VwGH 95/18/1168

VwGH95/18/116817.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, in der Beschwerdesache der R C in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Prader, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. März 1995, Zl. SD 1302/94, betreffend Aufenthaltsverbot, den Beschluß gefaßt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §115;
FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §115;
FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. März 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 (im folgenden: FrG 1992), ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Beschwerdeführerin, die sich seit 1975 im Bundesgebiet aufhalte und bereits 1984 wegen falscher Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, am 14. April 1989 wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahles und wegen Urkundenunterdrückung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten und am 29. März 1994 wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahles zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei.

Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des FrG 1992 geregelt. Die Abs. 4 und 7 des § 114 FrG lauten:

"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.

(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."

Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschwerde als gegenstandslos und die Einstellung des Verfahrens im Sinn der genannten Bestimmungen sind im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen erfüllt:

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach dieser Bestimmung ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 erfüllte (vgl. des näheren das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/18/0170, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Ausweisung - und somit auch einer solchen gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 - ist (u.a.) in den Fällen des § 35 FrG unzulässig. Dessen Abs. 2 und 3 lauten:

"(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

(3) Hat der in Abs. 2 genannte Zeitraum bereits zehn Jahre gedauert, so dürfen Fremde wegen Wirksamwerdens eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht

1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes - SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder

2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

rechtskräftig verurteilt worden."

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist die Wortfolge "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" in § 35 Abs. 2 FrG genau so auszulegen wie die gleichlautende Wendung in § 38 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 35 Abs. 2 oder Abs. 3 FrG ist daher zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes bereits acht bzw. zehn Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war.

Da aus dem vorliegend angefochtenen Bescheid nicht klar ersichtlich ist, ob die belangte Behörde auch das der von ihr feststellten Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen falscher Beweisaussage im Jahr 1984 zugrunde liegende Fehlverhalten als "maßgeblichen Sachverhalt" dem Aufenthaltsverbot zugrunde gelegt hat, und sich die Beschwerdeführerin vor der der Verurteilung vom 14. April 1989 zugrundeliegenden Straftat, welche jedenfalls einen Teil des "maßgeblichen Sachverhaltes" darstellt, schon mehr als zehn Jahre in Österreich aufhielt, wobei sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Aufenthalt nicht rechtmäßig war, kann nicht gesagt werden, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 114 Abs. 4 FrG "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er nach dieser Bestimmung mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.

Daher war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 und § 115 FrG ohne Zuspruch von Aufwandersatz als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Wien, am 17. September 1998

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