VwGH 97/17/0004

VwGH97/17/000426.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der B-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 20. Oktober 1995, Zl. MD-VfR - O 12/95, betreffend Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

AnzeigenabgabeG OÖ §1 Abs1;
AnzeigenabgabeG OÖ §1 Abs2 lita;
AnzeigenabgabeG OÖ §1;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §4 Abs3 Z1 idF 1991/013;
F-VG §7 Abs4;
VwRallg;
AnzeigenabgabeG OÖ §1 Abs1;
AnzeigenabgabeG OÖ §1 Abs2 lita;
AnzeigenabgabeG OÖ §1;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §1;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §4 Abs3 Z1 idF 1991/013;
F-VG §7 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der Eingabe vom 28. Dezember 1994 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die "Wiener Anzeigenabgabe für 1989 und das erste Halbjahr 1990 mit dem der Anzahl der insgesamt 28 (in eventu mehr) erhebungsberechtigten Gebietskörperschaften entsprechenden Bruchteil von 1/28stel (in eventu Bruch mit entsprechend größerem Nenner bei gleichbleibendem Zähler) festzusetzen und 27/28stel (in eventu entsprechend mehr) rückzuüberweisen". Die Beschwerdeführerin brachte vor, es sei auf Grund des Erscheinungsortes für ein bestimmtes Medienwerk in Wien im gesamten Zeitraum gemäß den Bestimmungen des Wiener Anzeigenabgabegesetzes (Wiener AnzAbgG) Anzeigenabgabe in Wien entrichtet worden. Wegen der gleichen Anzeigen bestehe auch eine Abgabepflicht nach dem Oberösterreichischen Anzeigenabgabegesetz (Oö AnzAbgG) in den im Antrag angeführten oberösterreichischen Gemeinden.

Mit Bescheid vom 26. Jänner 1995 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bruchteilsfestsetzung der Wiener Anzeigenabgabe für 1/89 bis 6/90 gemäß § 4 Abs. 3 Wiener AnzAbgG ab. Dies mit der Begründung, die erstmalige Verbreitung des Medienwerkes erfolge ausschließlich von Wien aus. Es treffe keiner der Tatbestände des § 4 Abs. 3 Wiener AnzAbgG auf eine andere inländische Gebietskörperschaft zu. Ein etwaiger Abgabenanspruch der Stadt Linz oder anderer oberösterreichischer Gemeinden nach dem Oö AnzAbgG auf Grund der erstmaligen Verbreitung des Medienwerkes in diesen Gemeinden begründe keinen Bruchteilsfestsetzungsanspruch nach dem Wiener AnzAbgG.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 20. Oktober 1995 wies die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1995 erhobene Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Anspruch auf Bruchteilsfestsetzung nach § 4 Abs. 3

