VwGH 96/09/0288

VwGH96/09/028826.8.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Dipl. Ing. E in I, vertreten durch Dr. Bernhard Waldhof und Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwälte in Innsbruck, Maximilianstraße 9/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 23. April 1996, Zl. 17/26-6/1996, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

61995CJ0171 Recep Tetik VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
ARB1/80 Art6;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
EURallg;
EMRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;
61995CJ0171 Recep Tetik VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
ARB1/80 Art6;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
EURallg;
EMRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 1996 wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der I Gesellschaft mbH mit dem Sitz in H zu verantworten, daß diese Gesellschaft als Arbeitgeberin den türkischen Staatsangehörigen K (geboren 4.1.1953) in der Zeit vom 1. Oktober 1993 bis 8. November 1993 in I, Baustelle K als Hilfsarbeiter beschäftigt habe, ohne daß für diesen Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung erteilt bzw. ein Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) und Kostenbeiträge von S 500,-- für das erstinstanzliche Verfahren sowie von S 1.000,-- für das Berufungsverfahren verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, im Hinblick auf das "durch den Beitritt Österreichs zur EU anzuwendende Assoziierungsabkommen mit der Türkei" nicht der ihm nach dem AuslBG zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, es sei nicht erörtert bzw. festgestellt worden, ob der beschäftigte Ausländer in Österreich oder einem anderen EU-Mitgliedsstaat die Freizügigkeit nach dem Assoziationsbeschluß Nr. 1/80 erlangt habe. Unter dieser Voraussetzung sei dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen das AuslBG nicht anzulasten. Durch den Beitritt Österreichs zur EU sei das AuslBG auf türkische Arbeitnehmer und ihre Familien nur mehr eingeschränkt anwendbar. Das am 20. Dezember 1995 (in erster Instanz) ergangene Straferkenntnis hätte nach der im Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage unter dem Blickpunkt des Gemeinschaftsrechtes geprüft werden müssen.

Das Vorbringen in der Beschwerde ist nicht geeignet, diese zum Erfolg zu führen.

Nach dem Art. 7 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention; BGBl. Nr. 210/1958) kann niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden.

Gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann als Verwaltungsübertretung eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat berühren demnach bei Fehlen besonderer, gegenteiliger Übergangsbestimmungen die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, zufolge § 1 Abs. 2 VStG nur hinsichtlich der Strafe die Folge, daß bis zur Fällung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ein dem Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Selbst im Zuge des Berufungsverfahrens eingetretene Änderungen der Rechtslage sind im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens demnach rechtlich unerheblich. Ein Straferkenntnis stellt fest, ob geltendes Recht verletzt wurde, dies kann aber nur nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht entschieden werden. Eine im Zeitpunkt der Änderung der Rechtslage bereits abgeschlossene Tat ist daher mangels anderer besonderer gesetzlichen Vorschriften strafbar geblieben (vgl. hiezu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze Band II 1992, Seite 43ff; und die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, Seite 589, jeweils wiedergegebene hg. Judikatur).

Der nicht ausdrücklich geregelte Fall, was rechtens sein soll, wenn die zur Zeit der Begehung der Tat in Geltung gestandene Strafdrohung (Verwaltungsstrafnorm) vor Bestrafung des Täters in erster Instanz zur Gänze außer Kraft tritt, ist - unbeschadet anderslautender Übergangsbestimmungen - sinngemäß als ein Anwendungsfall des § 1 Abs. 2 VStG dahin zu werten, daß der Gesetzgeber das Unwerturteil über die Nichtbefolgung der verletzten Norm nicht aufrechterhalten hat und demnach in einem solchen Fall eine Strafe nicht mehr zu verhängen ist (vgl. hiezu Ringhofer, a. a.O., Anmerkung 5, Seite 41; und die bei Hauer/Leukauf, a.a.O., Seite 747 wiedergegebene Judikatur; sowie Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage, 1995, Rz 719).

