VwGH 93/12/0255

VwGH93/12/025524.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Stockert, Rechtsanwalt in Wien I, Parkring 2, gegen den Bescheid des Akademischen Senates der Universität Wien vom 2. Juli 1993, Zl. 82/13-1988/89, betreffend Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung sowie Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z2;
StudBerG §2;
StudBerG §7 idF 1991/624;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z2;
StudBerG §2;
StudBerG §7 idF 1991/624;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 19. Jänner 1989 (eingelangt am 23. Jänner 1989) stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für das Studium der Erdwissenschaften an der Universität Wien und brachte vor, er habe durch die Ablegung der Beamten-Aufstiegsprüfung und von Teilprüfungen in den Lehrgängen zur Studienberechtigungsprüfung 82/83 bis 84/85 eine erfolgreiche außerberufliche Vorbildung erworben, die eindeutig über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehe. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Anerkennung diverser Prüfungen für die Studienberechtigungsprüfung gemäß § 5 des Studienberechtigungsgesetzes (StudBerG), BGBl. Nr. 292/1985.

Mit Bescheid des Rektors der Universität Wien vom 10. März 1989 wurde der Beschwerdeführer zur Ablegung der Studienberechtigungsprüfung für die Studienrichtung Erdwissenschaften zugelassen; ferner wurde mit Bescheid derselben Behörde vom selben Tag sein Antrag auf Anrechnung von Prüfungen aus Physik I und Chemie I, die er im Rahmen eines von ihm begonnenen, aber nicht vollendeten Vorbereitungslehrganges an der Technischen Universität Wien abgelegt hatte, abgewiesen. Dies mit der Begründung, daß aufgrund der geltenden Rechtslage im Rahmen anderer Studienberechtigungsprüfungen abgelegte Prüfungen nur dann anrechenbar seien, wenn der gesamte Vorbereitungslehrgang erfolgreich abgeschlossen worden sei.

Mit Bescheid des Rektors der Universität Wien vom 3. April 1989 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der Prüfung aus dem Wahlfach Mineralogie abgewiesen.

Nach Änderung des § 7 Abs. 2 StudBerG durch die Novelle BGBl. Nr. 624/1991 stellte der Beschwerdeführer am 5. Dezember 1991 einen Antrag auf Ausstellung eines Studienberechtigungszeugnisses, einen neuerlichen Antrag auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für die Studienrichtung Erdwissenschaften sowie einen weiteren Antrag auf Anrechnung verschiedener Prüfungen.

Mit Schreiben vom 20. Mai 1992 teilte die Universitätsdirektion der Universität Wien dem Beschwerdeführer mit, daß sein Antrag zurückgewiesen werde, weil über ihn schon entschieden worden sei.

Der Beschwerdeführer ersuchte sodann unter Bezugnahme auf das zuletzt genannte Schreiben am 11. Juni 1992 um bescheidmäßige Erledigung seiner vier Anträge ("1. Austellungsantrag für SBP Zeugnis f. d. Fach Erdwissenschaften mit 2. erkennbarem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 69 AVG, 3. SBP-Zulassung,

4. Prüfungsantrag"), mit der Begründung, daß sein Antrag auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für Erdwissenschaften vom 5. Dezember 1991 auch ein erkennbarer Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG wegen veränderter Gesetzeslage (= neue Tatsachen) und wegen Ablegung des Pflichtfaches Mathematik 1 (= neues Beweismittel) gewesen sei.

In einem bei der belangten Behörde am 20. April 1993 eingelangten Schreiben vom 16. April 1993 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht ("Ausübung des Aufsichtsrechtes"), verbunden mit einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Am 2. Juli 1993 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Dem Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 9 UOG in Verbindung mit § 73 AVG wird stattgegeben.

Der Antrag auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für Erdwissenschaften wird wegen entschiedener Sache gemäß § 66 Abs. 4 zurückgewiesen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG wird gemäß § 66 Abs. 4 als unzulässig zurückgewiesen."

