VwGH 96/15/0183

VwGH96/15/018310.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des K T, vertreten durch Dr. Klaus Fischer, Rechtsanwalt in Dornbirn, Marktstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 26. Juni 1996,Zl. 972-2/94, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 1985) und Einkommensteuer 1985 bis 1990, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Beschwerdeführer wurde für die Jahre 1985 bis 1990 eine Prüfung nach § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführt. Dabei wurde die Feststellung getroffen, er habe im Prüfungszeitraum vier Wohnsitze unterhalten, und zwar in Österreich (Lochau und Lech), in Deutschland (Scheidegg) und in der Schweiz (Au). Das Finanzamt gelangte zur Auffassung, der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers befinde sich in Österreich, woraus sich entsprechende Konsequenzen hinsichtlich der Besteuerung seines Einkommens ergäben.

Dieser Auffassung entsprechend wurden - für 1985 nach Wiederaufnahme des Verfahrens - Einkommensteuerbescheide erlassen.

Über die gegen diese Bescheide eingebrachte Berufung sprach die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt:

Im Jahre 1975 habe der Beschwerdeführer sein in Österreich betriebenes Produktionsunternehmen eingestellt. In der Folge habe er die Produktion durch die W-AG betrieben, eine AG mit Sitz in Au in der Schweiz, deren alleiniger Gesellschafter er gewesen sei. In den Vertrieb der hergestellten Produkte sei die "Einzelfirma" TK des Beschwerdeführers - deren Standort befinde sich ebenfalls in Au - eingebunden gewesen; dieses Unternehmen sei am 1. Jänner 1987 in die TK-AG eingebracht worden. Noch 1987 habe der Beschwerdeführer die Aktien an der W-AG und der TK-AG seinem Sohn Andreas übertragen. 1987 sei in Liechtenstein die F-Anstalt gegründet worden; wenn auch die Gründerrechte formal dem Schwiegersohn des Beschwerdeführers zugestanden seien, sei die Anstalt in Wahrheit doch dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Das gehobenen Ansprüchen entsprechende, im Alleineigentum des Beschwerdeführers stehende Gebäude in Lochau bestehe aus zwei Erdgeschoßwohnungen (359 m2 und 72 m2), einem Büro im Obergeschoß (76 m2) sowie einer Garage (33 m2). Die Wohnfläche umfasse - abgesehen von den Sanitär-, Büro- und Kellerräumen - 16 Räume. Der Beschwerdeführer habe dort im Streitzeitraum für mindestens 29 Kalendermonate Hausgehilfinnen beschäftigt gehabt. Ohne Zweifel sei dieses Objektes in Lochau als ein Wohnsitz des Beschwerdeführers anzusehen. Dies gelte aber auch für das Anwesen in Lech. Einer Aussage des Beschwerdeführers vom 13. März 1991 sei zu entnehmen, daß er "gerade drei Monate Lechaufenthalt hinter sich" habe. Eine Haushälterin des Beschwerdeführers habe ausgesagt, er habe sich von Weihnachten bis Ostern regelmäßig in Lech aufgehalten. Es sei daher auch die Wohnung in Lech als Wohnsitz im steuerlichen Sinn anzusehen. Verfüge ein Steuerpflichtiger über Wohnsitze in mehreren Staaten, so komme es bei Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen an. Zu dieser Frage habe der Beschwerdeführer bzw sein Vertreter im Laufe des Verfahrens zu nachstehend genannten Zeitpunkten Äußerungen abgegeben:

13. März 1991: Nach dem Dafürhalten des Beschwerdeführers befinde sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Scheidegg. Dort verbringe er die meiste Zeit. Er wohne und schlafe in Scheidegg, sofern er nicht beruflich anderweitig verpflichtet sei. Die Wintermonate verbringe er üblicherweise in Lech; so habe er gerade drei Monate Lechaufenthalt hinter sich.

26. März 1991: Da sich der Beschwerdeführer in der Zwischensaison nur sehr selten in Lech aufhalte, habe er dem dortigen Postamt den Auftrag gegeben, die Post nach Lochau nachzusenden. 8. August 991: Während des Prüfungszeitraumes 1985 bis 1989 habe der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz im landwirtschaftlichen Betrieb in Scheidegg gehabt.

17. September 1991: Der Beschwerdeführer sei seit seiner Pensionierung Nebenerwerbslandwirt. Sein persönliches und wirtschaftliches Lebensinteresse liege eindeutig in Scheidegg. 18. September 1991: Der Beschwerdeführer gehöre seit vielen Jahren diversen Vereinen in der BRD an; der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich in Scheidegg.

