VwGH 95/15/0043

VwGH95/15/004329.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der V, vertreten durch Dr. Robert Briem, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 16. Jänner 1995, Zl. N 817/I/5-IV/4/94, betreffend Ausnahmegenehmigung gemäß § 48 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §48;
OECD-MusterAbk 1977 Art23A;
OECD-MusterAbk 1977 Art23B;
OECD-MusterAbk 1992 Art23;
UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §3 Abs13;
VwRallg;
BAO §20;
BAO §48;
OECD-MusterAbk 1977 Art23A;
OECD-MusterAbk 1977 Art23B;
OECD-MusterAbk 1992 Art23;
UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §3 Abs13;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist ein in den Niederlanden ansässiger Reiseveranstalter. Am 6. September 1994 stellte sie bei der belangten Behörde den Antrag, gemäß § 48 BAO ihre in Österreich grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Umsätze aus Reiseleistungen von der Umsatzsteuerpflicht auszunehmen. Begründend legte sie dar, in Österreich ansässige Reiseveranstalter, die Reiseleistungen in den Niederlanden erbringen, unterlägen mit diesen Leistungen nicht der niederländischen Umsatzsteuer. Die Gegenseitigkeit im Sinne des § 48 BAO ergebe sich somit aus dem niederländischen Umsatzsteuerrecht.

Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin vor, die Befreiung von der Umsatzsteuer könne frühestens ab 1992 gewährt werden, weil ein formelles Gegenseitigkeitsverhältnis in bezug auf Reiseveranstalter auf Grund eines Notenwechsels erst ab 1992 vereinbart worden sei.

Die Beschwerdeführerin erwiderte u.a., es sei international, insbesondere nach der 6.

EG-Mehrwertsteuer-Richtlinie, üblich, daß Reisebüros, die keine Betriebsstätte im jeweiligen Leistungsstaat hätten, umsatzsteuerlich mit ihren Leistungen am Sitz oder Ort der Geschäftsleitung erfaßt würden. § 3 Abs. 13 UStG (1972) bewirke hingegen eine Steuerpflicht ausländischer Reisebüros in Österreich, die an den internationalen Maßstäben gemessen eine unübliche Reichweite beinhalte und zwangsläufig zu einer Doppelbesteuerung führe. Die Gegenseitigkeit - in dem Sinne, daß in den Niederlanden erbrachte Reiseleistungen österreichischer Reiseveranstalter nach dem niederländischen Umsatzsteuerrecht nicht der niederländischen Umsatzsteuer unterlägen - sei schon seit 1979 gegeben. Der Abgabenverzicht der österreichischen Seite sei geboten, um die zusätzliche Kostenbelastung des Verkaufes von Österreichurlauben durch niederländische Reisebüros und damit einen Wettbewerbsnachteil der österreichischen Tourismuswirtschaft hintanzuhalten. Es sei aber auch das Tatbestandsmerkmal "Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" verwirklicht, weil es zu einer zweifachen Besteuerung ein- und desselben Umsatzes käme. Dies resultiere aus einer Besonderheit des österreichischen Umsatzsteuerrechtes für Leistungen von Reisebüros, die international unüblich und auch im österreichischen UStG 1994 nicht mehr enthalten sei. § 3 Abs. 13 UStG 1972 führe zu einer österreichischen Umsatzsteuerpflicht, obwohl die Beschwerdeführerin auf österreichischem Staatsgebiet keine Tätigkeit setze und dieselbe Leistung bereits der Umsatzbesteuerung in den Niederlanden, wo sie ihren Sitz habe, unterliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, es werde gemäß § 48 BAO zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung angeordnet, daß jene Umsätze, die gemäß § 3 Abs. 13 UStG 1972 als in Österreich ausgeführt gelten, insoweit von der österreichischen Umsatzsteuer befreit sind, als sie nicht einer österreichischen Betriebsstätte des Unternehmens der Beschwerdeführerin zuzurechnen sind. Diese Befreiung bewirke nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 UStG 1972 den Ausschluß vom Vorsteuerabzug. Die Steuerbefreiung gelte für Umsätze der Jahre 1992 bis einschließlich 1994. Das Mehrbegehren, diese Entlastungsmaßnahme auch für die Zeiträume 1988 bis 1991 zu gewähren, wurde abgewiesen. Begründend wurde nach Zitat des § 48 BAO dargelegt, auf Grund der unterschiedlichen innerstaatlichen Umsatzsteuerregelungen der Besteuerung von Reisebüroleistungen trete insoweit eine Doppelbesteuerung ein, als diese sowohl in Österreich als auch in den Niederlanden der Umsatzsteuer unterworfen würden. Da es aber nach herrschender Auffassung die Aufgabe des Wohnsitzstaates sei, für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den gebietsansässigen Abgabepflichtigen zu sorgen, erscheine eine positive Ermessensentscheidung zugunsten eines in den Niederlanden ansässigen Abgabepflichtigen nicht sachgerecht. Diese Auffassung werde von der Rechtsprechung geteilt (vgl. Verwaltungsgerichtshof 14. März 1990, Zl. 89/13/0115). Das Argument, die unterschiedliche Behandlung der Umsätze vor und nach dem 1. Jänner 1992 sei durch nichts begründet, weil die Doppelbesteuerung vor und nach diesem Stichtag gleichermaßen bestanden habe, könne daher zu keiner anderslautenden Entscheidung führen. Insbesondere könne keine Begünstigung gegenüber allen anderen Reiseveranstaltern in Erwägung gezogen werden, die ihren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen in Österreich nachgekommen seien. Was die Herstellung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses betreffe, so könne diese im Gesetz vorgesehene Rechtsvoraussetzung nicht so verstanden werden, daß Österreich automatisch einen Steuerverzicht zugunsten ausländischer Abgabepflichtiger zu leisten habe, wenn in deren Ansässigkeitsstaat auf Grund innerstaatlicher Vorschriften keine Steuer von österreichischen Abgabepflichtigen erhoben werde. Ein Reziprozitätsverhältnis werde vielmehr durch einen Notenaustausch oder ein entsprechendes Verhandlungsprotokoll hergestellt. Ein derartiger Notenwechsel sei zwischen dem österreichischen Finanzministerium und dem niederländischen Finanzministerium mit Schreiben vom 5. Juni bzw. 10. August 1992 erfolgt. In diesem Notenwechsel sei das Einvernehmen darüber hergestellt worden, daß auf dieser Grundlage niederländischen Reiseveranstaltern ab 1992 in Österreich eine Umsatzsteuerentlastung gewährt werde. Die zeitliche Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung sei mit Ablauf des Jahres 1994 begrenzt, weil mit Anpassung der österreichischen Umsatzsteuervorschriften an die EU-Regelung kein weiteres Erfordernis für Entlastungsmaßnahmen bestehe.

Die vorliegende Beschwerde beantragt, den angefochtenen Bescheid, soweit damit für die Jahre 1988 bis 1991 die Befreiung von der Umsatzsteuer abgelehnt werde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 48 BAO kann das Bundesministerium für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.

Die zitierte Vorschrift gestattet - unter der Voraussetzung, daß der Abgabepflichtige der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegt, die Anordnung bestimmter steuerlicher Entlastungsmaßnahmen, soweit dies

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