VwGH 96/21/1118

VwGH96/21/111819.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über den Antrag der N in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0641, abgeschlossenen hg. Verfahrens, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §45 Abs1;
VwGG §45 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, verfügte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg mit Bescheid vom 25. Juni 1996 gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) die Ausweisung. Mit hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0641, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieser Entscheidung lag zugrunde, daß der Beschwerdeführerin, die als Touristin nach Österreich gekommen ist, lediglich ein für die angegebenen Besuchszwecke auf die Dauer von drei Monaten befristetes Aufenthaltsrecht erteilt worden war. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat dazu die Rechtsauffassung, daß ein solcher Touristensichtvermerk keine Genehmigung im Sinn des Art. 7 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 darstelle. Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei aus dem Jahre 1963 gebiete - auch im Lichte des auf dieser Grundlage ergangenen Assoziationsratsbeschlusses ARB Nr. 1/80 vom 19. September 1980 und dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof - nicht, türkischen Staatsangehörigen die gemeinschaftliche Freizügigkeit zu gewähren wie sie aufgrund der Art. 48 ff EGV und des ergänzenden sekundären Gemeinschaftsrechtes ausgeformt ist (dazu wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zitierte Erkenntis verwiesen).

Der vorliegende, am 19. Dezember 1996 zur Post gegebene Antrag auf Wiederaufnahme des mit vorerwähntem Erkenntnis abgeschlossenen hg. Verfahrens vertritt die Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof wäre in dem bezogenen Verfahren vor Erlassung des Erkenntnisses verpflichtet gewesen, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg "gemäß Art. 177 EGV" anzurufen. Es wäre anzufragen gewesen, ob und in welchem Umfang sich aus den im Antrag zitierten Gemeinschaftsrechtsakten ein "europarechtlicher Anspruch" (gemeint wohl: der Beschwerdeführerin als Ehegattin eines - nach Auffassung der Beschwerde - in Österreich "voll assoziationsintegrierten türkischen Staatsbürgers") auf Familiennachzug ergebe. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 2. Oktober 1996 der Auffassung habe sein können, daß es sich bei den vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fragen um "actes clairs" handle, könne dies "spätestens seit dem (dem Antrag angeschlossenen) Schreiben der Kommission" nicht mehr gelten, weil es sich danach "bei den Familienzusammenführungsansprüchen von assoziationsintegrierten türkischen Arbeitnehmern um eine Frage handle, deren Klärung dem Europäischen Gerichtshof allein vorbehalten ist".

Der Antrag der Beschwerdeführerin ist nicht berechtigt:

Gemäß § 45 VwGG ist unter den dort genannten Voraussetzungen das Verfahren wiederaufzunehmen. Ein solcher Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 45 leg. cit. wird mit dem vorgelegten Schreiben der Europäischen Kommission vom 10. Dezember 1996, mit welchem der Beschwerdeführer darzutun versucht, daß die im hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996 zu lösende Rechtsfrage (nunmehr) zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes führen müsse, nicht erfüllt. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht der Auffassung gewesen wäre, die maßgebliche Rechtsfrage ohne deren Vorlage an den Europäischen Gerichtshof selbst entscheiden zu dürfen, würde die unrichtige Anwendung von Rechtsvorschriften durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens vor diesem Gerichtshof führen (vgl. dazu die in Dolp3, S. 634, angeführte Judikatur). Ob die Voraussetzungen des Wiederaufnahmstatbestandes des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG gegeben sind, war schon deswegen nicht zu beurteilen, weil diese Bestimmung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht anwendbar ist. Auf den Inhalt dieses Schreibens und die darin wiedergegebene Rechtsansicht braucht nicht eingegangen zu werden.

Der Antrag war somit abzuweisen.

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