VwGH 97/05/0020

VwGH97/05/002018.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatpräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der 1.) J, 2.) des E, 3.) des J, sämtliche in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Dezember 1996, Zl. BauR - 011690/1-1996 Ru/Lg, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BauO OÖ 1976 §4 Abs2;
BauO OÖ 1976 §7 Abs4;
BauO OÖ 1994 §5;
BauO OÖ 1994 §9;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BauO OÖ 1976 §4 Abs2;
BauO OÖ 1976 §7 Abs4;
BauO OÖ 1994 §5;
BauO OÖ 1994 §9;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser beigelegten angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz als Baubehörde erster Instanz vom 22. November 1993 wurde die baubehördliche Bewilligung für die Änderung des im Grundbuch ersichtlich gemachten Bauplatzes durch die Teilung des Grundstückes Nr. 1550/15, KG. X, in dieses und in das Grundstück Nr. 1550/62, KG. X, u.a. mit der Auflage erteilt, daß der Eigentümer des Grundstückes Nr. 1550/15, KG. X, binnen einer Frist von 6 Monaten nach grundbücherlicher Durchführung dieser Bewilligung entweder

a) im bestehenden Hochregallager an der Grenze zum Grundstück Nr. 1550/62 eine Feuermauer im Sinne des § 12 O.ö. Bauverordnung 1985 zu errichten und die an diese anschließenden Außenwände bis zu 1 m als Feuermauern auszubilden, oder

b) das Hochregallager in einem Abstand von mindestens 1 m zur besagten Grundgrenze abzutragen hat.

Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern als Grundeigentümern zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

Nach Feststellung durch die Baubehörden, daß diese Auflage noch nicht erfüllt sei, wurden die Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Androhung der Verhängung einer Geldstrafe mit Schreiben vom 31. März 1995 auf die Erfüllung der ihnen aufgetragenen Verpflichtung hingewiesen.

Mit Eingabe vom 2. Juni 1995 beantragten die Beschwerdeführer, bis auf Widerruf von der Einhaltung dieser Auflage abzusehen, da bezüglich des Hochregallagers Verkaufsverhandlungen geführt würden und dieses bei teilweisem Abtragen wertlos werde; von dem Bauwerk gingen keinerlei Gefahren aus.

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. Jänner 1996 wurde dieser Antrag der Beschwerdeführer wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gegenüber dem seinerzeitigen Bewilligungsbescheid hätte sich die Sachlage nicht geändert.

In der dagegen erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer aus, entschiedene Sache könne deshalb nicht vorliegen, weil über einen Antrag auf Absehen von der Erfüllung von auferlegten Auflagen noch nicht entschieden worden sei.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 11. März 1996 wurde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben. Die Beschwerdeführer bezweckten mit ihrem Antrag eine teilweise Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides. Weder im AVG noch in der Oberösterreichischen Bauordnung fände sich eine Rechtsgrundlage dafür, von der Einhaltung von Auflagen abzusehen. Eine Abänderung eines Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG fände nur unter den in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen statt; ansonsten seien jedoch Anbringen auf Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung führten die Beschwerdeführer aus, sie bezweckten nicht eine Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides, vielmehr stelle ihr Begehren einen selbständigen Antrag dar, zumal sich seit Erlassung des Bescheides die Umstände geändert hätten.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Dezember 1996 wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben und festgestellt, daß die Beschwerdeführer durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt würden. Es existiere ein rechtskräftiger Bescheid zur Bewilligung der Änderung von Grenzen eines Bauplatzes mit einer - ebenso rechtskräftigen - Alternativauflage. Die objektiven Grenzen der Bescheidwirkungen ergäben sich daraus, daß mit diesem Bescheid über eine bestimmte Verwaltungssache entschieden worden sei, die dadurch zur entschiedenen Sache geworden sei. Dem Wesen des Instituts der Rechtskraft eines Bescheides entspräche es, daß ein rechtskräftiger Bescheid selbst dann seine volle Rechtswirksamkeit entfalte, wenn er mit der objektiven Rechtslage im Widerspruch stehe. Dies gelte umso mehr dann, wenn er zum Zeitpunkt seiner Erlassung den generellen Rechtsnormen entsprochen habe, diese aber in der Folge weggefallen seien (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1988, Zl. 84/05/0214). Der Antrag der Beschwerdeführer vom 2. Juni 1995 bezwecke nichts anderes als eine (zumindest teilweise) Abänderung des rechtskräftigen Bescheides vom 22. November 1993. Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckten, seien auch dann wegen res iudicata zurückzuweisen, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin laute (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zl. 90/05/0167). Die Baubehörde sei vielmehr verpflichtet, bei Änderungen von Grundgrenzen auf die Einhaltung der Feuermauerbestimmungen (§ 12 O.ö. Bauverordnung 1985 bzw. nunmehr § 12 des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes) und deren Durchsetzung zu drängen bzw. diese vorzuschreiben. Weder zum Zeitpunkt der Erlassung des bereits mehrfach erwähnten Bescheides vom 22. November 1993 noch derzeit bestünde die Möglichkeit, von diesen zwingenden Vorschriften abzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren verletzt". Die Bestimmungen des AVG sowie der Oberösterreichischen Bauverordnung 1985 seien unrichtig angewendet worden. Eine entschiedene Rechtssache liege nicht vor, zumal über den gestellten Antrag, nämlich bis auf Widerruf von der Durchsetzung der Auflagen abzusehen, nicht entschieden worden sei. Die Beschwerdeführer hätten geänderte Umstände aufgezeigt und ihren Antrag begründet, weshalb die Zurückweisung dieses Antrages unter Hinweis auf die rechtskräftige Entscheidung eine unrichtige Anwendung der zitierten Gesetzesstellen darstelle. Das Verfahren leide sohin an einer Mangelhaftigkeit, die geeignet sei, das Recht der Beschwerdeführer auf ein gesetzliches Verwaltungsverfahren zu verletzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Die Zurückweisung des Anbringens kommt nur in Betracht, wenn die Abänderung oder Behebung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides in der Sache beantragt wird. Bei Änderung der Sach- und Rechtslage kommt eine Zurückweisung mangels entschiedener Sache regelmäßig nicht in Frage. Ein neues Gesetz bedeutet nicht zwangsläufig eine Änderung der im konkreten Fall maßgeblichen Rechtslage. Gegenüber neu entstandenen Tatsachen fehlt es aber an der Identität der Sache. Neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel bedeuten jedoch noch keine Änderung der Sachlage im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG (vgl. hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 617).

