VwGH 96/19/1778

VwGH96/19/177826.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1985 geborenen BT, vertreten durch seinen Vater RT, dieser vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1995, Zl. 302.907/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §60;
AVG §67;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §60;
AVG §67;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. März 1995, bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt am 19. April 1995, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Dies wurde damit begründet, daß der Vater des Beschwerdeführers den Lebensunterhalt mit einem Einkommen von S 14.000,-- brutto und einer Miete von S 4.500,-- für eine vierköpfige Familie nicht sichern könne.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der darauf hinwies, durch eine Lebensgefährtin seines Vaters finanziell unterstützt zu werden. An seiner Adresse sei nur er, sein Bruder und sein Vater gemeldet, daher hielten sich nur drei Personen in der Wohnung auf.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. September 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, die Behauptung der finanziellen Unterstützung durch die Lebensgefährtin sei durch keinerlei Unterlagen belegt worden. Der Vater des Beschwerdeführers lebe getrennt von seiner Lebensgefährtin. Die Einwendungen in der Berufung hätten nicht belegen können, aus welchen Gründen die Ermessensausübung der Behörde bei der Beurteilung des gesicherten Lebensunterhaltes gesetzwidrig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer sei somit seiner Pflicht am Verfahren entsprechend mitzuwirken, nicht ausreichend nachgekommen. Gerade die Notwendigkeit in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, daß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne und dabei eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten stattzufinden habe. Diese Abwägung habe im Fall des Beschwerdeführers ergeben, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Priorität einzuräumen gewesen sei, weil die Unterhaltsmittel in der Höhe von S 14.000,-- brutto nicht als ausreichend zu betrachten seien, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes hätte der Sozialversicherungsträger Geldmittel zuschießen müssen. Obige Erwägung bezüglich der Belastung des Sozialhilfeträger des Bundeslandes Wien sei auch im abweislichen Bescheid der Behörde erster Instanz begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb der vorliegende Antrag nicht als Verlängerungsantrag anzusehen war und § 113 Abs. 6 bzw. 7 des Fremdengesetzes 1997 im Beschwerdefall nicht zur Anwendung gelangt.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 95/19/1416). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde gehen auf Grundlage eines im Verfahren betreffend den Bruder des Beschwerdeführers vorgelegten Beleges über den Unterhalt ihres Vaters davon aus, daß dieser S 14.000,-- brutto ins Verdienen bringt. Der Vater des Beschwerdeführers hat darüberhinaus vorgebracht, entgegen der Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz nicht für eine vier-, sondern nur für eine dreiköpfige Familie (für sich und seine zwei Söhne) sorgen zu müssen. Mit diesem Vorbringen hat sich die Berufungsbehörde nicht auseinandergesetzt.

So wird im angefochtenen Bescheid weder festgestellt, für wie viele Personen der monatliche Verdienst des Vaters des Beschwerdeführers als Unterhalt ausreichen müsse, noch wird angegeben, von welcher Höhe der dem Vater des Beschwerdeführers tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel ausgegangen wird. Die belangte Behörde nennt lediglich den Brutto-Betrag des Verdienstes des Vaters des Beschwerdeführers und meint, es ergebe sich somit bei Gegenüberstellung mit dem - ziffernmäßig nicht dargestellten - Sozialhilferichtsatz, daß der Sozialversicherungsträger Geldmittel zuschießen müßte. Feststellungen darüber, in welcher Höhe sich das Nettogehalt des Beschwerdeführers angesichts der angegebenen Bruttosumme bewegt, von welcher Höhe der Mietzahlung die belangte Behörde ausgeht, ob im gegenständlichen Fall Familienbeihilfe bzw. Sonderzahlungen berücksichtigt wurden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561) fehlen zur Gänze. Daher ist nicht erkennbar, auf welchen Sachverhalt sich die belangte Behörde stützt, wenn sie hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Mittel für die Dauer der angestrebten Bewilligung zur Auffassung gelangte, daß diese zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht ausreichend seien. Der angefochtene Bescheid ist aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Schließlich spricht die belangte Behörde am Beginn ihres Bescheides davon, daß die Berufungsausführungen nicht belegen hätten können, aus welchen Gründen die Ermessensausübung der Behörden einer Instanz gesetzwidrig gewesen sei und bringt damit zum Ausdruck, § 5 Abs. 1 AufG räume der Behörde Ermessen ein. Dabei übersieht sie, daß es sich beim Begriff des für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesicherten Lebensunterhaltes um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handelt und nicht um die Einräumung von Ermessen an die Behörde durch den Gesetzgeber (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 1996, B 2053/95-6). Dadurch, daß die belangte Behörde annahm, § 5 Abs. 1 AufG räume ihr Ermessen ein, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Ersatz von nicht näher bezeichneten Barauslagen; dem Beschwerdeführer stand unter Berücksichtigung der auch im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Stempelgebühren gewährten Verfahrenshilfe lediglich der Ersatz des Schriftsatzaufwandes in der Höhe S 12.500,-- zu.

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