22. Juni 1992: Nach Abschluß der Aufbauarbeiten hinsichtlich der vom Beschwerdeführer gegründeten W-AG in der Schweiz sei er auf seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Scheidegg übersiedelt. Er sei nach den Angaben des deutschen Steuerberaters in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Im Hinblick auf seine persönliche Neigung habe er sicher die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen an seinen Hauptwohnsitz (in Scheidegg).

3. Mai 1993: Die Angabe des deutschen Steuerberaters betreffend die unbeschränkte Steuerpflicht (in Deutschland) sei falsch; der Beschwerdeführer sei in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig. Aufgrund der vorgelegten Beweise könne der Hauptwohnsitz nur in Deutschland oder in der Schweiz liegen, niemals aber in Österreich.

Erhebungen der belangten Behörde hätten ergeben, daß der Beschwerdeführer beim Finanzamt in Deutschland als beschränkt Steuerpflichtiger bis 1984 mit Einkünften aus der Landwirtschaft erfaßt gewesen sei. Das Anwesen in Scheidegg bestehe aus zwei Wirtschafts- und einem Wohngebäude. Das Obergeschoß des Wohngebäudes werde von einem Verwalterehepaar und dessen Kindern bewohnt. Bei einer Besichtigung im August 1991 seien von den drei im Erdgeschoß gelegenen Räumen zwei vollkommen leer, der dritte aber mit Gegenständen (Spielzeug) des Verwalterehepaares belegt gewesen; Bad und Küche hätten den Eindruck vermittelt, daß sie schon lange nicht mehr benützt worden seien. Am 21. Jänner 1993 habe die Steuerfahndungsstelle Kempten eine Hausdurchsuchung auf dem landwirtschaftlichen Anwesen in Scheidegg durchgeführt; dabei habe die angebliche Wohnung des Beschwerdeführers im Parterre des Wohnhauses einen unbewohnten Eindruck vermittelt. Der von 1978 bis 1988 auf dem Anwesen in Scheidegg tätige Verwalter habe erklärt, daß der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum höchstens fünfmal in Scheidegg übernachtet habe. In einer Einvernahme vor dem Finanzamt Kempten vom 27. Oktober 1993 habe der Beschwerdeführer angegeben, es sei ihm in Scheidegg bis zu dem im Jahr 1990 erfolgten Umbau ein Schlafzimmer im Erdgeschoß zur Verfügung gestanden, welches er fallweise zur Übernachtung benutzt habe. Seine Wohnung habe sich aber in Au in der Schweiz befunden. Er sei der Ansicht, daß zumindest bis zum Jahr 1990 kein steuerlicher Wohnsitz in Deutschland bestanden habe. Auch in Österreich verfüge er nicht über eine Wohnsitz. Bei einer "über Ersuchen der Leitenden Oberstaatsanwältin beim Landgericht Augsburg" durch das Bezirksgericht Bregenz verfügten Hausdurchsuchung im Objekt in Lochau seien ua im Umkleideraum des Hauses 128 Hemden, 32 Anzüge und 8 Mäntel vorgefunden worden. Die Finanzstrafbehörde habe die im streitrelevanten Zeitraum in Lochau beschäftigt gewesenen Haushälterinnen einvernommen. Nach Aussage von MR (beschäftigt von Dezember 1982 bis März 1986) habe der Beschwerdeführer im Regelfall in Lochau gewohnt und genächtigt. Er und seine Söhne seien normalerweise beim Frühstück anwesend gewesen. Er habe auch das Mittagessen in Lochau eingenommen. Einen Tag vor Weihnachen sei der Beschwerdeführer mit seiner Familie stets nach Lech übersiedelt und dort bis um die Osterfeiertage verblieben. Nach der Aussage der HD (beschäftigt im Juni 1986) sei der Beschwerdeführer während der Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses in Lochau anwesend gewesen. Nach der Aussage von HU (beschäftigt von Dezember 1986 bis Mai 1987) sei der Beschwerdeführer zum Frühstück und zumeist auch zum Mittagessen anwesend gewesen. Er habe die Haushaltseinkäufe getätigt und zumeist auch die Wochenenden in Lochau verbracht. Die (seit April 1990 beschäftigte) CS sei lediglich stundenweise zum Bügeln und Waschen in Lochau gewesen und habe keine Aussage darüber machen können, ob der Beschwerdeführer regelmäßig in Lochau übernachte. Der seit 1990 mit der