Normen
AVG §58 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
AVG §58 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. September 1997 wurden der Antrag des Beschwerdeführers - eines türkischen Staatsangehörigen - vom 18. Juni 1996 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und der damit verbundene Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 iVm § 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer seit 1974 seinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich habe. Er erfülle damit die zeitlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG. Allerdings habe er am 23. September 1993 in Innsbruck seine Tochter durch Versetzen von Schlägen mit der Hand und mit dem Hosengürtel am Körper schwer verletzt und ihr dadurch den Bruch des kleinen Fingers an der linken Hand sowie mehrere Blutergüsse im Bereich des linken Knies, der linken Hüfte und des linken Oberarms zugefügt. Er sei deswegen vom Landesgericht Innsbruck wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB am 24. März 1994 zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 18.000,-- (90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bedingt auf drei Jahre verurteilt worden, dieses Urteil sei seit 6. August 1996 rechtskräftig. Bei Beurteilung der Tathandlung falle auf, daß der gegenständliche Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft knapp zwei Monate vor Rechtskraft des Strafurteils gestellt worden und die dreijährige Probezeit noch nicht einmal verstrichen sei. Zudem gehe aus dem ermittelten Sachverhalt hervor, daß sich der Beschwerdeführer Verstöße gegen Bestimmungen zum Schutz der körperlichen Sicherheit zuschulden habe kommen lassen, wobei als besonders schwerwiegend und verwerflich gewertet werden müsse, daß er gegen seine eigene Tochter vorgegangen sei und Handlungen gesetzt habe, die mit Verletzungsfolgen verbunden gewesen seien. Die erörterten Umstände seien so gravierend, daß bei entsprechender Möglichkeit eine Wiederholung unrechten Handelns "auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden könne". Das geschilderte Verhalten lasse die negative Einstellung des Beschwerdeführers, vor allem aber sein mangelndes Verantwortungsbewußtsein in deutlicher Weise zum Ausdruck kommen. Davon ausgehend stehe seinem Begehren auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG entgegen.
Da die Erstreckung der Verleihung nur gemeinsam mit der Verleihung selbst erfolgen könne, müsse auch der Erstreckungsantrag der Ehegattin des Beschwerdeführers abgewiesen werden, ohne daß auf einen laut Strafverfügung des Bezirksgerichtes Hall begangenen Ladendiebstahl Bezug genommen werden müßte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und die weiteren Verleihungsvoraussetzungen nach den Z. 2 bis 8 dieses Absatzes vorliegen. Insbesondere darf gemäß Z. 6 die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der nach der letztgenannten Bestimmung vorzunehmenden Beurteilung der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften mißachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. März 1998, Zl. 97/01/0433).
Der belangten Behörde ist zuzugestehen, daß bei der demnach zu erstellenden Prognose bezüglich des erwartbaren zukünftigen Verhaltens des Staatsbürgerschaftswerbers zu seinen Lasten insbesondere gerichtlich strafbare Handlungen gegen die körperliche Unversehrtheit zu berücksichtigen sind. Ihr kann weiters nicht entgegengetreten werden, wenn sie die ausreichend konkret dargestellte Tathandlung grundsätzlich als schwer beurteilte. Daran vermögen auch die in der Beschwerde angeführten "Milderungsgründe" nichts zu ändern, zumal einer Neubewertung der vom Beschwerdeführer verwirklichten Straftat die Rechtskraft der gerichtlichen Verurteilung entgegensteht.
Es darf allerdings nicht außer acht gelassen werden, daß der Beschwerdeführer schon seit 1974 seinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich hat. Während seines somit im Zeitpunkt der Bescheiderlassung rund 23-jährigen inländischen Aufenthalts hat er sich mit Ausnahme der festgestellten Mißhandlung seiner, nach Ausweis der Verwaltungsakten zum Tatzeitpunkt knapp 17-jährigen Tochter wohl verhalten. Die in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachte Ansicht, es habe sich dabei um eine einmalige Verfehlung gehandelt, die nicht den Schluß zulasse, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilde, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Dabei ist mitzuberücksichtigen, daß die Tathandlung bereits 1993 gesetzt worden ist. Im Hinblick darauf erforderte die von der Behörde getroffene Prognose aber ergänzende Anhaltspunkte; im Falle der Begehung einer einzigen strafbaren Handlung, die deutlich unter der Schwelle des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG geahndet wurde, während eines über 20-jährigen unbeanstandeten Aufenthalts in Österreich, wobei die Tathandlung bereits mehrere Jahre zurückliegt, wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, anzuführen, warum sie trotzdem zu dem Schluß gekommen ist, der Einbürgerungswerber werde im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auch in Zukunft wesentliche Rechtsbrüche begehen (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation das hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 92/01/0852). Die Argumentation der belangten Behörde, es falle auf, daß die Staatsbürgerschaft knapp zwei Monate vor Rechtskraft des Urteils des Landesgerichtes Innsbruck und vor Ablauf der in diesem Urteil festgesetzten Probezeit beantragt worden sei, gibt in diese Richtung nichts her. Es bleibt unklar, welche Schlußfolgerungen daraus in bezug auf das künftige Verhalten des Beschwerdeführers gezogen werden können. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß das gegenständliche Urteil, wie dem angeschlossenen Gerichtsakt zu entnehmen ist, bereits am 28. März 1994 - und damit mehr als zwei Jahre vor Einbringung des gegenständlichen Antrages - in Rechtskraft erwachsen ist; mit 6. August 1996 ist bloß die Rechtskraftbestätigung auf der der belangten Behörde übermittelten Urteilsausfertigung datiert.
Unzutreffend ist es ferner, wenn dem Beschwerdeführer bei Begründung der Prognoseentscheidung "Verstöße" gegen Bestimmungen zum Schutze der körperlichen Sicherheit zum Vorwurf gemacht werden; außer der schon mehrfach erwähnten Mißhandlung seiner Tochter im Jahre 1993 mit Verletzungsfolge vermochte die Behörde keine Angriffe gegen die körperliche Integrität anderer Personen festzustellen.
Indem die belangte Behörde nach dem Vorgesagten auf dem Boden der getroffenen Feststellungen zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer erfülle die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer steht neben dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand nicht zu.
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