Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit dem Einspruch der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beträge von S 6,209.282,90 und S 187.200,-- keine Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Beitragsbescheid vom 17. Oktober 1995 verpflichtete die O.ö. Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin für den Zeitraum Juli 1994 bis Juli 1995 zur Zahlung folgender Beträge: S 107.700,50 Sonderbeiträge, S 1.526,40 allgemeine Beiträge und S 4.100,-- Mindestbeitragszuschlag (in Summe: S 113.326,90) für acht von der Beschwerdeführerin zur Pflichtversicherung gemeldete Dienstnehmer sowie S 6,209.282,90 allgemeine Beiträge und S 187.200,-- Mindestbeitragszuschlag (in Summe: S 6,396.482,90) für 138 auf der Basis von "Werkverträgen" für die Beschwerdeführerin tätige Personen.
Begründend führte die O.ö. Gebietskrankenkasse aus, die Beschwerdeführerin führe Fleischfeinzerlegungen bei fleischverarbeitenden Betrieben durch und setze dafür Personen ein, die zur Beschwerdeführerin "in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt" stünden und daher als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG versicherungspflichtig seien. Hinsichtlich der zur Pflichtversicherung gemeldeten Personen habe die Beschwerdeführerin den kollektivvertraglichen Ansprüchen auf Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration nicht Rechnung getragen. In einem Fall seien auch die allgemeinen Beiträge für drei Beschäftigungstage nicht abgeführt worden.
Zur Versicherungspflicht der übrigen Personen wurde in dem Bescheid folgende Sachverhaltsfeststellung getroffen:
"Laut Aussage des Geschäftsführers, ..., werden die Vertragsverhältnisse je nach Wunsch des Arbeitnehmers als "Werkvertrag" oder als Dienstvertrag bezeichnet. Die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitsleistung sind gleich. Alle Arbeitnehmer waren bzw. sind in persönlicher und wirschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt und somit in Dienstnehmereigenschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG für die Firma tätig."
Die Beschwerdeführerin hätte daher auch für die nicht zur Pflichtversicherung gemeldeten Personen die in den beigelegten Abrechnungsblättern näher aufgeschlüsselten Beiträge in der Höhe von insgesamt S 6,209.282,90 abzuführen gehabt.
Mit drei weiteren Bescheiden vom 17. Oktober 1995 traf die O.ö. Gebietskrankenkasse in bezug auf jeweils eine der nicht zur Pflichtversicherung gemeldeten Personen die Feststellung, sie unterliege jeweils ab einem bestimmten Zeitpunkt der Voll- und Arbeitslosenversicherung.
Begründend wurde in diesen Bescheiden jeweils der Inhalt der von der Beschwerdeführerin mit diesen drei Personen abgeschlossenen, nicht völlig wortgleichen "Werkverträge" festgestellt und das Ergebnis der Einvernahme des jeweils betroffenen "Werkunternehmers" wörtlich wiedergegeben. In einem Fall folgten dem noch eine Feststellung über den Abschluß einer privaten Krankenversicherung und Feststellungen über den Inhalt der Verträge zwischen der Beschwerdeführerin und den fleischverarbeitenden Betrieben, für die die Leistungen zu erbringen waren. Nach allgemein gehaltenen Rechtsausführungen schloß sich daran in zwei Fällen die allgemeine Aussage, die "vertraglichen Vereinbarungen" widersprächen "den unter Wahrheitsgebot getroffenen Aussagen laut Niederschrift". Näher ausgeführt wurde dies jeweils nur dahingehend, "nach den niederschriftlichen Aussagen" sei der Betroffene "als Dienstnehmer im Sinne von § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt". Im dritten Fall wurde konkret dargelegt, wie sich aus dem Inhalt der Aussage die Verwirklichung der in den allgemeinen Rechtsausführungen dargestellten Voraussetzungen der Versicherungspflicht ergebe.