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Sachverhaltes aus, die Behörde erster Instanz habe tatsächlich keinen förmlichen Bescheid erlassen, sondern nur ein formloses Schreiben an den Beschwerdeführer abgesendet und sei damit säumig gewesen, sodaß der Akademische Senat der Universität Wien seine Zuständigkeit als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde für die Erlassung des Bescheides wahrnehme. Da der Beschwerdeführer - wie er selbst in seinem Antrag vom 5. Dezember 1991 erklärt habe - für das ordentliche Universitätsstudium der Erdwissenschaften zur Studienberechtigungsprüfung bereits zugelassen sei, sei der Antrag auf Zulassung zum Studium der Erdwissenschaften wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Aus dieser Entscheidung resultiere auch die Zurückweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Überdies liege kein Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG vor, weil es sich im gegenständlichen Verfahren um keine Tatsachen oder Beweismittel handle, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht hätten geltend gemacht werden können, sondern um neue Tatsachen und Beweismittel, welche allenfalls zu einem neuen Antrag geführt hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Durchführung eines dem Gesetz entsprechenden Verfahrens, sowie in seinen durch das StudBerG gewährleisteten Rechten, insbesondere in seinem Recht auf Anerkennung von bestandenen Fachprüfungen einer Studienberechtigungsprüfung für eine andere Studienberechtigungsprüfung (§ 7 Abs. 2 StudBerG) sowie in seinem Recht auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für das Studium der Erdwissenschaften gemäß § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 StudBerG 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 624/1991 verletzt.

§ 2 des Studienberechtigungsgesetzes (StudBerG), BGBl. Nr. 292/1985, Abs. 2 in der Fassung BGBl. Nr. 472/1990, lautet:

"Zulassungsvoraussetzungen

§ 2. (1) Zur Studienberechtigungsprüfung ist auf seinen schriftlichen Antrag hin zuzulassen, wer

ein bestimmtes ordentliches Universitäts- oder Hochschulstudium durchführen will, das die Reifeprüfung zur Voraussetzung hat,

das 22. Lebensjahr vollendet hat,

die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, eine eindeutig über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht

hinausgehende erfolgreiche berufliche oder außerberufliche Vorbildung für die angestrebte (erste) Studienrichtung nachweist und

nicht bereits erfolglos versucht hat, die Studienberechtigungsprüfung für die angestrebte Studienrichtung abzulegen.

(2) Abweichend von Abs. 1 Z 2 sind Bewerber, die das 20. Lebensjahr vollendet haben, zuzulassen, wenn sie eine Lehrabschlußprüfung gemäß Berufsausbildungsgesetz, eine österreichische berufsbildende mittlere Schule oder eine nach Umfang und Anforderungen gleichwertige inländische Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen, danach einen weiteren Bildungsgang absolviert und dabei insgesamt eine mindestens vierjährige Ausbildungsdauer erreicht haben.

§ 7 leg. cit. (Abs. 2 idF BGBl. Nr. 624/1991), lautet:

"Erweiterung der Studienberechtigung

§ 7. (1) Will ein Absolvent der Studienberechtigungsprüfung auf eine nicht in seiner Studienberechtigung enthaltene Studienrichtung übergehen, so hat er

1. die Studienberechtigungsprüfung durch Ablegung der ihm für die neue Studienrichtung noch fehlenden Pflichtfachprüfungen (Teile von Pflichtfachprüfungen) zu ergänzen, sofern er im bisherigen Studium die erste Diplomprüfung bereits erfolgreich abgelegt hat;

2. in den übrigen Fällen um Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung anzusuchen.

(2) Bestandene Fachprüfungen einer Studienberechtigungsprüfung sind für eine andere Studienberechtigungsprüfung anzuerkennen, soweit sie dieser nach Inhalt und Umfang entsprechen."