Wiener AnzAbgG sei an das Vorliegen bestimmter, taxativ aufgezählter Tatbestände gebunden, die die Abgabepflicht gegenüber einer anderen erhebungsberechtigten Gebietskörperschaft oder mehreren solcher Gebietskörperschaften auslösten, wobei der Abgabenpflichtige das Vorliegen dieser Voraussetzungen nachzuweisen habe. Der Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 3 Wiener AnzAbgG sei nicht der Grundgedanke zu entnehmen, umfassend in jedem Fall eine Doppelbesteuerung mit anderen erhebungsberechtigten Gebietskörperschaften zu vermeiden. Die mit der Novelle LGBl. für Wien Nr. 13/1991 erfolgte Neufassung dieser Rechtsvorschrift bringe zum Ausdruck, eine Bruchteilsfestsetzung nur in denjenigen Fällen Platz greifen zu lassen, in welchen ein anderer Abgabengläubiger unter denselben Tatbestandsvoraussetzungen auf den jeweiligen Abgabengegenstand zugreife, wie sie im § 1 Abs. 2 des Wiener AnzAbgG umschrieben seien. Im § 4 Abs. 3 Z. 1 Wiener AnzAbgG sei daher analog zu § 1 Abs. 2 Wiener AnzAbgG ausschließlich auf Verbreitungsvorgänge abgestellt, die vom Gebiet der jeweiligen Gebietskörperschaft ihren Ausgang nehmen. Der Gesetzgeber habe eine Bruchteilsfestsetzung im Fall der Agabepflicht gegenüber einer anderen Gebietskörperschaft aufgrund der auf deren Gebiet bloß ihr Ziel findenden, nicht aber auch ihren Ausgang nehmenden Verbreitung eines Medienwerkes zwingend ausschließen wollen. Entgegen dem Dafürhalten der Beschwerdeführerin liege sohin eine - im Wege der Analogie zu schließende - Gesetzeslücke nicht vor. Über den "hilfsweise" gestellten Antrag auf Rückerstattung der gesamten Abgabe sei nicht zu entscheiden gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 30. September 1996, B 3622/95-6, ab. Mit weiterem Beschluß vom 8. Jänner 1997, B 3622/95-8, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Bruchteilsfestsetzung der Wiener Anzeigenabgabe rückwirkend ab dem im Antrag genannten Zeitpunkt verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Wiener AnzAbgG, LGBl. Nr. 22/1983 (Wiederverlautbarung)

in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung

LGBl. Nr. 13/1991, lautet im § 4 Abs. 3 wie folgt:

"Weist der Abgabepflichtige innerhalb der Verjährungsfrist nach, daß wegen der gleichen Anzeige auch Abgabepflicht gegenüber anderen inländischen Gebietskörperschaften besteht, so ist die Abgabe mit dem der Anzahl der erhebungsberechtigten Gebietskörperschaften entsprechenden Bruchteil festzusetzen, sofern sich die Abgabepflicht gegenüber der anderen erhebungsberechtigten Gebietskörperschaft darauf gründet, daß entweder

  1. 1. die Verbreitung des Medienwerkes von deren Gebiet aus erfolgt oder
  2. 2. der die Verbreitung des Medienwerkes besorgende Medieninhaber (Verleger) in deren Gebiet seinen Standort hat oder
  3. 3. die verwaltende Tätigkeit des die Veröffentlichung oder Verbreitung des Medienwerkes besorgenden Medieninhabers (Verlegers) vorwiegend in deren Gebiet ausgeübt wird.

    Ist die Abgabe für die gleiche Anzeige auf Grund gesetzlicher Bestimmungen der erhebungsberechtigten Gebietskörperschaften unterschiedlich hoch, unterliegt die Abgabe nur soweit der Teilung, als ansonsten eine Doppel- oder Mehrfachbesteuerung erfolgen würde. In diesem Fall hat neben der Bruchteilsfestsetzung eine Abgabenteilbetragsfestsetzung zu erfolgen. Die Abgabenbehörde hat die anderen erhebungsberechtigten Gebietskörperschaften hievon zu benachrichtigen."

Artikel II der Novelle LGBl. Nr. 13/1991 hat folgenden Wortlaut:

"Artikel II

(1) Dieses Gesetz tritt mit dem der Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft.

(2) Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind auf alle Anträge auf Bruchteilsfestsetzung der Anzeigenabgabe, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingebracht werden, anzuwenden."

Den Antrag auf Bruchteilsfestsetzung stellte die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom 28. Dezember 1994. Die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Wiener AnzAbgG idF LGBl. Nr. 13/1991 trat am 1. März 1991 in Kraft. Für die mit Antrag vom 28. Dezember 1994 geltend gemachten Ansprüche auf Bruchteilsfestsetzungen war daher nach Art. II Abs. 2 LGBl. Nr. 13/1991 das Wiener AnzAbgG in der Fassung LGBl. Nr. 13/1991 anzuwenden. Die belangte Behörde hat daher nicht gegen das Wiener AnzAbgG verstoßen, wenn sie auf Grund des Antrages vom 28. Dezember 1994 auf Bruchteilsfestsetzung der Anzeigenabgabe 1/89 bis 6/90 das Wiener AnzAbgG idF LGBl. Nr. 13/1991 anwendete.

Das Wiener AnzAbgG macht den Anspruch auf Bruchteilsfestsetzung von drei Typen von Abgabenansprüchen anderer Gebietskörperschaften abhängig, wobei im vorliegenden Fall der Sache nach von vornherein nur der erste im Gesetz genannte Fall in Frage kommen könnte. § 4 Abs. 3 Z. 1 Wiener AnzAbgG verlangt die Verbreitung des Medienwerkes vom Gebiet der erhebungsberechtigten Gebietskörperschaft aus. Die Verbreitung selbst ist aber nach dem Verständnis dieses Gesetzes mit der Übergabe des Medienwerkes an einen Dritten abgeschlossen. Das Medienwerk muß die Sphäre des die Verbreitung besorgenden Medieninhabers verlassen haben. Im vorliegenden Fall ist dies die Postaufgabe in Wien gewesen. Damit ist die Verbreitung im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 1 Wiener AnzAbgG abgeschlossen. Daß eine Verbreitung in diesem Sinne von einer oberösterreichischen Gemeinde aus erfolgt sei, ist vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Ein Abgabentatbestand, wie in § 4 Abs. 3 Z. 1 Wiener AnzAbgG vorgesehen hat, kann in Oberösterreich somit nicht verwirklicht worden sein. Die belangte Behörde hat daher die Anwendung der Bruchteilsfestsetzungsbestimmung zu Recht verneint.

Die Beschwerdeführerin sieht hinsichtlich der Bestimmungen über die Bruchteilsfestsetzung "eine verfassungskonforme gegebenenfalls auch reduzierte Auslegung" geboten, weil Zweck der Bruchteilsfestsetzung die Vermeidung einer Doppelbesteuerung sei.

Bei der verfassungskonformen Interpretation handelt es sich darum, daß im Zweifel kein Rechtsakt so zu verstehen ist, daß er fehlerhaft erscheint: Erscheint zunächst ein Gesetzestext in verschiedener Weise auslegbar, so engt sich die Wahl auf jene Auslegung (oder Auslegungen) ein, die das Gesetz verfassungskonform erscheinen lassen (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 135). Daß das Gesetz von der belangten Behörde verfassungswidrig ausgelegt worden wäre, weil eine Besteuerung der Anzeigen in ein und demselben Medienwerk in zwei Bundesländern erfolgte, ist nicht gegeben. Eine solche Doppelbesteuerung ist nämlich von Gesetzes wegen keineswegs ausgeschlossen (vgl. hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1964, Zl. 1417/63).

Die "hilfsweise" geltend gemachte Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht unterlassen, amtswegig die Einzelheiten hinsichtlich der Verbreitung der Medienwerke im Raum Oberösterreich (insbesondere Linz) zu erforschen, ob nicht auch die Verbreitung von Linz aus erfolgte, liegt nicht vor, weil der belangten Behörde eine unrichtige Rechtsansicht nicht angelastet werden kann, Anhaltspunkte für eine Verbreitung von Linz aus - dies im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 1 Wiener AnzAbgG, wie er oben dargestellt wurde - aber auch nicht vorlagen.

Soweit in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof auch die Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte behauptet wird, ist darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof hiefür nicht zuständig ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 327). Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß abgelehnt. Durch die in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Bestimmungen des Wiener AnzAbgG sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren zu beantragen, zumal die Beschwerdeführerin in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nur solche dem Verfassungsgerichtshof durch die Verfassungsgerichtshofbeschwerde bereits bekannt gewesene Argumente vorbringt. Auf die in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ausgeführten rechtspolitischen Anliegen war im Hinblick auf den vom Verwaltungsgerichtshof heranzuziehenden Prüfungsmaßstab einzugehen.

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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