befragung im Asylverfahren nicht mehr sichtbare - Narben auf dem Rücken und auf den Beinen zurückgeblieben. In der Folge wäre der Beschwerdeführer noch drei Tage auf der Polizeistation festgehalten worden, ohne daß es dabei zu weiteren Vorfällen gekommen wäre. Zusammenfassend würde deshalb Asyl begehrt werden, weil der Hoxhe Druck ausüben würde, um ihn, den Beschwerdeführer, zu einem gläubigen Moslem zu machen. Der Beschwerdeführer hätte diesem Hoxhe gegenüber jedoch zweifelsfrei klargestellt, daß er und seine minderjährigen Kinder nicht mehr an islamischen Gebräuchen teilnehmen würden. Ungeachtet dessen hätte der Hoxhe gegen den Willen des Beschwerdeführers die Beschneidung dessen zehnjährigen Sohnes veranlaßt, dem dabei körperliche und seelische Qualen zugefügt worden wären. Eine daraufhin beim zuständigen Bezirkspolizeikommissariat in Tirana gegen den Hoxhe erstattete Anzeige wäre mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß die Beschneidung den religiösen Gebräuchen entsprechen würde. In der Folge hätte sich der Druck des Hoxhes verstärkt. Wegen der weiteren Weigerung, an islamischen Gebräuchen teilzunehmen, hätte dieser schließlich die Anzeige wegen Beleidigung erstattet, wobei es zu den schon geschilderten Vorfällen gekommen wäre.
Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei rechtskräftig abgewiesen worden. In seiner Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Bescheid im Verfahren nach § 54 FrG habe der Beschwerdeführer im wesentlichen dasselbe Vorbringen wie vor den Asylbehörden erstattet. Der belangten Behörde sei es nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen; dies sei im Hinblick auf § 37 Abs. 2 FrG sogar naheliegend. Sie, die belangte Behörde, lasse daher bei ihrer Entscheidung die Sachverhaltsfeststellungen der Asylbehörde "miteinfließen".
Im Verfahren nach § 54 FrG genügten nicht einfache Behauptungen, vielmehr habe der Antragsteller sein Vorbringen durch Beweisanbote konkret und schlüssig zu untermauern bzw. müsse die behauptete Gefährdung durch andere Umstände objektivierbar sein. Wie bereits die Asylbehörde ausgeführt habe, hätten die Demokratisierung und die "Qualität der Menschenrechtssituation" in Albanien in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Der Beschwerdeführer selbst habe keinerlei Beweisanbote bezüglich der Verfolgungsgefahr vorbringen können. Es sei nicht nachvollziehbar, daß er am 12. Juni 1996 (richtig wohl: 1995) beim Verhör derart geschlagen worden wäre, sodaß an Rücken und Beinen Narben entstanden wären, daß aber ca. zwei Monate später bei der Einreise nach Österreich davon nichts mehr zu sehen sei. Dem Beschwerdeführer sei demnach "eine Glaubhaftmachung nicht gelungen". Selbst wenn sich die behaupteten Mißhandlungen und die daran anschließende Anhaltung auf der Polizeistation so zugetragen hätten, wie vom Beschwerdeführer geschildert, wäre darin noch kein Eingriff mit einer Intensität zu erblicken, wie von § 37 Abs. 1 und 2 FrG verlangt; von einer "Verunmöglichung des Lebens im Heimatland" könne nicht gesprochen werden, insbesondere deshalb, weil der Beschwerdeführer nach diesem Vorfall noch ca. zwei Monate ohne jegliche Behördenberührung in Albanien verbracht habe. Das lasse auch auf eine fehlende Aktualität der Verfolgungsgefahr schließen. "Nach Prüfung der Aktenlage" stelle sich die behauptete Mißhandlung eher als einmalige Willkür von Polizeiorganen dar.
Was die Beschneidung des Sohnes des Beschwerdeführers anlange, so lasse sich daraus keine individuelle, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung ableiten. Der vom Hoxhe ausgehende Druck schließlich sei irrelevant, weil dieser Geistliche nicht als staatliches Organ bezeichnet werden könne. Unter Gesamtwürdigung des Falles ergebe sich daher, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Albanien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.
Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde spricht im angefochtenen Bescheid davon, daß sie die Sachverhaltsfeststellungen der Asylbehörde in ihre Entscheidung "miteinfließen" lasse. Welche Feststellungen damit konkret übernommen werden sollen, bleibt allerdings offen. Weiters führt sie aus, daß dem Beschwerdeführer eine Glaubhaftmachung nicht gelungen sei; es sei nicht nachvollziehbar, daß er beim Verhör am 12. Juni 1996 (richtig: 1995) so geschlagen worden wäre, daß an Rücken und Beinen Narben zurückgeblieben wären, daß aber ca. zwei Monate später davon nichts mehr zu sehen sei. Mit dieser, als Element einer Beweiswürdigung zu verstehenden Argumentation wird zum Ausdruck gebracht, daß den Angaben des Beschwerdeführers kein Glauben geschenkt werde. Ob sich das auf sämtliche Angaben oder nur auf die Schilderung der Mißhandlungsfolgen erstreckt, ist freilich nicht klar erkennbar.