Postzustellung befaßte Postbedienstete habe erklärt, der Beschwerdeführer sei regelmäßig in Lochau anzutreffen gewesen. Nach Ansicht der belangten Behörde konzentrierten sich die persönlichen Beziehungen des Beschwerdeführers in den Streitjahren auf Lochau. Dort befinde sich das nach seinen Bedürfnissen errichtete Einfamilienhaus, wo er regelmäßig wohne und nächtige. Seiner Leidenschaft, dem Reiten, gehe er mit einem Bekannten im nahegelegenen Bregenz nach. Bis zum Frühsommer des Jahres 1987 habe der Beschwerdeführer in Lochau eine Haushälterin beschäftigt gehabt, deren Aufgabe ua in der Zubereitung von Mahlzeiten (Frühstück und Mittagessen), dem Reinigen der Schmutzwäsche und dem Aufräumen, sohin in den mit einem auf Dauer angelegten Wohnsitz verbundenen Arbeiten, bestanden habe. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren über Jahre hinweg behauptet, der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich in Deutschland (Scheidegg); erst nach Abklärung dieser Frage im Rechtshilfeweg unter Einschaltung der deutschen Behörden sei der Beschwerdeführer von dieser Darstellung abgerückt. In Wahrheit sei dem Beschwerdeführer in Scheidegg bestenfalls ein Schlafzimmer für gelegentliche Übernachtungen zur Verfügung gestanden. Seine ursprüngliche Verantwortung, er sei nach dem Aufbau der W-AG nach Scheidegg übersiedelt, Scheidegg sei seit 1979 sein "Hauptwohnsitz", dort befänden sich seine wirtschaftlichen und persönlichen Lebensinteressen, erweise sich - das bekenne er nunmehr selbst ein - als nicht stichhaltig. Wenn der Beschwerdeführer aus Au weggezogen, in Scheidegg aber keine Wohnsitz begründet habe, so könne nur der verbleibende (primäre) Wohnsitz im Inland sein Lebensmittelpunkt sein. Formell habe der Beschwerdeführer die Aufgabe des Wohnsitzes in Au (Wohnfläche 170 m2) im Juli 1987 der Schweizer Meldebehörde mit dem Vermerk "Wegzug nach Scheidegg/BRD" bekanntgegeben. Daraus leite die belangte Behörde ab, daß er in der Schweiz wenigstens zeitweise über eine Wohngelegenheiten verfügt habe, mit Übergabe des Betriebes an den Sohn im Jahr 1987 aber auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu diesem Ort reduziert habe. Seine persönlichen Schwerpunkte seien ohnedies schon vorher in Lochau gelegen gewesen. Nach dem Wegfall des in der Argumentation immer wieder ins Treffen geführten "Mittelpunktes Scheidegg" behaupte der Beschwerdeführer nunmehr (seit der Vernehmung vom 27. Oktober 1993 vor dem Finanzamt Kempten), der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich in Au. Diesem Vorbringen könne die belangte Behörde schon angesichts der bisherigen Behauptungen betreffend Scheidegg nicht beitreten. Selbst wenn im Streitzeitraum ein Wohnsitz in Au bestanden haben sollte, komme als Zentrum der persönlichen Lebensumstände nur Lochau in Betracht. Die vordergründig nur bis 1987 aufrechten wirtschaftlichen Interessen in Au könnten nichts daran ändern, daß der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Lochau liege. Nach Ansicht der belangten Behörde verfolgte der Beschwerdeführer mit der Behauptung, der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich im Ausland, ausschließlich die Strategie, inländische Besteuerungsrechte zu verschleiern. Es sei eine "Krediteinzelbesprechung" vom 30. August 1988 mit einer deutschen Bank aufgefunden worden, in welcher das Objekt in Lochau als Hauptwohnsitz bezeichnet werde. Als im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende Indizien seien auch die Visitenkarten mit dem Aufdruck "Lochau" sowie der Umstand der Hundehaltung in Lochau - diese erfordere eine tägliche, wenn auch nicht persönliche Fütterung - und das Recht des Beschwerdeführers auf einen Bootsanliegeplatz in Lochau zu erwähnen. Die belangte Behörde gelange zum Ergebnis, der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers sei bei seiner Wohnung in Lochau gelegen gewesen.

