VwGH 96/21/0641

VwGH96/21/06412.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der N in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 25. Juni 1996, Zl. FrB-425Ob-16/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

11992E048 EGV Art48;
11992E049 EGV Art49;
11992E050 EGV Art50;
21964A1229(01) AssAbk Türkei Art12;
21970A1123(01) ZusProt AssAbk Türkei Art36;
61986CJ0012 Demirel VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7 Abs2;
ARB1/80 Art7;
ARB1/80;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §6 Abs2;
11992E048 EGV Art48;
11992E049 EGV Art49;
11992E050 EGV Art50;
21964A1229(01) AssAbk Türkei Art12;
21970A1123(01) ZusProt AssAbk Türkei Art36;
61986CJ0012 Demirel VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7 Abs2;
ARB1/80 Art7;
ARB1/80;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §6 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Juni 1996 verfügte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG), BGBl. Nr. 838/1992, die Ausweisung.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß sich die Beschwerdeführerin seit 1. August 1995 nach Ablauf ihres bis zum 31. Juli 1995 befristet erteilten Touristensichtvermerkes illegal im Bundesgebiet aufhalte. Die Beschwerdeführerin sei am 1. April 1995 mit einem Touristensichtvermerk eingereist, habe jedoch von vornherein nicht beabsichtigt gehabt, Österreich wieder zu verlassen. Die Beschwerdeführerin sei mit einem seit 1989 in Österreich erlaubt aufhältigen türkischen Staatsangehörigen verheiratet und habe hier am 26. September 1995 das gemeinsame Kind geboren. Der von ihr im Inland gestellte Antrag auf Bewilligung ihres Aufenthaltes sei mittlerweile mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1996 rechtskräftig abgewiesen worden.

Angesichts des langjährigen Aufenthaltes des Ehemannes der Beschwerdeführerin und des hier geborenen Kindes bewirke die Ausweisung zweifellos einen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben.

Die Beschwerdeführerin halte sich jedoch im Anschluß an den Touristensichtvermerk illegal im Bundesgebiet auf und habe von vornherein beabsichtigt, sich über die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden maßgeblichen Bestimmungen hinwegzusetzen. Da sie offenbar nicht gewillt sei, den illegalen Aufenthalt zu beenden und das Bundesgebiet zu verlassen, sei die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK angeführten Ziele (konkret: Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten und daher gemäß § 19 FrG zulässig. Hinzu komme, daß die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen sei, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen soll.

Die Beschwerdeführerin vertrete die Auffassung, daß sie "ex Europarecht, sohin aufgrund des Abkommens EWG-Türkei" aufenthaltsberechtigt sei. Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des erwähnten Abkommens bestimme demgegenüber, daß die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu diesem zu ziehen, aufenthaltsrechtliche Begünstigungen hätten. Der der Beschwerdeführerin erteilte Touristensichtvermerk stelle jedoch eine solche Genehmigung im Sinn des zitierten Art. 7 nicht dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, daß ihr nach nationalem Recht eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zukomme. Sie bestreitet auch nicht, daß sie sich im Anschluß an den Touristensichtvermerk seit 1. August 1995 nicht auf eine innerstaatliche Bewilligung ihres Aufenthaltes berufen kann. Der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den ihren diesbezüglichen Antrag ablehnenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1996 wurde mittlerweile mit hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 96/19/1281, keine Folge gegeben und in Einklang mit der Rechtsauffassung der belangten Behörde ausgesprochen, daß einer solchen Bewilligung ihres Aufenthaltes § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG iVm § 5 Abs. 1 AufG entgegenstehe, wonach die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen sei, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen soll. Zugleich wurde in diesem Erkenntnis ausgesprochen, es könne dahinstehen, ob der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigung nach Art. 6 f. des Beschlusses vom 19. September 1980 Nr. 1/80 des aufgrund des am 12. September 1963 abgeschlossenen Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates zukomme. Wäre dies der Fall, so bedürfte die Beschwerdeführerin keiner Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, weil sie sich diesfalls auf unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union nach dem Beitritt Österreichs am 1. Jänner 1995 berufen könnte.

In der vorliegenden Beschwerde versucht nun die Beschwerdeführerin die Unzulässigkeit ihrer Ausweisung damit zu begründen, daß sie aufgrund der Bestimmungen dieses Assoziationsabkommens EWG-Türkei und der dazu ergangenen Assoziationsratsbeschlüsse zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Unter Berufung auf zitierte Entscheidungen des EuGH macht die Beschwerdeführerin geltend, daß sich türkische Staatsangehörige, die die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllen - dies treffe auf sie zu -, unmittelbar auf diese Bestimmungen stützen könnten, um außer der Verlängerung ihrer Arbeitserlaubnis auch die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu erwirken. Als Angehörige eines solchen in Österreich auf dem Arbeitsmarkt integrierten türkischen Staatsangehörigen stünde der Beschwerdeführerin aufgrund der angeführten Bestimmungen unmittelbar das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu. Es liege demgemäß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens deshalb vor, weil der angefochtene Bescheid nicht die entscheidende Feststellung treffe, daß "der Ehegatte der Beschwerdeführerin assoziationsrechtlich integriert sei". Die belangte Behörde habe auch das Erfordernis verkannt, sich "über Art. 7 ARB Nr. 1/80 hinaus mit dem europarechtlichen Freizügigkeitsthema zu beschäftigen".

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Nach Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) Nr. 1/80 vom 19. September 1980 hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt; nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorranges - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

Der EuGH hat festgestellt, daß die Bestimmungen der Art. 6 und 7 Abs. 2 ARB 1/80 in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht sind und daß ein türkischer Arbeitnehmer sich unmittelbar auf diese Bestimmungen berufen kann, um die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung zu erreichen. Art. 6 und 7 Abs. 2 ARB 1/80 regeln zwar nur die beschäftigungsrechtliche, nicht aber die aufenthaltsrechtliche Stellung türkischer Arbeitnehmer bzw. ihrer Angehörigen. Beide Aspekte sind nach Auffassung des EuGH jedoch eng miteinander verknüpft. Er hat diesen Bestimmungen daher entnommen, daß einem türkischen Arbeitnehmer, der einen beschäftigungsrechtlichen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 hat, und seinem Angehörigen, der die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 ARB 1/80 erfüllt, auch ein entsprechender Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht. Dem schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an. Diesselben Erwägungen treffen auch auf Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088, und die darin zitierte Judikatur des EuGH).

Art. 7 ARB 1/80 bestimmt - soweit hier wesentlich -, daß die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

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