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei richtig, daß er schon 1988 einen Antrag auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für die Studienrichtung Erdwissenschaften gestellt habe und bescheidmäßig zur Studienberechtigungsprüfung für die genannte Studienrichtung zugelassen worden sei. Der neuerliche Antrag auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für die Studienrichtung Erdwissenschaften sei jedoch deshalb notwendig und auch zulässig gewesen, weil in der Zwischenzeit die Bestimmung des § 7 Abs. 2 StudBerG geändert worden sei. Aufgrund dieser Gesetzesänderung wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die bisher vom Beschwerdeführer erfolgreich abgelegten Teilprüfungen aus den Fächern Physik, Chemie, Englisch, Wirtschaftspropädeutik und Mathematik I entsprechend seinem Antrag auf Anerkennung von Prüfungen für die Studienberechtigungsprüfung vom 5. Dezember 1991 bei der Erledigung des weiteren Antrages auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für das Studium der Erdwissenschaften anzuerkennen. Die belangte Behörde habe übersehen, daß seit der erstmaligen Zulassung des Beschwerdeführers zur Studienberechtigungsprüfung für das Studium der Erdwissenschaften durch die Novellierung des § 7 Abs. 2 StudBerG eine Gesetzesänderung eingetreten sei; infolgedessen hätten sich auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Fachprüfungen einer Studienberechtigungsprüfung und dementsprechend auch für die Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung geändert. Trotz dieser neuen Gesetzeslage habe die belangte Behörde seinen Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und seinem Wiederaufnahmeantrag nicht stattgegeben. Identität der Sache sei aber wegen der Änderung besagter Gesetzesbestimmung nicht vorgelegen. Da der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für Erdwissenschaften erfülle, hätte die belangte Behörde dem Zulassungsantrag vom 5. Dezember 1991 unter Anerkennung der vom Beschwerdeführer im einzelnen angeführten Fachprüfungen stattgeben müssen.

Soweit die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für Erdwissenschaften abgesprochen hat, hat sie ihre Zurückweisung mit dem Vorliegen entschiedener Sache begründet.

Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1993, Zl. 92/12/0173).

Neu hervorgekommene (im Zeitpunkt der Erlassung des Vorbescheides also schon gegebene) Tatsachen sind, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG ergibt, für die Beurteilung der Identität der Sache - unter dem Gesichtspunkt der Änderung der Rechtslage - dann ohne Belang, wenn sie allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zufolge der damaligen Rechtslage zu einem im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid hätten führen können. Konnten sie hingegen schon auf Grund der damaligen Rechtslage zu keinem anderen Sachergebnis führen, ist dies aber auf Grund der veränderten Rechtslage möglich, so liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Identität der Sache mehr vor. Denn dieser Fall ist - unter dem Aspekt des Zweckes der Rechtskraftwirkung - jenem gleichzuhalten, in dem durch die erfolgte Rechtsänderung der angenommene Sachverhalt rechtlich anders beurteilt werden müßte, da in beiden Fällen - unabhängig von der Mitwirkung der Partei - erst die geänderte Rechtslage zu einem Sacherfolg führen könnte.

Durch die Zurückweisung seines neuerlichen Zulassungsantrages konnte aber der Beschwerdeführer - vor dem Hintergrund dieser Rechtslage - nicht in seinem Recht auf Anerkennung bestimmter (weiterer) Fachprüfungen für die Studienberechtigungsprüfung verletzt werden, weil die Entscheidung über die Zulassung von der Entscheidung über die Anerkennung von Fachprüfungen trennbar ist und bezüglich der Zulassung keine Änderung der Sach- und Rechtslage gegenüber dem Vorbescheid eingetreten ist. Der vorliegende Fall ist daher mit dem dem hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1993, Zl. 92/12/0173, zugrundeliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

Was den im Verwaltungsverfahren gestellten Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers betrifft, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß dieser seinem Inhalt nach auf die Erweiterung der Anrechnung von Fachprüfungen im Rahmen der Zulassung zur Studienberechtigungsprüfung für Erdwissenschaften abzielte. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens zurückgewiesen wurde, ist darauf hinzuweisen, daß der Inhalt rechtswirksamer genereller Normen nie "Tatsache" oder "Beweismittel" sein kann, die als "neu hervorgekommen" gewertet werden dürften und damit zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen könnten (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 656 wiedergegebene Judikatur, insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1984, Zl. 84/10/0200). Die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages erfolgte daher im Ergebnis zu Recht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Juni 1998

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