Das Finanzamt habe in der Berufungsvorentscheidung die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor allem auf die Geldeingänge auf das Konto des Beschwerdeführers bei der A-Bank in Bregenz, Kto-Nr 25/00, gestützt. Im Vorlageantrag habe der Beschwerdeführer keine Einwendungen gegen diese Schätzung vorgetragen. Die W-AG weise in ihren Bilanzen der Jahre 1984, 1986 und 1987 ständig steigende Verbindlichkeiten gegenüber dem Beschwerdeführer (auf einem Verrechnungskonto) aus; die Entwicklung dieses Kontos nach dem Jahr 1987 sei für die belangte Behörde mangels Vorlage von Unterlagen nicht nachvollziehbar. Sie halte die Verantwortung des Beschwerdeführers, die Entwicklung des Verrechnungskontos gehe darauf zurück, daß seine - in die USA übersiedelte - Tochter Einlagen in die W-AG getätigt habe, für unglaubwürdig. Es sei zwar auch der belangten Behörde bekannt, daß im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär möglich sei; sollte der Tochter des Beschwerdeführers eine solche Karriere geglückt sein, so wäre dies aber der Behörde nachzuweisen gewesen. Überdies sei es nicht nachvollziehbar, warum die Tochter Gelder in Millionenhöhe unverzinslich einer Gesellschaft überlassen haben sollte, an der sie nicht beteiligt sei. Daß der Beschwerdeführer Gläubiger der Forderung gegenüber der W-AG gewesen sei, ergebe sich auch daraus, daß er sie in den Steuererklärungen gegenüber dem Gemeindesteueramt Au als "Guthaben des Privatvermögens" ausgewiesen habe. Das Finanzamt habe auch die Feststellung getroffen, daß die W-AG in den Jahren 1985 bis 1990 private Aufwendungen des Beschwerdeführers beglichen habe, ohne daß Vereinbarungen über die Rückzahlung der Beträge geschlossen worden wären. Die W-AG habe der F-Anstalt, einer Anstalt in Liechtenstein, Provisionen für angeblich von dieser erbrachte Leistungen überwiesen; nach Ansicht der belangten Behörde habe aber der Beschwerdeführer die Leistungen erbracht, zumal er über die entsprechenden Kontakte zu Lieferanten und Kunden verfügt habe. Auch sei es der Beschwerdeführer gewesen, der Teilbeträge der der F-Anstalt zugedachten Provisionen vom Konto der W-AG behoben und auf sein Konto bei der A-Bank eingezahlt habe. In der Berufungsvorentscheidung sei im Detail dargestellt, wie das Vermögen des Beschwerdeführers - insbesondere unter Berücksichtigung des Kontos bei der A-Bank, des Verrechnungskontos bei der W-AG und der Begleichung privater Aufwendungen durch die W-AG - einen Zuwachs erfahren hat, der mit den offengelegten Einkünften nicht erklärbar sei. Von diesem ungeklärten Vermögenszuwachs gehe auch die belangte Behörde aus. Nach Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer auch in den Streitjahren Vergütungen für seine Dienstleistungen gegenüber der W-AG - sowie ab der Einbringung des Einzelunternehmens TK in die TK-AG im Jahr 1987 - von der TK-AG bezogen (für 1985 und 1986 angenommen mit je 800.000 S, für 1987 bis 1990 mit je 1,000.000 S). Andere Einnahmequellen als die W-AG und in untergeordnetem Ausmaß die TK-AG kämen nicht in Betracht. Diese Tätigkeitsvergütungen stellten, weil der Beschwerdeführer bis zum 2. Juli 1987 wesentlich an den Gesellschaften beteiligt gewesen sei, für Zeiträume bis zu diesem Stichtag aus innerstaatlicher Sicht Einkünfte aus selbständiger Arbeit, ab diesem Stichtag Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Die Differenz zwischen dem im Schätzungsweg anzusetzenden Gehalt und den Zinsen auf dem Verrechnungskonto auf der einen und dem ungeklärten Zuwachs des Privatvermögens des Beschwerdeführers auf der anderen Seite führe für Zeiträume bis Juli 1987 zu Einkünften aus Kapitalvermögen aufgrund verdeckter Gewinnausschüttung. Für Zeiträume nach dem Juli 1987 erfolge in Anbetracht der Übertragung der Aktien an den Sohn keine Erfassung einer Gewinnausschüttung beim Beschwerdeführer.