Gegen die vier Bescheide vom 17. Oktober 1995 erhob eine Steuerberatungsgesellschaft in zwei getrennten Schriftsätzen vom 18. November 1995 Einspruch. Der namens der Beschwerdeführerin gegen den Beitragsbescheid erhobene, mit einem umfangreichen Urkundenkonvolut verbundene Einspruch diente vor allem der Untermauerung des Standpunktes, daß es sich bei den Personen, mit denen "Werkverträge" abgeschlossen worden seien, nicht um versicherungspflichtige Dienstnehmer handle. Der namens der Beschwerdeführerin sowie der drei betroffenen Fleischzerleger erhobene Einspruch gegen die drei Bescheide über die Versicherungspflicht enthielt - ohne Anschluß von Urkunden - nur eine sehr kurz gehaltene Begründung des auch dem Einspruch gegen den Beitragsbescheid zugrunde gelegten Standpunktes.
Die O.ö. Gebietskrankenkasse legte der belangten Behörde beide Einspruchsschriftsätze mit einer sehr umfangreichen Stellungnahme vom 12. Dezember 1995 vor. Sie verwies darauf, daß der einschreitenden Gesellschaft in bezug auf die Bescheide über die Versicherungspflicht wegen der eingeschränkten Wirkung des § 33 Abs. 2 lit. d Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung kein Vertretungsrecht zukomme und der Einspruch gegen den Beitragsbescheid in bezug auf die nicht von der "Werkvertragsproblematik" berührten (die zur Pflichtversicherung angemeldeten Dienstnehmer betreffenden) Beträge von insgesamt S 113.326,90 keine Begründung enthalte. Hinsichtlich der auf die "Werkvertragsproblematik" gegründeten Nachverrechnung (insgesamt S 6,396.482,90) enthielt die Stellungnahme eine ausführliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde gelegten Annahme der Versicherungspflicht und mit den im Einspruch dagegen erhobenen Einwänden.
Zur Abwicklung der Verfahren wurde dabei bemerkt:
"Primär aus verfahrensökonomischen Gründen haben wir in
Absprache mit Herrn ... und dem Steuerberater, Herrn ..., in
drei Fällen (gleiche Sachlage bei allen Beschäftigten)
Versicherungsbescheide erlassen, um auch Beschäftigten
Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Kasse zu ermöglichen.
Die Einspruchswerberin ist nach der Rechtsprechung ... ohnedies
berechtigt, die Beitragspflicht in der gesetzlichen
Sozialversicherung ausdrücklich (nur) mit der Begründung zu
bekämpfen, daß die Behörde die Vorfrage der
Versicherungspflicht unrichtig gelöst habe."
Mit drei getrennten Bescheiden vom 26. März 1996 wies die belangte Behörde jeweils in bezug auf einen der drei erstinstanzlichen Bescheide über die Versicherungspflicht den namens des betroffenen Fleischzerlegers und der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch wegen des Mangels der Vertretungsbefugnis der einschreitenden Gesellschaft zurück. Die dagegen - nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens - durch einen Rechtsanwalt erhobenen Berufungen wies der Bundesminister für Arbeit und Soziales mit je einem Bescheid vom 28. Oktober 1996 (Berufung der Beschwerdeführerin hinsichtlich aller drei Bescheide vom 26. März 1996) und 19. November 1996 (Berufungen der jeweils betroffenen Fleischzerleger) mangels begründeter Berufungsanträge zurück. Die Zeitpunkte der Zustellungen der Bescheide vom 28. Oktober 1996 und 19. November 1996 sind den vorgelegten Aktenteilen - abgesehen von den Zustellungen an die O.ö. Gebietskrankenkasse am 12. November 1996 und 25. November 1996 - nicht entnehmbar.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. November 1996 entschied die belangte Behörde über den Einspruch gegen den Beitragsbescheid. Sie wies den Einspruch hinsichtlich der von der "Werkvertragsproblematik" nicht berührten, die zur Pflichtversicherung angemeldeten Dienstnehmer betreffenden Beträge (insgesamt S 113.326,90) wegen des Fehlens einer Einspruchsbegründung zurück und gab dem Einspruch im übrigen (S 6,396.482,90) keine Folge.
