VwGH 96/19/0529

VwGH96/19/052919.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1994 geborenen A H, vertreten durch die Mutter M H, beide in Wien, letztere vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Mai 1995, Zl. 301.116/4-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §2;
SHV Richtsätze Wr 1973 §1 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FamLAG 1967 §2;
SHV Richtsätze Wr 1973 §1 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte, vertreten durch seine Mutter, am 4. Oktober 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes gab er "Karenzgeld d. Mutter" an, und zwar in der Höhe von S 201,10 täglich.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 1995 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der angestrebten Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Begründend wurde ausgeführt, da die Mutter des Beschwerdeführers lediglich Karenzurlaubsgeld in der Höhe von S. 201,10 täglich beziehe, sei mit diesem Einkommen der Lebensunterhalt in Österreich für drei Personen nicht gesichert.

Die dagegen erhobene Berufung, in der die Mutter des Beschwerdeführers vorbrachte, sie habe vergessen, eine Lohnbestätigung ihres Lebensgefährten, mit dem sie im gleichen Haushalt lebe, beizulegen, wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 4. Mai 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Notwendigkeit, in einem sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes eine Bewilligung nicht erteilt werden. Diese Beurteilung zeige im Fall des Beschwerdeführers, daß einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S. 7.514,-- exklusive Miete gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien tatsächlich S 201,10 täglich, die von ihm aufgebracht werden könnten, gegenüber stünden. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Der vom Beschwerdeführer beigebrachte Nachweis zur Sicherung seines Unterhaltes durch den Lebensgefährten seiner Mutter habe nicht berücksichtigt werden können, weil eine solche Finanzierung seines Aufenthaltes durch Dritte ohne Gegenleistung nicht glaubwürdig sei und auch nicht geeignet sei, die dauernde Sicherung seines Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten.

Überdies sei auch keine Verpflichtungserklärung beigebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde,

über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen

Bescheides (die Zustellung erfolgte am 22. Mai 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 1 Abs. 1 der aufgrund des § 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 50/1993, erlassenen Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973 in der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 68/1994 (im folgenden: Wiener Sozialhilfeverordnung), lautete:

"§ 1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

1. Für den Alleinunterstützten..............S 4.770,--

2. Für den Hauptunterstützten...............S 4.652,--

  1. 3. Für den Mitunterstützten
    1. a) ohne Anspruch auf Familienbeihilfe....S 2.388,--
    2. b) mit Anspruch auf Familienbeihilfe.....S 1.431,--"

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, daß er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 leg. cit. vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561 mwN).

Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, hat sich die belangte Behörde bei ihrer Feststellung eines Unterhaltsbedarfes des Beschwerdeführers von S 7.514,-- am Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien orientiert und dabei offenbar die in § 1 Abs. 1 der Wiener Sozialhilfeverordnung festgelegten Richtsätze herangezogen. Eine derartige Vorgangsweise ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Blickwinkel der Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Allerdings ging die belangte Behörde im vorliegenden Fall von einem Gesamtbedarf aus, der sich aus dem Betrag für einen Hauptunterstützten sowie zwei Mitunterstützte mit Anspruch auf Familienbeihilfe errechnet. Die Behörde kann sich freilich im Regelfall nur, wie das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997 zeigt, an jenem Gesamtbetrag orientieren, welcher nach Auffassung der Wiener Landesregierung bei Erlassung des Sozialhilferichtsatzes für 1996 zur Deckung des in § 13 Abs. 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes umschriebenen Bedarfes für einen Haupt- und zwei Mitunterstützte auch dann ausreichend ist, wenn für die Mitunterstützten keine Familienbeihilfe bezogen wird. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall jedoch einen Unterhaltsbedarf von (nur) S 7.514,-- festgestellt. Da es sich bei der Festlegung des Unterhaltsbedarfes eines Fremden nicht bloß um eine Frage der rechtlichen Beurteilung handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, Zl. 97/19/0709), ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, eine diesbezügliche Bescheidfeststellung zu lasten des Beschwerdeführers zu korrigieren.

Dem von ihr festgestellten Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde sämtliche Unterhaltsmittel gegenüberzustellen gehabt, über die der Beschwerdeführer (bzw. seine Mutter) verfügt. Die belangte Behörde ging - wie gesagt - davon aus, daß die Mutter des Beschwerdeführers über einen Anspruch auf Karenzgeld in der Höhe von S 201,10 pro Tag und über einen Anspruch auf Familienbeihilfe für zwei Mitunterstützte verfügt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen jedoch auch Ansprüche auf Familienbeihilfe bei der Beurteilung der einem Niederlassungswerber zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel zu berücksichtigende Ansprüche dar (vgl. neuerlich in diesem Sinne das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997), und zwar auch dann, wenn die Behörde die Sozialhilferichtsätze für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe heranzieht. Bei Einbeziehung von Familienbeihilfe für zwei Kinder (gemäß § 8 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 297, je S 1.300,--) ergäbe sich im Zusammenhang mit dem Karenzgeldanspruch der Mutter von ca. S 6.030,-- pro Monat ein Betrag, der deutlich höher wäre als der von der belangten Behörde festgestellte, zur Sicherung des Unterhaltsbedarfes des Beschwerdeführers erforderliche Betrag.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden. Art. 6 Abs. 2 MRK steht dem nicht entgegen.

Wien, am 19. November 1998

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