VwGH 96/19/2430

VwGH96/19/243024.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Anträge, 1.) der Milica M, 2.) des Robert M und 3.) der Slavisa M, die beiden Letztgenannten vertreten durch die Mutter Milica M, sämtliche in W, die Erstgenannte vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof und in den Beschwerdesachen der Genannten gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 10. Jänner 1996, Zlen. 1.) 304.584/2-III/11/95,

2.) 304.584/4-III/11/95, 3.) 304.584/3-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Normen

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

  1. 2. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
  2. 3. Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von je S 188,33 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien jeweils vom 19. Oktober 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer je vom 29. Mai 1995 auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen abgewiesen. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer anwaltlich vertreten Berufung. Im Rubrum dieser Berufungen wird die Erstbeschwerdeführerin als Milica J, der Zweitbeschwerdeführer als Robert M und die Drittbeschwerdeführerin als Slavisa M bezeichnet. In ihrer Berufung brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, sie sei mit dem Tomislav M verheiratet. Im Verwaltungsverfahren wurde ein Auszug aus dem Eheregister der Gemeinde L vorgelegt, aus dem hervorgeht, daß die Erstbeschwerdeführerin am 12. August 1995 Tomislav M geehelicht hat und seither den Zunamen M trägt.

Mit den Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 10. Jänner 1996 wurden sämtliche dieser Berufungen gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die belangte Behörde adressierte diese Bescheide an die Erstbeschwerdeführerin, bezeichnet als Milica M, den Zweitbeschwerdeführer, bezeichnet als Robert M, und die Drittbeschwerdeführerin, bezeichnet als Slavisa M, wobei in Ansehung sämtlicher Beschwerdeführer die Zustellung dieser Bescheide zu Handen des ausgewiesenen Rechtsanwaltes der Beschwerdeführer verfügt wurde.

Die Zustellung dieser Bescheide an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer erfolgte am 22. Jänner 1996.

Mit den am 12. August 1996 zur Post gegebenen Eingaben beantragten die Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen die in Rede stehenden Bescheide.

Zur Begründung dieser Anträge führten die Beschwerdeführer aus, die jeweils anzufechtenden Bescheide seien dem Vertreter der Beschwerdeführer "unter der falschen Bezeichnung des Namens der Mutter Milica M zugestellt" worden. Die Bescheide seien aus diesem Grunde nicht "zuordenbar" gewesen. Eine Beschwerde habe nicht ergriffen werden können. Erst anläßlich einer am 2. August 1996 erfolgten Vorsprache des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde habe die Angelegenheit aufgeklärt werden können und sei dabei festgestellt worden, daß es sich bei "Milica M" in Wahrheit um "Milica J" gehandelt habe.

Über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1996, wonach sich aus den Verwaltungsakten ergebe, daß die Erstbeschwerdeführerin seit 12. August 1995 den Zunamen M trage, brachten die Beschwerdeführer in ihrer mit 21. November 1996 datierten Eingabe vor, es sei zutreffend, daß die Erstbeschwerdeführerin den Zunamen M trage. Sie habe jedoch bereits vor ihrer Verehelichung in der Anwaltskanzlei ihres bisher ausgewiesenen Vertreters vorgesprochen und zu diesem Zeitpunkt naturgemäß noch ihren ledigen Namen J geführt. Daher sei der betreffende Handakt in der Kanzlei des Rechtsvertreters unter "Milica J" angelegt worden. Dies sei der Grund, weshalb die Zuordnung der Bescheide zunächst nicht habe erfolgen können. Damit, daß die belangte Behörde den Bescheid an die Erstbeschwerdeführerin unter dem von ihr bekanntgegebenen richtigen Zunamen erlassen werde, habe deren Rechtsvertreter nicht rechnen müssen, zumal erfahrungsgemäß die Verwaltungsbehörde auf "derartige Namensänderungen" nicht eingehe.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Den Antragsteller trifft die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Eine amtswegige Prüfung, ob andere - vom Antragsteller nicht geltend gemachte - Umstände die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat nicht zu erfolgen (vgl. den hg. Beschluß vom 30. September 1991, Zlen. 90/19/0497, 91/19/0071). Der Grundsatz der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit entbindet einen Wiedereinsetzungswerber nicht von der Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1985, Zlen. 85/18/0347, 0348). Das in dem am 12. August 1996 zur Post gegebenen Wiedereinsetzungsantrag enthaltene Vorbringen, der (an die Erstbeschwerdeführerin gerichtete) Bescheid sei nicht zuordenbar gewesen, weil ihn die belangte Behörde auf den falschen Namen Milica M ausgestellt habe, ist - was mittlerweile auch die Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz vom 21. November 1996 zugestehen - unrichtig, weil die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Berufung angegeben hat, mit Tomislav M in aufrechter Ehe seit 12. August 1995 verheiratet zu sein. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin erfolgte die Adressierung ohnedies unter den in den Berufungen gebrauchten und auch im Wiedereinsetzungsantrag nicht als unrichtig bezeichneten Namen "Robert M" bzw. "Slavisa M". Eine Bezugnahme auf die Erstbeschwerdeführerin erfolgte in diesen Bescheiden gar nicht.

Damit erweisen sich die Wiedereinsetzungsanträge schon deshalb als unberechtigt, weil das Wiedereinsetzungsvorbringen nicht bescheinigt wurde. Auf die nach Ablauf der Frist des § 46 Abs. 3 VwGG nachgeschobenen Wiedereinsetzungsgründe war nach den oben angeführten Grundsätzen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr einzugehen.

Im übrigen wäre dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Inhalt der Berufung der Erstbeschwerdeführerin und auf den Familienzusammenhang mit den schon in den Berufungen der beiden anderen Beschwerdeführer gebrauchten Namen M auch auf Basis des Vorbringens in der Eingabe vom 21. November 1996 ein Organisationsverschulden vorzuwerfen, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt.

Da eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand somit nicht stattfindet, waren die gleichzeitig mit den diesbezüglichen Anträgen eingebrachten Beschwerden wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf die sinngemäße Anwendung des § 51 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Aufforderung an die belangte Behörde, zur Prüfung der Zulässigkeit einer Beschwerde die Verwaltungsakten vorzulegen, ist in Ansehung des Aufwandersatzes für die Aktenvorlage der Einleitung des Vorverfahrens im Sinne des § 51 VwGG gleichzuhalten.

Der für die Vorlage der Akten sämtlicher Beschwerdeführer insgesamt geltend gemachte Vorlageaufwand von S 565,-- war den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen aufzuerlegen.

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