Die belangte Behörde hat also nicht klar dargelegt, welchen Sachverhalt sie ihrer Entscheidung zugrunde legte. Dennoch kann der Beschwerde im Ergebnis kein Erfolg beschieden sein. Selbst wenn man den Angaben des Beschwerdeführers zur Gänze folgte, vermöchten sie - was im folgenden zu zeigen sein wird - nicht die Annahme zu tragen, er sei in seinem Heimatstaat (Albanien) im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG bedroht. Schon von daher ist aber auch der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers (diese geht dahin, die belangte Behörde habe Erhebungen beim entsprechenden Polizeikommissariat in Tirana unterlassen und lediglich auf die Ergebnisse des Asylverfahrens zurückgegriffen) der Boden entzogen.
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch jene nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen, und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 95/21/0491, m.w.N.)
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß es gemäß den Angaben des Beschwerdeführers der Druck des Hoxhe war, der ihn zur Flucht aus seinem Heimatland veranlaßte. Bei diesem Hoxhe handelt es sich um einen islamischen Geistlichen, der als solcher nicht der Staatsmacht zuzurechnen ist. Eine Bedrohung aber, die lediglich von Privatpersonen ausgeht, vermag weder den Tatbestand des § 37 Abs. 1 noch jenen des § 37 Abs. 2 FrG zu begründen.
Eine derartige Bedrohung wäre freilich nach dem oben Gesagten dann maßgeblich, wenn sie von staatlichen Stellen gebilligt würde oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) nicht abgewendet werden könnte. In Richtung einer staatlichen Duldung der vom Hoxhe ausgehenden Repressalien geht das Vorbringen des Beschwerdeführers, wenn er einerseits ausführt, die gegen den Hoxhe erstattete Anzeige wegen der Beschneidung seines Sohnes sei vom zuständigen Bezirkspolizeikommissariat in Tirana zurückgewiesen worden, und andererseits erwähnt - von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegeben -, die Heimatbehörden unterstützten ihn (gegen den Hoxhe) "in keinster Weise". Allerdings hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, daß der "ständige Druck des Hoxhe" sein Leben oder seine Freiheit gefährde oder ein solches Ausmaß erreiche, daß von einer unmenschlichen Behandlung (§ 37 Abs. 1 FrG) gesprochen werden müsse. Konkret angeführt hat der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nämlich nur eine öffentliche Beschimpfung und die gegen seinen Willen durchgeführte Beschneidung seines Sohnes. Was letzteres anlangt, so ist nicht zu sehen, inwieweit dem Beschwerdeführer Vergleichbares für den Fall seiner Abschiebung nach Albanien drohen könnte.
Als maßgeblichen Eingriff in seine persönliche Integrität hat der Beschwerdeführer den auf die Anzeige des Hoxhe zurückzuführenden Vorfall auf der Polizeistation im Juni 1995 geschildert. Ob in Anbetracht der - jeweils behauptetermaßen - dabei erlittenen Mißhandlungen und der anschließenden dreitägigen Anhaltung des Beschwerdeführers die Auffassung der belangten Behörde zu teilen ist, dabei könne "noch keinesfalls von einer Intensität gesprochen werden, wie sie vom § 37 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz verlangt wird", mag dahingestellt bleiben. Im Ergebnis kann der belangten Behörde nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf die Einmaligkeit dieses Vorfalles auf der Polizeistation und den daran anschließenden unbehelligten Aufenthalt des Beschwerdeführers in Albanien in der Dauer von knapp zwei Monaten nicht zu der Prognose gelangte, ihm werde für den Fall seiner Abschiebung nach Albanien dort neuerlich Derartiges widerfahren bzw. er sei einer Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG ausgesetzt. In diesem Zusammenhang sei nicht unerwähnt gelassen, daß der Beschwerdeführer in keiner Weise erkennen ließ, daß er die behaupteten Polizeiübergriffe bei den Behörden seines Heimatstaates zur Anzeige gebracht hätte oder daß eine derartige Anzeige wegen staatlicher Billigung dieser Polizeiübergriffe von vornherein aussichtslos gewesen wäre.
Da nach dem Gesagten § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG der Abschiebung des Beschwerdeführers nicht entgegensteht, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Dezember 1998
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