Zur Zuteilung der Besteuerungsrechte aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz (DBA) sei zu beachten:

Verdeckte Gewinnausschüttungen zählten zu den Dividenden; aufgrund des Art. 10 Z. 1 DBA stehe daher das Besteuerungsrecht Österreich zu. Gleiches gelte gemäß Art. 1 Z. 1 DBA für die Zinsen aus der (am Verrechnungskonto ausgewiesenen) Forderung gegenüber der W-AG. Die Dienstleistungen gegenüber der W-AG habe der Beschwerdeführer in der Funktion als Verwaltungsrat erbracht; der Verwaltungsrat entspreche dem Vorstand einer AG nach österreichischem Recht. Es bestehe zwischen den Vertragsstaaten Österreich und Schweiz Einigkeit darüber, daß die Zuteilung der Besteuerungsrechte der Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften - ungeachtet ihrer innerstaatlichen Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder zu einer anderen Einkunftsart - stets nach Art. 15 des Abkommens zu erfolgen habe. Nach Art. 15 Z. 4 DBA stehe das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Grenzgänger dem Wohnsitzstaat zu. Der Beschwerdeführer habe in den Streitjahren alle Vorausssetzungen der Grenzgängereigenschaft erfüllt; aufgrund der Befragung von Beamten des Zollamtes Lustenau über die Häufigkeit des Grenzübertrittes des Beschwerdeführers nehme die belangte Behörde an, daß dieser an jedem Arbeitstag wieder nach Lochau zurückgekehrt sei. Die Monate Jänner bis April habe er allerdings durchgehend in Lech verbracht, was ebenfalls zu im Inland zu erfassenden Einkünften aus selbständiger bzw nichtselbständiger Arbeit geführt habe. Die Gewinne aus dem in der Schweiz (bis 1987) betriebenen Einzelunternehmen TK seien für Zwecke des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen.

Da sohin die Feststellungen über den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers sowie auch zu Art und Höhe der Einkünfte auf neu hervorgekommenen Tatsachen gründeten, seien auch die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens (für 1985) gegeben.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, die belangte

Behörde habe zu Unrecht folgende Umstände nicht berücksichtigt:

a) Der Beschwerdeführer habe in den Jahren 1952/54 die Gewerbescheine mit Standort Bregenz erhalten.

b) Er habe von 1953 bis 1972 einen Produktionsbetrieb in Vorarlberg betrieben. 1972 habe er die W-AG in Au gegründet. 1980 sei er in eine Werkswohnung der W-AG in Au übersiedelt.

c) Im März 1986 habe er alle österreichischen Gewerbescheine zurückgelegt.

d) Sein Büro in Lochau sei seit der Übersiedlung im Jahr 1980 leergestanden.

e) Sein Haus in Lochau und die Wohnung in Lech habe er seit dem Umzug nur fallweise bewohnt.

f) Seit seinem Umzug nach Au fehlten die zeitlichen und persönlichen Bindungen zu Österreich, die einen Wohnsitz hätten begründen können.

g) Wegen des notwendigen Firmenaufbaues in Au sei dort seine Anwesenheit ganzzeitig erforderlich gewesen.

h) In der Werkswohnung der W-AG seien während des gesamten Prüfungszeitraumes Hausangestellte beschäftigt gewesen.

i) Während des Prüfungszeitraumes habe er sich mit seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern in der Wohnung in Au aufgehalten.

j) Er habe auch persönliche Beziehungen zu Freunden und Vereinen in Au.

Hinsichtlich des Vorbringens betreffend die Gewerbescheine, die Auflassung des Betriebes in Vorarlberg, die Gründung der AG in der Schweiz, die Nichtbenutzung des Büros in Lochau sowie das Benutzen einer Wohnung in Au ist darauf zu verweisen, daß es nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des angefochtenen Bescheides steht.

Der Beschwerdeführer bekämpft mit dem dargestellten Vorbringen die Beweiswürdigung der belangten Behörde, aufgrund derer sie zum Ergebnis gelangt ist, daß in sachverhaltsmäßiger Hinsicht die Voraussetzungen für die Annahme eines Wohnsitzes in Österreich und zudem eines in Österreich gelegenen Mittelpunktes der Lebensinteressen des Beschwerdeführers gegeben sind.

Die Beweiswürdigung unterliegt insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob hinreichende Ermittlungen gepflogen worden sind und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, ob sie also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen.