Den zuletzt erwähnten Teil der Entscheidung begründete die belangte Behörde - abgesehen von dem Hinweis darauf, gegen die Höhe der Nachverrechnung sei kein konkreter Einwand erhoben worden - wie folgt:
"Entscheidungsrelevant war im gegenständlichen Fall für die
Frage der Rechtmäßigkeit der Nachverrechnung von S 6,209.282,--
die Versicherungspflicht der von der Nachverrechnung
betroffenen ... Personen als Vorfrage.
Das hs. Amt hat mit drei Bescheiden vom 26. März 1996 ...
den von der Firma ... eingebrachten Einspruch vom
18. November 1995 gegen die Versicherungspflicht der Herren ...
als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diese Bescheide wurde Berufung eingebracht.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 ... wies das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Berufung der
(Beschwerdeführerin) gegen die Bescheide des Landeshauptmannes
von Oberösterreich vom 26. März 1996 ... als unbegründet
zurück.
Die Versicherungspflicht der drei Genannten gilt daher als rechtskräftig festgestellt. Der Sachverhalt ist bei allen von der Nachverrechnung betroffenen Personen ident."
Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit den Behauptungen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weil die Begriffe "Dienstnehmer und Werkvertragsnehmer" nicht richtig beurteilt worden seien, und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil in bezug auf andere als die von den drei Bescheiden über die Versicherungspflicht betroffenen Fleischzerleger keine Ermittlungen angestellt worden seien. Diese Werkvertragnehmer würden sich "von einander enorm unterscheiden".
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet. In den Gegenschriften wird hervorgehoben, die Behauptung, die "Werkvertragnehmer" würden sich "voneinander enorm unterscheiden", werde erstmals in der Beschwerde erhoben und verstoße gegen das Neuerungsverbot.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im angefochtenen Bescheid war als strittige Vorfrage für die Entscheidung über die vorgeschriebenen Beträge von (in Summe) S 6,396.482,90 die Versicherungspflicht der von der Beschwerdeführerin auf der Basis von "Werkverträgen" beschäftigten Fleischzerleger zu beurteilen. Entscheidungen darüber - deren Rechtskraft im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sich anhand der vorgelegten Akten nicht einwandfrei beurteilen läßt - lagen nur in bezug auf drei von insgesamt mehr als 130 Fällen vor. Nur in einem der drei Fälle, die auch keineswegs völlig gleichgelagert waren, war die entscheidende Schlußfolgerung vom festgestellten Sachverhalt auf die Annahme der Versicherungspflicht in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides konkret nachvollziehbar. Die Rechtsmittelentscheidungen hatten sich auf verfahrensrechtliche Fragen beschränkt.
Bei dieser Sachlage wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, aus den drei entschiedenen Fällen die verallgemeinerungsfähigen Sachverhaltselemente herauszuarbeiten, ihnen - sofern die "Musterfälle" mit Bedacht gewählt worden waren - entsprechende Fallgruppen (im vorliegenden Fall etwa nach der teils österreichischen, teils deutschen Staatsangehörigkeit der beschäftigten Fleischzerleger) zu bilden, die übrigen Fälle in die Fallgruppen einzuordnen und für die einzelnen Fallgruppen in rechtlicher Hinsicht - gegebenenfalls unter teilweisem Verweis auf den Inhalt der der Beschwerdeführerin bekannten Entscheidungen über die Versicherungspflicht - darzulegen, wie die Vorfrage jeweils zu beurteilen sei. Dabei wäre einerseits auf den umfangreichen Einspruch der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren und die mit ihm vorgelegten Unterlagen, andererseits auf die ebenfalls umfangreiche Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einzugehen gewesen.
