VwGH 96/19/0212

VwGH96/19/021212.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des VS in Theresienfeld, geboren 1958, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in 2700 Wr. Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juli 1995, Zl. 114.487/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §15;
FrG 1993 §19;
KDV 1967 §4 Abs4;
KFG 1967 §6 Abs5;
EMRK Art8;
StVO 1960 §19 Abs4;
StVO 1960 §52 Z24;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1993 §15;
FrG 1993 §19;
KDV 1967 §4 Abs4;
KFG 1967 §6 Abs5;
EMRK Art8;
StVO 1960 §19 Abs4;
StVO 1960 §52 Z24;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsangehöriger, verehelichte sich am 4. Dezember 1993 mit einer österreichischen Staatsbürgerin und ist seit dem 9. Februar 1994 in Theresienfeld polizeilich gemeldet. Am 13. April 1994 hatte der Beschwerdeführer im Weg über die österreichische Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt, wobei er als Aufenthaltszweck den der unselbständigen Tätigkeit als Maler ebenso angab wie den der Familiengemeinschaft mit seiner Ehegattin. Dieser Antrag wurde vom Beschwerdeführer, ebenfalls im Weg über die österreichische Botschaft in Preßburg am 2. Dezember 1994 wiederholt. Diesem Antrag war ein "Dienstzeugnis" der K Gesellschaft m.b.H. in Wiener Neustadt beigelegt, aus dem hervorging, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 21. Juni 1994 bis 19. August 1994 im dortigen Unternehmen als Maler und Anstreicher zur vollsten Zufriedenheit beschäftigt gewesen sei.

Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung wies mit Bescheid vom 13. September 1994 den Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet aus, da er sich im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhalte, zur Arbeitsaufnahme nicht berechtigt sei, trotzdem aber illegal im Bundesgebiet gearbeitet habe.

Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt führte aufgrund der vorliegenden Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein Ermittlungsverfahren durch und brachte dem Beschwerdeführer zur Kenntnis, daß er wegen Übertretungen der StVO, der KDV und des KFG rechtskräftig bestraft worden sei, daß er des weiteren ohne Aufenthaltsbewilligung eine Beschäftigung ausgeübt habe und sich bewilligungslos nach sichtvermerksfreier Einreise im Bundesgebiet aufhalte.

In seiner Stellungnahme dazu erklärte der Beschwerdeführer unter alleiniger Bezugnahme auf die ihm vorgehaltenen Verwaltungsübertretungen im Bereich des Straßenverkehrs, daß diese keine Rechtsgrundlage darstellten, um seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abzuweisen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 25. Jänner 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. April 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes abgewiesen. Als Begründung wurden die Übertretungen der vorhin genannten Verwaltungsvorschriften herangezogen, der nach sichtvermerksfreier Einreise illegale Aufenthalt im Bundesgebiet sowie die Aufnahme einer Beschäftigung in diesem Zeitraum.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung erklärte der Beschwerdeführer, es sei zwar richtig, daß er eine Beschäftigung in dem von der Behörde angenommenen Zeitraum aufgenommen habe, es sei ihm jedoch nicht bewußt gewesen, daß er dafür eine Aufenthaltsbewilligung oder einen Sichtvermerk brauchen würde, da er ja im Besitz eines Dienstpasses gewesen sei, der ihm eine sichtvermerksfreie Einreise sowie einen sichtvermerksfreien Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet gewährleistet habe. Die Behörde erster Instanz scheine übersehen zu haben, daß seine Gattin und er eine gemeinsame Wohnadresse nachweisen könnten und auch an dieser Adresse gemeinsam wohnten. Er sei ins österreichische Wirtschafts- und Sozialleben voll integriert; eine Abweisung seines Antrages stelle jedenfalls einen groben Verstoß gegen § 19 Fremdengesetz (Schutz des Privat- und Familienlebens) dar.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juli 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich bei der Annahme des Vorliegens des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG darauf, daß der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt rechtskräftig wegen Übertretungen

1. des § 19 Abs. 4 letzter Satz, § 52 Z. 24

erster Satz StVO mit ÖS 600,--

  1. 2. des § 4 Abs. 4 KDV 1964 mit ÖS 400,-- sowie
  2. 3. des § 6 Abs. 5 KFG 1967 mit ÖS 300,-- bestraft worden sei.

    Wenn der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 24. Jänner 1995 die Geringfügigkeit dieser Vergehen betont habe, so sei zu bemerken, daß nicht die Höhe der Bestrafung Berücksichtigung finde, sondern der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer schon vor der eventuellen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung der österreichischen Rechtsordnung mehrmals widersetzt habe. Bezüglich der Aufnahme einer Beschäftigung sei anzumerken, daß diese Tatsache sehr wohl einen Rechtsverstoß darstelle. Darüberhinaus halte sich der Beschwerdeführer gemäß § 15 FrG illegal im Bundesgebiet auf. Dieser Umstand ziehe die Rechtsfolgen des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nach sich. Damit liege ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor und es könne dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwögen daher die privaten Interessen.

    Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 26. September 1995, B 2627/95-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

    In seiner Beschwerdergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

    Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (12. Juli 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

    § 5 Abs. 1 AufG in dieser Fassung lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. Der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, daß es nicht als angemessen erachtet werden könne, wenn bereits geringfügige Übertretungen der Straßenverkehrsordnung dazu herangezogen würden, einen Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG anzunehmen und einem derart geringfügigen Fehlverhalten bereits die Wertigkeit der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zuzusprechen.

