VwGH 97/17/0040

VwGH97/17/004024.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. W und Dr. P, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. September 1996, Zl. 7-481-76/96-2, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. der Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Aflenz-Land), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art119a Abs5;
GdO Stmk 1967 §94 Abs2;
VwRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Stmk 1967 §94 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde gab der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Jänner 1992 mit Bescheid vom 14. März 1996 statt und schrieb aus Anlaß dieser Berufung dem Beschwerdeführer den Kanalisationsbeitrag in der Höhe von S 132.319,44 vor. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es: Gegen diesen Bescheid ist die binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde Aflenz-Land einzubringende Vorstellung zulässig; die Vorstellung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten. Die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung des Bescheides am 18. März 1996.

Beim Gemeindeamt langte am 29. März 1996 folgendes an das Gemeindeamt zu Handen des Bürgermeisterstellvertreters gerichtete Schreiben ein:

"Für eine "sachlich richtige" Liegenschaftsbeurteilung soll ein rechtsgültiges Bausachverständigengutachten zu Rate gezogen werden, damit der Einfluß von eventuellen Emotionsentscheidungen ausgeschlossen wird (dies wird auch von der allgemein gültigen Rechtslage vorgeschrieben).

Für die Liegenschaft D... liegt ein rechtsgültiges Bausachverständigengutachten auch auf dem Gemeindeamt vor.

Aufgrund der Vorgabe "Kanalabgabenbescheid" vom 7.3.1996 - Gemeinderatsmehrheitsbescheid - kann höchstwahrscheinlich angenommen werden, daß das rechtsgültige Bausachverständigengutachten für die Liegenschaft D... zur Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden ist. Daher kann ich der Vorgabe "Kanalabgabenbescheid" der Gemeinde A... nicht Folge leisten und spreche daher die Berufung aus."

Mit Bescheid vom 25. April 1996 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde diese Berufung wegen entschiedener Sache als unzulässig zurück. Dies mit der Begründung, der im Rechtsmittel zum Ausdruck kommende Parteiwille lasse sich nach seinem Inhalt und nicht bloß aufgrund seiner Bezeichnung nur dahingehend verstehen, daß eine - unzulässige - Berufung, und nicht eine - zulässige - Vorstellung erhoben worden sei.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Die belangte Behörde vertrat in der Begründung die Ansicht, der im Rechtsmittel zum Ausdruck kommende Parteiwille lasse sich unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer vertretenen Begehrens, eine "sachlich richtige" Liegenschaftsbeurteilung unter Ausschluß von "eventuellen Emotionsentscheidungen" vorzunehmen, offensichtlich dahingehend verstehen, daß der Beschwerdeführer eine Berufung und nicht eine Vorstellung erheben wollte. Für diese Beurteilung spreche neben dem eingangs wiedergegebenen Inhalt des Rechtsmittels auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer das Rechtsmittel persönlich an den Bürgermeisterstellvertreter gerichtet habe. Es sei ausgeschlossen, dem Beschwerdeführer die Absicht zu unterstellen, er habe mit dem Schriftsatz vom 25. März 1996 eine Vorstellung erheben wollen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 25. November 1996, B 3608/96-3, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 94 Abs. 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung ist die Vorstellung schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten.

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, ist die unrichtige Bezeichnung allein nicht entscheidend dafür, welches Rechtsmittel bzw. welcher Rechtsbehelf tatsächlich erhoben worden ist. Maßgebend ist der Inhalt des Begehrens und damit auch die im Schriftsatz zum Ausdruck kommende Erklärung, wer darüber entscheiden soll und welches Rechtsmittel bzw. welcher Rechtsbehelf tatsächlich ergriffen wurde (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. September 1987, Zl. 87/17/0301).

Mit der als "Berufung" bezeichneten Eingabe bringt der Beschwerdeführer vor, es sei ein näher bestimmtes Bausachverständigengutachten bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden, er könne deshalb dem Bescheid "nicht Folge leisten" und spreche daher die "Berufung" aus. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde läßt sich dieser Parteiwille des in diesem Verfahrensabschnitt nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers nicht so verstehen, daß er eine

- unzulässige - Berufung und keine - zulässige - Vorstellung erheben wollte. Der Beschwerdeführer besteht mit seiner Eingabe keineswegs darauf, daß der Gemeinderat neuerlich über diese Angelegenheit entscheiden müsse - in diesem Fall wäre das erhobene Rechtsmittel zurückzuweisen -, sondern bringt zum Ausdruck, daß er von der in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 14. März 1996 angeführten gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht, diesen Bescheid zu bekämpfen. Dafür, daß der Beschwerdeführer seine Eingabe - wie die belangte Behörde formuliert "offensichtlich" - als unzulässige Berufung verstanden wissen wollte, besteht keinerlei Anhaltspunkt.

Die Vorstellung ist gemäß § 94 Abs. 2 Stmk. Gemeindeordnung bei der Gemeinde einzubringen, die den Bescheid erlassen hat. Die Eingabe ist an das "Gemeindeamt" zu Handen des Bürgermeisterstellvertreters gerichtet. Aus dieser Tatsache schließt die belangte Behörde - in keiner Weise begründet -, daß dies für ihre Beurteilung spreche. Die Vorstellung wurde an das "Gemeindeamt" gerichtet und bei der Gemeinde fristgerecht eingebracht. Aus dem Zusatz der an das Gemeindeamt gerichteten Eingabe "zu Handen" des Bürgermeisterstellvertreters kann nicht - nachvollziehbar - abgeleitet werden, daß deswegen eine Berufung gegen den vom Bürgermeister unterfertigten Bescheid des Gemeinderates erhoben werden sollte.

Die belangte Behörde verkannte somit, daß die als "Berufung" bezeichnete Eingabe des Beschwerdeführers vom 25. März 1996 die mit einem begründeten Antrag eingebrachte Vorstellung gegen den Bescheid vom 14. März 1996 war, über die von der belangten Behörde zu entscheiden gewesen wäre.

Der die Vorstellung zurückweisende Bescheid des Gemeinderates vom 25. April 1996 wäre daher von der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben gewesen. Der angefochtene Bescheid, mit dem der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. April 1996 keine Folge gegeben wurde, erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte