Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z3;
AVG §69 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z3;
AVG §69 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem Bescheid vom 25. August 1994 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 17. Jänner 1994, mit dem seinem am 5. Jänner 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung nicht stattgegeben worden war, gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz - FrG ab.
In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Bewilligung das gegen den Beschwerdeführer am 17. Jänner 1994 erlassene und am 1. Februar 1994 in Rechtskraft erwachsene Aufenthaltsverbot der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See entgegenstehe.
2. Mit seinem am 16. März 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See eingelangten Antrag vom 14. März 1995 begehrte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1994 beendeten Verwaltungsverfahrens.
Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0534, das über den Beschwerdeführer mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 7. Juni 1994, Zl. Fr-30/94, verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 3. März 1995 zugestellt worden, sodaß der Antrag rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen ab Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund gestellt werde.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. April 1995 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 14. März 1995 bezüglich des Antrages auf Aufenthaltsbewilligung vom 5. Jänner 1994 gemäß §§ 69 Abs. 1 und 70 Abs. 2 AVG ab.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde (zusammengefaßt) aus, nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG seien für die Stattgebung des Antrages neue Tatsachen oder Beweismittel zu erbringen, welche im Verfahren nicht hätten geltend gemacht werden können. Die Behebung des Bescheides über das Aufenthaltsverbot durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei "erst nach der Erlassung des bekämpften Bescheides erfolgt, wodurch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesministeriums für Inneres die Rechtslage eindeutig nicht berührt sein kann". Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG müsse es sich um eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG gehandelt haben, welche von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden worden sei. Dies sei für die belangte Behörde ebenfalls nicht nachvollziehbar, da ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot im Verfahren bezüglich einer Aufenthaltsbewilligung nicht als Vorfrage im Sinn des § 38 AVG zu qualifizieren sei, sondern als bindendes Tatbestandselement im Rahmen des § 5 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG heranzuziehen gewesen sei, "wodurch eine Beurteilung des Aufenthaltsverbotes unzulässig wäre". Die nachträgliche Aufhebung des Aufenthaltsverbotes könne somit nach Abschluß des ordentlichen Instanzenzuges keinen positiven Verfahrensausgang bewirken. Für den Antragsteller ergebe sich jedoch nach dem Wegfall des Aufenthaltsverbotes die Möglichkeit zur Antragstellung auf Aufenthaltsbewilligung, wobei in diesem neuen Verfahren der Tatbestand des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht zur Anwendung kommen könne.
Durch die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei im gegenständlichen Verfahren durch die erkennende Behörde ein Verfahren gemäß § 68 Abs. 2 AVG möglich geworden. Dieses amtswegige "Rechtsschutzmittel" hätte jedoch keinerlei Änderung der materiellen Entscheidung durch die erkennende Behörde erbringen können, da, auch wenn das Aufenthaltsverbot behoben worden sei, im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen zur Anwendung des § 5 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorlägen. Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom Jahr 1990 wegen §§ 15 iVm 201 Abs. 2 StGB zu einer sechsmonatigen unbedingten und zwölfmonatigen bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Offensichtlich sei der Beschwerdeführer nicht bereit und willens, sich entsprechend den in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu verhalten und wäre deshalb nunmehr vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen. Außerdem greife laut ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine Sichtvermerksversagung nicht mit derselben Wahrscheinlichkeit und Intensität in das Privat- und Familienleben ein wie ein Aufenthaltsverbot.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
1. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.
Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg.N.F. Nr. 10092/A).
§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluß vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080, vom 23. Mai 1989, Zl. 84/08/0189, vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0006, und vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026). Ob in letzterem Sinn das rechtliche Interesse eines Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 94/18/0681, den im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangenen letztinstanzlichen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1994 aufgehoben. Damit ist beim Bundesminister für Inneres das Berufungsverfahren gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 17. Jänner 1994 wieder anhängig.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens hat den Zweck, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, aus den im Gesetz erschöpfend aufgezählten Gründen aus der Welt zu schaffen und die Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Sie soll ein bereits abgeschlossenes Verfahren wieder eröffnen, einen Prozeß, der durch einen rechtskräftigen Bescheid bereits einen Schlußpunkt erreicht hat, erneut in Gang bringen (vgl. die von Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1474 unter E 18 zitierte hg. Rechtsprechung). Dieses, der Wiederaufnahme ganz allgemein zugrundeliegende Ziel kann im Beschwerdefall nicht (mehr) erreicht werden; der das Verfahren rechtskräftig abschließende Bescheid wurde durch das erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes beseitigt. Der Beschwerdeführer kann bzw. konnte im Berufungsverfahren alles vorbringen, worauf er seinen Wiederaufnahmeantrag stützt.
3. Die Beschwerde war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die nach § 58 Abs. 2 erster Halbsatz VwGG in der Fassung des Art. II Z. 14 BGBl. I Nr. 88/1997 vorzunehmende Beurteilung ergibt folgendes: Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 94/18/0681, dargelegt hat, war mit der am 9. September 1994 erfolgten Zustellung des Beschlusses über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die Beschwerde gegen das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot die Durchsetzbarkeit dieses Aufenthaltsverbotes aufgeschoben und eine Heranziehung desselben nach § 5 AufG (iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG) nicht zulässig. Die Beschwerde räumt ein, die belangte Behörde von der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Stellungnahme vom 19. September 1994 in Kenntnis gesetzt zu haben. Nach der Aktenlage ist diese Stellungnahme am 20. September 1994, also noch vor Erlassung des Bescheides im wiederaufzunehmenden Verfahren (22. September 1994) eingelangt. Die mangelnde Duchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes war sohin keine Tatsache, die erst nach Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bekanntgeworden ist. Ein tauglicher Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG lag demnach nicht vor. Aber auch das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG war zu verneinen, weil es sich - entgegen der von der Beschwerde vertretenen Ansicht - bei der Frage, ob ein "rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht" (§ 10 Abs. 1 Z. 1 FrG), nicht um eine Vorfrage iS des § 38 AVG handelt. Die Beschwerde wäre sohin abzuweisen gewesen.
Wien, am 21. Dezember 1998
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