Normen
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §15;
FrG 1993 §65;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §15;
FrG 1993 §65;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit ihrer am 7. Februar 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz eingelangten Eingabe vom 4. Februar 1994 beantragte die Beschwerdeführerin, ihr "eine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet zu erteilen". In einer am 2. Mai 1994 im erstinstanzlichen Verfahren in Beantwortung eines Vorhaltes der Behörde erstatteten Stellungnahme der Beschwerdeführerin heißt es abschließend:
"Die Antragstellerin bleibt daher bei ihrer Ansicht, daß ihr auf Grund der menschenrechtlichen Situation eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist."
Über diesen Antrag entschied die Bezirkshauptmannschaft Bludenz mit Bescheid vom 16. August 1994, dessen Kopf und Spruch wie folgt lauten:
" B e s c h e i d
Mit Eingabe vom 04.02.1994, eingelangt am 07.02.1994, beantragt die türkische Staatsangehörige HK die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz.
Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens ergeht über den Antrag gemäß § 6 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes i.V.m. der Verordnung des Landeshauptmannes, LGBl. Nr. 32/1993, folgender
S p r u c h :
Dem Antrag wird gemäß §§ 1, 2, 3 und 5 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 446/92 i.d.g.F., keine Folge gegeben."
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei mit einem Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist. Die gegenständliche Bewilligung solle daher im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege vor. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie im wesentlichen die Auffassung vertrat, ihr stehe auf Grund der Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Anspruch auf Familiennachzug zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1995 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei am 16. August 1993 mit einem Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer bis 9. November 1993 eingereist. Den gegenständlichen Antrag habe sie am 7. Februar 1994 eingebracht. Die Bewilligung solle daher im Anschluß an einen Touristensichtvermerk erteilt werden. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege vor.
Da der Touristensichtvermerk der Beschwerdeführerin bis 9. November 1993 befristet gewesen sei und sie nach dessen Ablauf weiter, wider dem § 15 FrG im Bundesgebiet aufhältig sei, liege auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.
Eine auf § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützte Entscheidung stelle einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in nachstehenden Rechten verletzt:
"* Recht auf Privat- und Familienleben (§ 19 Fremdengesetz)
* Recht auf Beachtung der Assoziationsintegration (Art. 6 u. 7. des ARB Nr. 1/80 zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei)
* Recht auf Parteiengehör
* Recht auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung
* Recht auf Beachtung einer Änderung der Rechtslage".
Die Beschwerdeführerin macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
- 4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
- 6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;
..."
Aus der oben wiedergebenen Anführung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Rechte ist gerade noch erkennbar, daß sie sich auch (mittelbar durch die Mißachtung von Verfahrensrechten) in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt erachtet. In Ansehung dieses Beschwerdepunktes ist die Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls gegeben.
Die Beschwerdeführerin tritt der maßgeblichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach sie mit einem Touristensichtvermerk eingereist sei und sich seither im Inland aufhalte, nicht entgegen. Auf Basis dieser unbekämpften Bescheidfeststellungen liegt der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Dies ist nämlich bereits dann der Fall, wenn sich ein Fremder in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine mit Touristensichtvermerk erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0534). Ein nicht nahtloser Anschluß an den Touristensichtvermerk hindert die Verwirklichung des Versagungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0293). Eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden kommt bei einer auf § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen nicht in Betracht.
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ein ihr als türkischer Staatsbürgerin behauptetermaßen zustehendes Recht auf Grund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates, somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Union (siehe § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG; vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424), beruft, stünde ihr ein solches Recht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. In ein danach allenfalls bestehendes Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Daher ist die Frage, ob der Beschwerdeführerin eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 95/19/1469, dargelegt hat, böte der - hier behauptete -, erst ab 1. Jänner 1995 denkmögliche, zwischenzeitige Erwerb eines Aufenthaltsrechtes aufgrund des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses keine Rechtsgrundlage dafür, einem Fremden eine Bewilligung nach dem AufG zu erteilen, obwohl er sich nach sichtvermerksfreier Einreise im Bundesgebiet aufhält. Diese Überlegungen haben gleichermaßen für einen Aufenthalt im Anschluß an eine Einreise mit Touristensichtvermerk Gültigkeit.
Die Beschwerdeführerin sieht sich dessenungeachtet (auch) in ihrem behaupteten Recht auf Grund des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses verletzt, weil der angefochtene Bescheid in seiner Begründung ausführt, die Beschwerdeführerin halte sich entgegen der Bestimmung des § 15 FrG (unrechtmäßig) im Bundesgebiet auf. Dieser Argumentation der Beschwerdeführerin ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Begründung eines Bescheides im allgemeinen keine normative Kraft hat. Eine unrichtige Begründung kann daher einen Bescheid, dessen Spruch rechtmäßig ist, nicht rechtswidrig machen. Ausnahmen hievon bestehen lediglich für den Fall der Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG und für den kassatorischen Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß Art. 119a Abs. 5 B-VG (vgl. hiezu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 419). Ansonsten kann die Begründung lediglich für die Auslegung der im Spruch enthaltenen Norm von Bedeutung sein. Ein klarer Spruch kann jedoch aus der Begründung nicht umgedeutet oder ergänzt werden. Gegenstand des Spruches des angefochtenen Bescheides war aber die Abweisung der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 16. August 1994. Dieser erstinstanzliche Bescheid hat seinem klaren Inhalt nach über einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz abgesprochen.
Insoweit sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, sie habe ihren Antrag nicht auf das Aufenthaltsgesetz beschränkt, ist ihr zwar einzuräumen, daß die Antragstellung auf "Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung" undeutlich gewesen sein mag. In ihrer Stellungnahme vom 2. Mai 1994 präzisierte sie diese Antragstellung jedoch jedenfalls insoweit, daß sie (auch) die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz anstrebt. Nur über einen solchen Antrag hat die Bezirkshauptmannschaft Bludenz am 16. August 1994 entschieden. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob durch diesen Bescheid der Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. Februar 1994 vollständig erledigt wurde oder nicht. Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, der Antrag vom 4. Februar 1994 sei auch auf die Erlangung anderer Aufenthaltsberechtigungen (etwa auf die Erteilung eines Sichtvermerkes durch die Bezirkshauptmannschaft Bludenz als Fremdenpolizeibehörde) gerichtet, änderte dies nichts daran, daß "Sache" des Berufungsverfahrens lediglich jener Anspruch war, über den der erstinstanzliche Bescheid abgesprochen hat, also der - jedenfalls - gestellte Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 96/19/1468).
Nach dem Vorgesagten vermag die Beschwerdeführerin auch mit der Behauptung, ihr stünde nach den Bestimmungen des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses ein Anspruch auf deklaratorische Feststellung der Aufenthaltsberechtigung zu, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil die Erlassung eines derartigen Feststellungsbescheides nicht "Sache" des Berufungsverfahrens war. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom heutigen Tage dargelegt hat, stellt die Erlassung eines Feststellungsbescheides gegenüber der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein "aliud" dar.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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