Für die Beurteilung, ob vom Aufenthalt einer Person eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ausgeht, ist grundsätzlich nicht das Vorliegen verwaltungsbehördlicher Bestrafung maßgebend; wesentlich ist vielmehr, ob das Gesamtverhalten des Antragstellers (des Beschwerdeführers) Grund zur Annahme bietet, sein Aufenthalt gefährde die (oder zumindest eines der) in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1671 m.w.N.). Dabei hat die belangte Behörde eine Würdigung des Verhaltens des Beschwerdeführers anhand der Art der gesetzten Delikte, der Anzahl und des zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich auffällig geworden ist, vorzunehmen. Bei der von den Verwaltungsbehörden zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist auch auf das Verhalten des Beschwerdeführers seit der zugrundegelegten Straftat abzustellen.

Der Beschwerdeführer ist mit seiner Argumentation, wonach das Verhalten im Straßenverkehr und die von der Behörde angeführten Verwaltungsübertretungen für die gestellte Gefährdungsprognose nicht ausreichend seien, im Recht. Aus der Tatbildmäßigkeit der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Delikte allein ist nämlich nicht abzuleiten, daß dieser in Zukunft eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstellen werde (vgl. das obzitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997).

Die belangte Behörde hat sich aber nicht allein auf die Verwaltungsübertretungen, sondern auch auf die Tatsache des gesetzwidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gestützt. Der Beschwerdeführer konnte als Inhaber eines Dienstpasses gemäß Art. 3 des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der sozialistischen Republik Rumänien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 39/1969, sichtvermerksfrei nach Österreich einreisen und sich drei Monate im Bundesgebiet aufhalten. Die dieses Privileg beendende teilweise Aussetzung der Anwendung des obgenannten Abkommens auf rumänische Staatsbürger, die mit Dienstpässen einreisten, trat erst am 1. Dezember 1994 in Kraft (BGBl. Nr. 948/1994).

Der Beschwerdeführer konnte daher sichtvermerksfrei nach Österreich einreisen und war nach der obgenannten Bestimmung auch berechtigt, sich nach der Einreise drei Monate in Österreich aufzuhalten. Nach Ablauf dieser drei Monate hielt sich der Beschwerdeführer aber unrechtmäßig im Inland auf. Den an die letzte Einreise des Beschwerdeführers im Mai 1994 anschließenden ständigen Aufenthalt im Inland hat der Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens, in dem ihm dieser unrechtmäßige Aufenthalt in Wahrung des Parteiengehörs und auch im erstinstanzlichen Bescheid vorgehalten wurde, nie in Abrede gestellt. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer sei immer wieder nach Rumänien ausgereist und habe lediglich versucht, den Kontakt zu seiner Gattin für jeweils längere Zeiträume aufrecht zu erhalten, war aufgrund des gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht weiter zu beachten. Im übrigen wäre dem Beschwerdeführer eine sichtvermerksfreie Einreise nach Österreich ab dem 1. Dezember 1994 nicht mehr möglich gewesen. Die dann - mangels Behauptung eines Einreisetitels - ungesetzliche Einreise ins Bundesgebiet hätte ebenfalls den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG erfüllt.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie annahm, daß der Beschwerdeführer nach Ablauf des dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthaltes nach sichtvermerksfreier Einreise in Österreich verblieben ist.

Eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Gleiches gilt für einen längerdauernden unberechtigten Aufenthalt im Anschluß an den dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0269).

Die Behörde ist sohin aufgrund des unberechtigten Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Inland zutreffend vom Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und damit auch vom Vorliegen eines Ausschließungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG ausgegangen. Ein Eingehen auf die Frage, ob der Beschwerdeführer (auch) ungesetzlich einer Beschäftigung nachging, erübrigt sich daher.

Liegt aber der Ausschließungsgrund im Sinn des § 5 Abs. 1 AufG vor und macht der Beschwerdeführer - gerade noch - erkennbar geltend, daß er infolge der Beziehung zu seiner in Österreich lebenden Ehegattin gemäß § 3 des AufG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung habe, ist ihm zu erwidern, daß bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes eine Aufenthaltsbewilligung an die im § 3 Abs. 1 AufG genannten Personen nicht erteilt werden darf (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 1996, Zl. 96/19/1046, 1047 und vom 13. Juni 1997, Zl. 96/19/0001, 0002).

Auf den Einwand des Beschwerdeführers betreffend die Verletzung seines Rechtes auf Privat- und Familienleben (Art. 8 MRK) ist zu entgegnen, daß auf die aus dem Aufenthalt der Ehegattin abgeleiteten familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet bei einer Erforderlichkeitsprüfung vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 2 MRK nicht Bedacht zu nehmen ist, zumal ansonsten ein Wertungswiderspruch zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, wonach die Erteilung eines Sichtvermerkes u.a. zu versagen ist, wenn dieser zeitlich an eine sichtvermerksfreie Reise anschließen soll, entstünde (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0555 und vom 30. Mai 1996, Zl. 96/19/0836). Eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden kommt nämlich bei einer auf diese Bestimmung gestützten Entscheidung aus dem vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen nicht in Frage (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1404, sowie vom 13. Juni 1997, Zl. 96/19/0001, 0002).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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