VwGH 96/19/3435

VwGH96/19/343522.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1959 geborenen O B in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Oktober 1996, Zl. 120.171/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufGNov 1995;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §30 Abs2;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufGNov 1995;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Oktober 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Mai 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz durch seinen Rechtsvertreter bei der erstinstanzlichen Behörde am 25. April 1996 eingereicht. Der Beschwerdeführer habe in seinem Antragsformular als Datum den 7. März 1996 und als Ort der Antragstellung Wien angegeben. Er habe sich somit zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Nach Auffassung der belangten Behörde stehe weiters fest, daß der vom Beschwerdeführer am 1. März 1995 gestellte Asylantrag in erster Instanz negativ beschieden worden und das Verfahren über die dagegen eingebrachte Berufung noch nicht abgeschlossen sei. Der Beschwerdeführer verfüge jedoch über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich nach dem Asylgesetz. Bis zum 6. März 1996 sei ihm ein Abschiebungsaufschub gewährt worden. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, daß er zwar am 22. November 1995 eine Österreicherin geehelicht habe, in Österreich einer geregelten Beschäftigung nachgehe und daher im Bundesgebiet jedenfalls private und familiäre Beziehungen bestünden. Zu der Ehe des Beschwerdeführers sei jedoch festzuhalten, daß bereits eine Ehenichtigkeitsklage bei Gericht anhängig sei, weil der Verdacht bestehe, daß der Beschwerdeführer die Ehe nur geschlossen habe, um fremdenrechtliche Vorteile daraus zu ziehen. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen und der gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers im Rahmen des Art. 8 MRK sei aufgrund des genannten Sachverhaltes jedenfalls den öffentlichen Interessen Vorrang einzuräumen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (18. Oktober 1996) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach Inkraftreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, sowie die am 22. Dezember 1995 ausgegebene Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lautet auszugsweise:

"§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 4 Z. 2 und 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lautet:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz, die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

§ 15 Abs. 1 FrG, BGBl. Nr. 838/1992, lautet:

"§ 15. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

  1. 1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
  2. 2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder
  3. 3. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.

    ..."

Da der Beschwerdeführer weder nach seinem eigenen Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht als Erstantrag. Unbestritten bleibt auch die Feststellung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügte.

Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin berechtigt zu sein, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Inland aus zu stellen.

Dem ist zu entgegnen, daß gemäß § 4 Z. 2 der im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangenden Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lediglich solche Angehörige österreichischer Staatsbürger zur Antragstellung im Inland berechtigt sind, die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde. Daß diese Voraussetzungen sachverhaltsbezogen vorliegen, wird in der Beschwerde nicht behauptet und ergeben sich hiefür auch nach dem Inhalt der Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte. Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Ausnahmetatbestand des § 4 Z. 4 der genannten Verordnung berufen: selbst sei Vorliegen einer der in dieser Bestimmung genannten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen - hiefür bestehen allerdings weder nach der Aktenlage noch nach dem Beschwerdevorbringen Anhaltspunkte - sind nur solche Fremde zur Inlandsantragstellung berechtigt, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten. Diese Voraussetzung ist beim Beschwerdeführer jedenfalls nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Inland aus gestellt habe.

Werden die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht erfüllt, so führt dies nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwingend zur Abweisung eines Antrages auf Aufenthaltsbewilligung, falls nicht ausnahmsweise eine Antragstellung vom Inland aus zulässig ist, was jedoch - wie dargestellt - nicht zutrifft.

Der Beschwerdeführer bringt vor, sein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich ergebe sich aus dem Umstand, daß seiner Beschwerde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Zl. AW 96/21/0593 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.

Nach der Aktenlage liegt diesem, zur hg. Zl. 96/21/0829 protokollierten Verfahren ein Bescheid zugrunde, mit dem dem Antrag des Beschwerdeführers vom 7. Mai 1996 auf Abschiebungsaufschub gemäß § 36 Abs. 2 FrG keine Folge gegeben wurde. Mit Beschluß vom 24. Oktober 1996 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, stattgegeben. Selbst wenn der belangten Behörde schon aus zeitlichen Gründen eine Bedachtnahme auf diesen Beschluß vom 24. Oktober 1996 möglich gewesen wäre - die Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolge bereits am 18. Oktober 1996 - wäre daraus für den Beschwerdeführer nichts gewonnen: die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in einem Verfahren betreffend Abschiebungsaufschub ist keine vom Inland aus verlängerungsfähige Bewilligung i.S. des § 6 Abs. 2 letzter Satz AsylG (vgl. dazu das zu einer während eines Vollstreckungsaufschubes vom Inland aus erfolgten Antragstellung ergangene hg. Erkenntnis vom 7. November 1997, Zl. 95/19/0991).

Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf seine familiären und privaten Interessen in Österreich, die darin bestünden, daß er mit einer Österreicherin verheiratet sei. In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer geltend, daß seitens seiner Ehegattin zwar eine Scheidung angestrebt werde, die von der belangten Behörde angeführte Ehenichtigkeit liege hingegen nicht vor.

Diesbezüglich ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Aufenthaltsgesetznovelle 1995 mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2

3. Satz AufG in Ansehung von Angehörigen österreichischer Staatsangehöriger auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, 95/19/0845).

Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung nur auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:

Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, sowohl abgewiesene Asylwerber, als auch Asylwerber während der Dauer ihres Asylverfahrens in Ansehung ihrer persönlichen Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Eine Einschränkung eines - allenfalls bestehenden - durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung familiärer Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. die hg. Erkenntisse vom 8. August 1997, Zl. 96/19/1533, und vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593). Aus diesen Erwägungen kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob allenfalls im betreffenden Verfahren eine Ehenichtigkeit festgestellt würde oder nicht.

Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, die belangte Behörde hätte es verabsäumt, Feststellungen betreffend das Verfahren über die Nichtigkeit der Ehe des Beschwerdeführers zu treffen, und sie sei diesbezüglich lediglich von Vermutungen ausgegangen, so ist ihm zu entgegnen, daß aufgrund der vorgenannten Erwägungen solche Feststellungen nicht zu einem anderen Bescheid zu führen vermögen, weshalb auch dieses Vorbringen der Beschwerde nicht zum Durchbruch verhelfen kann.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus dem Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 Abstand genommen, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 MRK dem nicht entgegensteht.

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