Der offenkundig gemäß § 7 der damals in Geltung gestandenen Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. Nr. 82/1983 erlassene Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz als Baubehörde erster Instanz vom 22. November 1993 enthält eine Bewilligung zur Änderung eines Bauplatzes durch dessen Teilung in zwei Grundstücke unter Auflagen.

Gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. konnte eine Bauplatzbewilligung auch unter Bedingungen oder Auflagen erteilt werden, die zur Sicherung der im Abs. 1 angeführten Interessen dienten. Solche Nebenbestimmungen können auch bei Bewilligung der Änderung von Bauplätzen im Sinne des § 7 leg. cit. in den Bewilligungsbescheid aufgenommen werden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Verweis in § 7 Abs. 4 leg. cit. auf § 4 dieses Gesetzes. Die nunmehr in Geltung stehende Oberösterreichische Bauordnung 1994 hat diesbezüglich keine Änderung gebracht (vgl. hiezu die §§ 5 und 9 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994).

Eine Auflage im Sinne des § 4 Abs. 2 Oberösterreichische Bauordnung 1976 ist eine pflichtenbegründende Nebenbestimmung eines begünstigenden Verwaltungsaktes, wobei die Pflicht auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet sein kann. Die Nichtbefolgung der Auflage berührt den Bestand des Verwaltungsaktes, dem sie beigefügt ist, nicht. Wird die Auflage nicht erfüllt, kann sie vollstreckt werden; die Nichterfüllung der Auflage hebt aber die Bewilligung nicht auf (vgl. hiezu Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht, 4. Aufl., Anm. 9 zu § 5 O.ö. Bauordnung 1994, Seite 60, sowie das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0195). Die erteilte Bewilligung steht mit den für die Ausführung der bewilligten Maßnahme vorgeschriebenen Auflagen in einem untrennbaren Zusammenhang. Die Bewilligung an sich kann - von dem hier nicht zu behandelnden Fall der Trennbarkeit einer Nebenbestimmung vom sonstigen Bescheidinhalt und der damit verbundenen getrennten Anfechtbarkeit abgesehen (siehe das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Slg. Nr. 12191/A) - nicht isoliert von den mit ihr verknüpften Auflagen bestehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 93/07/0093). Ein Antrag auf nachträgliche Genehmigung der Nichteinhaltung einer Auflage stellt sich demnach als ein Ansuchen dar, das die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt. Da die Behörde an rechtskräftige Bescheide, allenfalls auch ungeachtet der Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes, gebunden ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen. Die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführer, von der Einhaltung der mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 22. November 1993 erteilten Auflage abzusehen, ergibt sich daraus, daß die durch den bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid erledigte Sache mit der dem zurückgewiesenen Antrag zugrundeliegenden deshalb ident ist, weil die Bewilligung der Teilung des Bauplatzes mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 22. November 1993 mit der darin enthaltenen Alternativ-Auflage, deren Entfernung die Beschwerdeführer mit dem der Beschwerde zugrundeliegenden Antrag aus dem Bewilligungsbescheid bezwecken, untrennbar verbunden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1991, Zl. 91/07/0039). Den von den Beschwerdeführern behaupteten geänderten Umständen kommt keine Entscheidungsrelevanz zu. Eine Änderung des Sachverhaltes liegt nämlich nur dann vor, wenn Umstände eingetreten sind, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zulassen, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung der Rechtssache nicht von vornherein auszuschließen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1987, Slg. Nr. 12.511/A).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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