Das Beschwerdevorbringen vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat ihre Beweiswürdigung insbesondere auf die Aussagen von mehreren Hausgehilfinnen des Beschwerdeführers sowie auf den Umstand, daß er so lange Behauptungen aufgestellt hat, nach welchen der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland gelegen sei, bis dies durch Erhebungen in Deutschland widerlegt war, aber auch auf weitere Indizien gestützt. Die Beweiswürdigung erweist sich trotz der in der Beschwerde - und auch bereits im Verwaltungsverfahren - vorgetragenen Darstellung des Beschwerdeführers als schlüssig und nicht im Widerspruch mit der allgemeinen Lebenserfahrung. Die belangte Behörde durfte - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - in ihre Überlegungen durchaus miteinbeziehen, daß er einen für ihn günstigen Umstand so lange behauptet hat, bis dieser durch Erhebungsergebnisse widerlegt war. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte Wohnsitzbestätigung des Ortes Au führt nicht dazu, daß den Überlegungen der belangten Behörde die erforderliche Schlüssigkeit abzusprechen wäre.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, seine Aussage, er sei gerade von einem dreimonatigen Lechaufenthalt zurückgekehrt, habe die belangte Behörde trotz einer von ihm erfolgten Klarstellung, wonach er sich nur tageweise in Lech aufgehalten habe, unrichtig gewürdigt, übersieht er, daß sich die Behörde auch auf die Aussage der langjährigen Haushälterin MR gestützt hat. Aus dieser Aussage ergibt sich nämlich, daß der Beschwerdeführer mit seiner Familie von Weihnachten bis Ostern nach Lech übersiedelt sei und sie dort die Hausarbeiten zu erledigen gehabt habe.

Der Hinweis in der Beschwerde, das Nachsenden der Post von Lech nach Lochau sei dadurch erklärbar, daß es für den Beschwerdeführer leichter gewesen sei, von Au aus die Post in Lochau abzuholen als in Lech, vermag an der Schlüssigkeit der auf viele andere Indizien gestützten Beweiswürdigung nichts zu ändern.

Es ist auch nicht als fehlerhaft zu erkennen, daß die belangte Behörde die Anzahl der in Lochau vorgefundenen Kleidungsstücke des Beschwerdeführers als Indiz gewertet hat. Daß es sich dabei "größtenteils um unbrauchbare Altkleidung" gehandelt habe, wird erstmals in der Beschwerde behauptet und stellt daher eine für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtliche Neuerung dar.

Die Beschwerde rügt weiters, die belangte Behörde hätte zu Unrecht eine in Österreich gelegene Betriebsstätte angenommen. Wie aber die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht aufzeigt, geht der angefochtene Bescheid von keiner inländischen Betriebsstätte aus, weshalb auf das diesbezüglich Beschwerdevorbringen nicht einzugehen ist.

Gegen das Schätzungsergebnis bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde sei nicht auf sein Schreiben vom 25. November 1991 eingegangen. Auch habe sie unberücksichtigt gelassen, daß die W-AG bestätigt habe, keine Vergütungen an ihn bezahlt zu haben, und daß die auf dem Verrechnungskonto ausgewiesene Forderung Treuhandgelder seiner Tochter ausweise.

Im genannten Schreiben vom 25. November 1991 wird auf eine Bestätigung der Gemeinde Au, wonach der Beschwerdeführer in der Schweiz "voll" steuerpflichtig sei, und auf eine Bestätigung der S-Treuhand sowie der Kantonalen Steuerverwaltung, wonach der Beschwerdeführer von der W-AG keine Bezüge erhalten habe, verwiesen.

Ziel einer Schätzung ist die möglichst genaue Feststellung der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen. Im Falle einer Schätzung hat die Begründung ua die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrundegelegten Sachverhaltsannahmen und die Berechnung darzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1988, 85/17/0132).

Die Behörde ist nicht gehalten, vorgelegte Bestätigungen als mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmend anzusehen. Sie hat vielmehr im Grunde des § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid schlüssig dargetan, aus welchen Gründen sie die Forderung auf dem Verrechnungskonto der W-AG dem Vermögen des Beschwerdeführers zugerechnet hat. Sie hat weiters ohne jeden Mangel an Schlüssigkeit im Wege einer Vermögensdeckungsrechnung - diese ist zahlenmäßig aufgegliedert in der Berufungsvorentscheidung dargestellt, im Vorlageantrag nicht bekämpft und von der belangten Behörde übernommen worden - die Abgabenbemessungsgrundlagen geschätzt.

In der Beschwerde wird abschließend der allgemein gehaltene Vorwurf erhoben, die belangte Behörde habe angebotene Beweismittel nicht aufgenommen, Zeugen nicht objektiv befragt und die Beweisergebnisse nicht richtig gewürdigt. Dieses Vorbringen ist schon mangels jeglicher Konkretisierung nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 10. September 1998

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