Im Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach dem § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zur Last gelegt. Diese vom Beschwerdeführer verletzte Verwaltungsstrafnorm stand nicht nur im Tatzeitraum (1. Oktober 1993 bis 8. November 1993) und bis zur Fällung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Geltung, sondern diese Norm steht auch weiterhin unverändert in Geltung. Der Gesetzgeber hat sein Unwerturteil über die unerlaubte Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte durch das Antimißbrauchsgesetz (BGBl. Nr. 895/1995) sogar noch weiter verschärft. Es kann somit keine Rede davon sein, daß nach der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat die ihm vorgeworfene Übertretung des AuslBG straflos wäre.

Die Bestrafung des Beschwerdeführers dafür, daß er im Tatzeitraum 1. Oktober 1993 bis 8. November 1993 das AuslBG übertreten hat, verstößt auch weder gegen den am 1. Jänner 1995 für Österreich wirksam gewordenen EU-Beitrittsvertrag, noch gegen das in der Beschwerde ins Treffen geführte Assoziationsabkommen mit der Türkei. Bei der darauf gestützten Argumentation verkennt der Beschwerdeführer, daß vor dem am 1. Jänner 1995 erfolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union der Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 in Österreich nicht wirksam war (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom 15. April 1998, Zl. 97/09/0386, sowie Zl. 98/09/0044, und die jeweils darin angegebenen Judikaturnachweise). Solcherart kann sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren aber nicht darauf berufen, der im Tatzeitraum 1. Oktober 1993 bis 8. November 1993 unerlaubt beschäftigte türkische Staatsangehörige habe bereits in diesem Tatzeitraum - gestützt auf den genannten Assoziationsratsbeschluß - die Assoziationsfreizügigkeit in Österreich erlangt. Zu diesen Erwägungen kommt, daß mit dem am 1. Jänner 1995 erfolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht automatisch für jeden türkischen Staatsangehörigen die Erlangung der Assoziationsfreizügigkeit verbunden war (ist). Es trifft demnach auch nicht zu, daß auf die Beschäftigung türkischer Staatsangehöriger ab 1. Jänner 1995 das AuslBG generell nicht mehr anzuwenden wäre bzw. die Beschäftigung türkischer Staatsangehöriger ab diesem Zeitpunkt gänzlich unbeschränkt erlaubt sei, hängt doch die Erlangung der auf den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates (hier: Österreich) beschränkten Rechte nach dem Assoziationsratsbeschluß Nr. 1/80 im Einzelfall davon ab, daß der jeweilige türkische Staatsangehörige die darin geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zu erfüllen vermag. Die aus der genannten Assoziationsfreizügigkeit sich ergebenden Rechte des türkischen Staatsangehörigen sind zudem von zeitlichen Voraussetzungen abhängig, die etwa nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 je nach der Dauer einer ordnungsgemäßen Beschäftigung in den betreffenden Mitgliedsstaat verschieden sind (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zlen. 97/09/0099 und 0100), sodaß vor Erlangung der letzten Stufe der Integration in den Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates eine Übertretung des AuslBG bzw. eine Bestrafung des Arbeitgebers wegen unerlaubter Beschäftigung eines (noch nicht vollständig integrierten) türkischen Staatsangehörigen nicht ausgeschlossen ist. Für den Beschwerdeführer wäre daher selbst daraus nichts mehr zu gewinnen, wenn der im Zeitraum 1. Oktober 1993 bis 8. November 1993 unerlaubt beschäftigte türkische Staatsangehörige ab dem 1. Jänner 1995 seine vollständige Assoziationsfreizügigkeit in Österreich erlangt haben sollte (und ab diesem Zeitpunkt in Österreich hätte beschäftigt werden dürfen), kann doch damit eine vor dem EU-Beitritt Österreichs begangene Verwaltungsübertretung nach dem AuslBG nicht ungeschehen gemacht werden. Daß der beschäftigte Ausländer bereits während der inkriminierten Tatzeit eine seine Beschäftigung im damaligen Zeitraum erlaubende Assoziationsfreizügigkeit erlangt habe, wurde vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsstrafverfahren behauptet, noch wird dies in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dargelegt.

Im Hinblick auf diese Sach- und Rechtslage ist die in der Beschwerde gerügte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht geeignet, die belangte Behörde bei Einhaltung der Verwaltungsvorschriften - deren Verletzung vom Beschwerdeführer behauptet wird - zu einem anderen Bescheid zu führen (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. August 1998

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte