VwGH 97/18/0003

VwGH97/18/000330.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über den Antrag des M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Mai 1996, Zl. SD 601/96, betreffend Ausweisung, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben.

Begründung

1. Mit hg. Beschluß vom 28. November 1996, Zl. 96/18/0477, wurde das Verfahren über die Beschwerde des Antragstellers gegen den oben bezeichneten Bescheid gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil der Antragsteller dem Mängelbehebungsauftrag vom 29. Oktober 1996, mit dem ihm die Behebung mehrer näher bezeichneter Mängel der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und von diesem dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde aufgetragen worden war, nicht nachgekommen ist; dies deshalb, weil die von ihm fristgerecht vorgelegte Kopie der (ursprünglich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten) Beschwerde nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen war und somit keine (weitere) Ausfertigung dieser nach dem Mängelbehebungsauftrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzulegenden Beschwerde darstellt.

2. In dem nunmehr gestellten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird ausgeführt, daß die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführer über keine Kanzleikräfte verfüge und daher "den Ergänzungsschriftsatz selbst geschrieben, ausgedruckt, die ursprüngliche Beschwerde kopiert und alle Schriftsätze mit dem Kanzleistempel versehen und in eine Unterschriftenmappe gegeben" habe. "Auf diese Art und Weise wurden zunächst alle an diesem Tag abzufertigenden Schriftstücke fertiggemacht und die zugehörigen Beilagen jeweils unter die noch zu unterfertigenden Schriftstücke dazugelegt. Bei der Vielzahl an Schriftstücken hat die Rechtsvertreterin offenbar übersehen, daß sie nur den Ergänzungsschriftsatz unterfertigt hat, nicht jedoch auch die ursprüngliche Beschwerde." Dies sei nur so erklärbar, daß dieses Schriftstück unter dem zu unterfertigenden Schriftsatz gelegen sei, die Rechtsvertreterin dreimal eine Unterschrift geleistet und übersehen habe, daß in diesem Fall ausnahmsweise auch der als "Beilage" titulierte Beschwerdeschriftsatz zu unterfertigen gewesen wäre.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat erwogen:

3.1. Vorauszuschicken ist, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Beschluß des verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch gegen die unvollständige Erfüllung eines verwaltungsgerichtlichen Verbesserungsauftrages zulässig ist.

3.2. Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (siehe den hg. Beschluß vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0176, mwH). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Beschluß vom 8. August 1996, Zl. 96/14/0072, 0078). Zu beurteilen ist somit das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Jänner 1990, Zl. 89/18/0202, 0203). Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die schon zitierten hg. Beschlüsse vom 23. Februar 1995 sowie vom 8. August 1996, mwH).

3.3. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anwendung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei der Unterfertigung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Dabei hätte dem Rechtsanwalt auffallen müssen, daß die zur Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof vorbereitete Ablichtung des ursprünglich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes nicht von ihm unterfertigt war. Da es der Rechtsanwalt im vorliegenden Fall - wie es schon aus Gründen der Selbstkontrolle geboten gewesen wäre - unterließ, die Unterfertigung der nachzubringenden Beschwerdeausfertigung selbst zu kontrollieren, unterlief ihm hiemit ein Versehen, das nicht minderen Grades ist; diesbezüglich kann auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen werden, wonach ein Rechtsanwalt sich bei der Unterfertigung von Schriftsätzen zu vergewissern hat, was er unterschreibt und ob er damit einem Verbesserungsauftrag auch vollständig nachkommt (vgl. den schon zitierten hg. Beschluß vom 19. Jänner 1990).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

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