Die belangte Behörde hat einen anderen Weg gewählt. Sie hat den Umstand, daß in den drei Verfahren über die Versicherungspflicht, in denen schon die Einsprüche eher kurz gehalten gewesen waren, die Berufungen gegen deren Zurückweisung - zum Teil erst nach der Genehmigung des angefochtenen Bescheides - ebenfalls zurückgewiesen wurden, und die darauf gegründete Annahme der Rechtskraft der drei Bescheide über die Versicherungspflicht zum Anlaß dafür genommen, sich mit der in bezug auf mehr als 130 weitere Fälle zu beurteilenden Vorfrage überhaupt nicht auseinanderzusetzen und statt dessen nur auf die (angenommene) Rechtskraft der drei Bescheide über die Versicherungspflicht und auf den Umstand zu verweisen, daß der "Sachverhalt ... bei allen von der Nachverrechnung betroffenen Personen ident" sei.
Nach dem Wortlaut der Ausführungen dazu und im Hinblick auf die völlige Übergehung des von beiden Parteien des Einspruchsverfahrens sehr umfangreich erstatteten Vorbringens für und gegen die Annahme versicherungspflichtiger Dienstverhältnisse kann dem nicht bloß der Sinn einer Verweisung auf bestimmte Begründungselemente der Entscheidungen in den Verfahren über die Versicherungspflicht beigelegt werden. Dies gilt umso mehr, als eine meritorische Behandlung der Frage der Versicherungspflicht in den drei Verfahren darüber jeweils nur in der ersten von drei Instanzen stattgefunden hatte und verallgemeinerungsfähige Feststellungen zum Sachverhalt und damit auch zu seiner rechtlichen Beurteilung in den drei erstinstanzlichen Bescheiden über die Versicherungspflicht nur in sehr eingeschränktem Maße und jedenfalls nicht so, daß ein bloßer Verweis darauf in bezug auf mehr als 130 weitere Fälle einen Sinn ergäbe, erkennbar sind. Der Bescheidbegründung der belangten Behörde muß daher ihrem Wortlaut entsprechend entnommen werden, daß der Beschwerdeführerin die (angenommene) Rechtskraft der Bescheide in den drei entschiedenen Fällen als solche entgegengehalten und eine eigene Beurteilung der Vorfrage durch die belangte Behörde von dieser auch in bezug auf alle übrigen Fälle als entbehrlich angesehen wurde, weil die Beschwerdeführerin nicht durch den rechtzeitigen Hinweis auf Unterschiede im Sachverhalt objektive Grenzen der von der belangten Behörde angenommenen Rechtskraft aufgezeigt hatte.
Diese in der Begründung ihres Bescheides zum Ausdruck kommende Rechtsansicht der belangten Behörde ist verfehlt, weil den drei Entscheidungen über die Versicherungspflicht in bezug auf die übrigen Fälle auch unter der Annahme völlig gleichgelagerter Sachverhalte und trotz des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin an allen drei Verfahren über die Versicherungspflicht beteiligt war, keine Rechtskraftwirkung zukommen kann. Die belangte Behörde hat dies, indem sie den für die übrigen Fälle bloß verfahrensökonomischen Effekt derartiger Musterentscheidungen, der im Fall einer meritorischen Behandlung nur in erster Instanz ohnehin gering ist, mit einer Rechtskraftwirkung gleichsetzte, verkannt und ihren Bescheid dadurch insoweit, als er die "Werkvertragsproblematik" betrifft, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Diese Rechtswidrigkeit erfaßt schon deshalb, weil die entsprechenden Beträge im Bescheid der belangten Behörde nicht gesondert ausgewiesen sind, auch die drei Fälle, in denen über die Versicherungspflicht gesondert entschieden wurde.
Demgegenüber zeigt die Beschwerde hinsichtlich der teilweisen Zurückweisung des Einspruches, insoweit dieser keine Begründung enthalten hatte, keine Rechtswidrigkeit auf. Eine solche ist auch nicht erkennbar.
Es war daher der angefochtene Bescheid im Umfang der Entscheidung über die Beträge von insgesamt S 6,396.482,90 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben und die Beschwerde im übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, im besonderen auf § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für Stempelmarken war wegen der Gebührenfreiheit des Verfahrens (§ 110 ASVG) kein Ersatz zuzusprechen.
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