VwGH 97/18/0510

VwGH97/18/051023.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des V in Wien, vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien I, Führichgasse 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. August 1997, Zl. SD 863/97, betreffend Erlassung eines befristeteten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. August 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich nach der Aktenlage seit Mai 1992 in Österreich aufhalte, sei am 17. September 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 130 erster Fall StGB sowie wegen des Vergehens der Veruntreuung gemäß § 133 Abs. StGB zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrundegelegen, daß der Beschwerdeführer im Zeitraum von Juli bis Oktober 1995 gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigten eines Speditionsunternehmens fremde bewegliche Sachen in einem öS 25.000,-- übersteigenden Gesamtwert in zumindest vier Angriffen weggenommen habe und als LKW-Fahrer dieses Unternehmens ihm zur Beförderung übergebene Waren - mithin Güter, die ihm anvertraut gewesen seien - dadurch, daß er sie nicht wie vereinbart an die Firma seines Dienstgebers zurückgestellt, sondern an andere Personen verkauft habe, sich mit dem Vorsatz zugeeignet habe, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Es liege auf der Hand, daß ein derartiges Fehlverhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße gefährde. Im Beschwerdefall sei daher nicht nur der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, sondern darüber hinaus auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Aufgrund des etwa fünfjährigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers und im Hinblick auf seine familiären Bindungen (Ehegattin und Kinder aus erster Ehe) liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme zu bejahen. Wie dargelegt, habe der Beschwerdeführer mehrmals in fremdes Eigentum eingegriffen. Vor allem der Umstand, daß er die strafbaren Handlungen in der Absicht begangen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, lasse für ihn eine positive Zukunftsprognose nicht zu. Angesichts der Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten des Beschwerdeführers und der darin zum Ausdruck kommenden krassen Mißachtung fremden Eigentums sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zum Schutz der Rechte anderer sowie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer als dringend geboten zu erachten.

Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den etwa fünfjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Der daraus und aus seiner Beschäftigung ableitbaren Integration komme aber insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die schwerwiegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers in einem erheblichen Maße beeinträchtigt worden sei. Hinzu komme, daß die Bindung des Beschwerdeführers zu seinen beiden Kindern aus erster Ehe insofern eine Relativierung erfahre, als er mit diesen nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Auch von seiner nunmehrigen Ehegattin lebe der Beschwerdeführer - zumindestens vorübergehend - getrennt. Diesen - solcherart verminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen gelange die belangte Behörde zur Auffassung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Das Aufenthaltsverbot erweise sich demnach auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG als zulässig.

Was die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung vom 17. September 1996 besteht gegen diese Beurteilung kein Einwand. Entgegen der Beschwerde ist auch die Auffassung der Behörde, daß die der besagten Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten, nicht rechtswidrig; das vom Beschwerdeführer begangene Delikt des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls stellt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme schon deswegen gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 93/18/0615); dies gilt vorliegend umso mehr, hat doch der Beschwerdeführer auch ein Fehlverhalten gesetzt, das zu seiner Verurteilung wegen des Vergehens der Veruntreuung geführt hat.

Daran vermag nichts zu ändern, daß sich der Beschwerdeführer nach seiner Behauptung vor und nach der genannten Verurteilung nichts habe zuschulden kommen lassen, weil der seit dem - unbestritten über einen längeren Zeitraum hinweg gesetzten - Fehlverhalten verstrichene Zeitraum zu kurz ist, um daraus verläßliche Schlußfolgerungen in bezug auf das künftige Verhalten des Beschwerdeführers ziehen zu können. Dem Einwand, es habe sich bei den vom Beschwerdeführer begangenen Taten um "einmalige Verfehlungen" gehandelt, ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid - unbestritten - mehrere Tathandlungen gegen fremdes Eigentum gesetzt hat.

2. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung nach den §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist nicht zielführend.

2.1. Die Behörde hat zugunsten des Beschwerdeführers auf seinen etwa fünfjährigen Aufenthalt in Österreich und seine familiären Bindungen zu seiner Ehegattin und seinen Kindern aus erster Ehe, aber - entgegen der Beschwerde - auch auf seine Beschäftigung Bedacht genommen und aufgrund dessen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 19 FrG angenommen.

Ebenso zutreffend hat sie aber die Auffassung vertreten, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf die im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen Rechtsgüter dringend geboten ist. Die Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten des Beschwerdeführers und die darin zum Ausdruck kommende wiederholte und krasse Mißachtung fremden Eigentums stellt eine derart gravierende Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK (näherhin: des Schutzes der öffentlichen Ordnung, der Verhinderung strafbarer Handlungen, des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer) dar, daß diese auch bei gebührender Beachtung der persönlichen Interessenlage des Beschwerdeführers dessen Aufenthaltsbeendigung notwendig erscheinen läßt. Dabei fällt zu Ungunsten des Beschwerdeführers insbesondere ins Gewicht, daß er die strafbaren Diebstahlshandlungen in der Absicht begangen hat, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 130 iVm § 70 StGB), und daß er - was die vom Beschwerdeführer behauptete berufliche Integration erheblich mindert - das Vergehen der Veruntreuung unbestritten im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit begangen hat.

2.2. Wenn die Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie jedenfalls nicht schwerer wögen als die durch das beschriebene Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigten Interessen der Allgemeinheit, ist dies mit Rücksicht auf die dargestellte Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlichen Interessen ebenfalls nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die dazu in der Beschwerde geltend gemachten Einwände - die Familienangehörigen des Beschwerdeführers, insbesondere seine Kinder, seien in Österreich vollständig integriert, der Beschwerdeführer unterhalte zu seinen beiden Kindern eine enge Beziehung und komme den daraus entspringenden Pflichten sowohl in emotionaler als auch in materieller Hinsicht umfassend nach - vermögen an diesem Ergebnis auch dann nichts zu ändern, wenn dem Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht im selben Haushalt wie seine beiden Kinder wohnt, entgegen der belangten Behörde keine für die Beurteilung nach § 20 Abs. 1 FrG maßgebliche Bedeutung zugemessen wird.

2.3. Vor diesem Hintergrund gehen die unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgebrachten, auf eine mangelhafte Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes gerichteten Einwände betreffend das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ins Leere.

3. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 FrG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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