VwGH 96/15/0209

VwGH96/15/020920.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, Wiener Straße 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. September 1995, Zl. II/1-BE-462-17-95, betreffend Lustbarkeitsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Tulln, Stadtamt Tulln, Nußallee 4, 3430 Tulln), zu Recht erkannt:

Normen

LustbarkeitsabgabeG NÖ §1 Abs1;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §3 litp;
LustbarkeitsabgabeV Tulln 1992 §5;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §1 Abs1;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §3 litp;
LustbarkeitsabgabeV Tulln 1992 §5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin vermietet Videofilme und Videospiele.

Unter Berufung auf Art. 139 Abs. 1 letzter Satz B-VG hatte sie beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 5 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Tulln vom 10. Dezember 1992 über die Ausschreibung einer Lustbarkeitsabgabe (im folgenden VO) als gesetzwidrig beantragt; die Besteuerung verstoße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit.

Der Verfassungsgerichtshof wies den Antrag mit Beschluß vom 20. Juni 1994, V 59/94, als unzulässig zurück. Die Antragslegitimation nach Art. 139 Abs. 1 letzter Satz B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden. Der durch die zitierte Verfassungsbestimmung dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf sei dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung stehe. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sei ein solcher Weg hier gegeben. Die Lustbarkeitsabgabe sei gemäß § 17 und § 18 des Niederösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetzes iVm § 153 der Niederösterreichischen Abgabenordnung aufgrund der Lustbarkeitsabgabeerklärung im Wege der Selbstbemessung zu entrichten. Wie sich schon aus der Begründung der gleichfalls Selbstbemessungsabgaben betreffenden Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1992, G 35/92, und vom 23. Juni 1993, V 19/93, ergebe, hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückerstattung der von ihr im Wege der Selbstbemessung entrichteten Lustbarkeitsabgabe mit der Begründung zu stellen, die Abgabenentrichtung habe sich im Hinblick auf die Gesetzwidrigkeit der Verordnung als unrichtig erwiesen. Dieser Weg zur Erwirkung eines Bescheides sei der Beschwerdeführerin zumutbar und ermögliche ihr, die Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Rechtsgrundlage der sie treffenden Abgabepflicht an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Mit dem an die mitbeteiligte Stadtgemeinde Tulln gerichteten Antrag vom 24. August 1994 begehrte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der im Zeitraum vom 1. Jänner 1993 bis 30. Juni 1994 geleisteten Lustbarkeitsabgabe im Betrag von S 59.285,--. § 5 der VO sei verfassungswidrig.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde Tulln wies den Antrag mit Bescheid vom 24. Jänner 1995 als unbegründet ab.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde Tulln mit Bescheid vom 18. Mai 1995 ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung an die belangte Behörde. Diese wies die Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin verstoße die Vorschreibung von Lustbarkeitsabgabe gegen den Gleichheitssatz und verletze das Recht auf freie Berufsausübung, weshalb sie die Rückerstattung der geleisteten Abgabe begehre. Das Niederösterreichische Lustbarkeitsabgabegesetz enthalte keine Regelung über die Rückzahlung von Abgaben. Die gesetzliche Grundlage für die Rückzahlung von Abgaben könne daher nur in den §§ 186 f der Niederösterreichischen Abgabenordnung gesehen werden. Die belangte Behörde könne keinen Grund für die Rückzahlung der geleisteten Abgaben erkennen. In § 3 lit. p des Niederösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetzes werde geregelt, daß das Vermieten von Videofilmen eine Lustbarkeit im Sinne dieses Gesetzes darstelle. Auf dieser gesetzlichen Grundlage habe die mitbeteiligte Stadtgemeinde Tulln die VO erlassen. Die Verordnung sei ordnungsgemäß kundgemacht. Die inhaltliche Prüfung der gehörig kundgemachten Verordnung sowie des Niederösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetzes hinsichtlich einer allfälligen Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten obliege nicht der belangten Behörde. Die Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde Tulln entspreche der derzeit gültigen Rechtslage, sodaß eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden könne und die Vorstellung abgewiesen werden müsse.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 11. Juni 1996, B 3289/95, ab. Mit Beschluß vom 16. September 1996 trat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin verletzt im Recht auf Rückzahlung von Lustbarkeitsabgabe in Höhe von S 59.285,-- und macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 1 des Niederösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetzes legt fest, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes in jenen Gemeinden gelten, in denen durch Gemeinderatsbeschluß Lustbarkeitsabgaben in Hundertteilen des Eintrittsgeldes bis zum bundesgesetzlich bestimmten Höchstausmaß erhoben werden. Gemäß § 3 lit. p leg. cit. gelten als Lustbarkeiten u.a. folgende Veranstaltungen:

"das Vermieten von Programmträgern (z.B. Kassetten oder Disketten) für Videospiele, von Videofilmen sowie von Schmalfilmen oder auf sonstigen Bildträgern aufgezeichneten Filmen, ausgenommen die Vermietung an Unternehmer, die die Programmträger oder Filme zur Weitervermietung oder vergnügungssteuerpflichtigen bzw lustbarkeitsabgabepflichtigen Verwendung anmieten".

§ 5 der VO lautet:

"Für das Vermieten von Programmträgern für Videospiele, von Videofilmen sowie von Schmalfilmen oder auf sonstigen Bildträgern aufgezeichneten Filmen beträgt die Abgabe gemäß § 24a NÖ Lustbarkeitsabgabegesetz, LGBl. 3703-1, 10 % des Entgeltes."

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde hätte bei richtiger Anwendung der rechtlichen Bestimmungen zu dem Ergebnis kommen müssen, daß eine Besteuerung von Videothekaren mit Lustbarkeitsabgabe nicht rechtmäßig sei und daher dem Rückzahlungsantrag Folge zu geben sei. Die belangte Behörde hätte zu der Auslegung gelangen müssen, daß die Tätigkeiten von Videothekaren keine Veranstaltungen iSd Niederösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetztes seien und daher keine Steuerpflicht gegeben sei. Zudem werde im Geschäftslokal der Beschwerdeführerin "nicht eine unmittelbare Lustbarkeit befriedigt" und würden die ausgeborgten Kassetten lediglich einem begrenzten Zuschauerkreis zur Darbietung angeboten.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Gemeindeabgabenbehörden und die belangte Behörde in der gegenständlichen Rückerstattungsangelegenheit an die Bestimmung des § 5 der VO gebunden waren. Aufgrund dieser Norm war von der Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Lustbarkeitsabgabe für die in Rede stehende Vermietung auszugehen. Auch bei Beachtung des Gebotes der gesetzeskonformen Interpretation von Verordnungen ergibt sich zweifelsfrei, daß diese Vermietung von Videokassetten den Abgabentatbestand erfüllt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde daher zu Recht die Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde Tulln bestätigt, mit welcher der Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführerin im Instanzenzug abgewiesen worden war.

Gegen die Gesetzmäßigkeit des § 5 der VO sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden (vgl. nochmals den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 1996,

B 3289/95, mwH).

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verodnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stichworte