Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.910,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1935 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. Oktober 1995 als Fachoberlehrerin i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund; ihre letzte Dienststelle war die Handelsakademie I der Wiener Kaufmannschaft.
Am 7. Jänner 1993 erlitt die Beschwerdeführerin einen Dienstunfall (komplizierter Bruch des rechten Unterschenkels mit Dauerfolgen). Sie erhielt deshalb mit Bescheiden der BVA eine Versehrtenrente, letztlich als Dauerrente ab 1. Jänner 1995 in Höhe von 30 % der Vollrente zuerkannt. Maßgebend dafür waren - wie dem Bescheid der BVA vom 28. Dezember 1994 zu entnehmen ist - folgende Feststellungen:
"Als Folge nach Ihrem Dienstunfall vom 7.1.1993 bestehen eine Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes rechts, eine mäßige Schwellneigung und eine herabgesetzte Belastbarkeit des rechten Unterschenkels, eine leichte Gangstörung sowie glaubhafte, subjektive Beschwerden."
Mit Bescheid vom 29. August 1995 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 30. September 1995 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Zur Begründung wurde in diesem Bescheid im wesentlichen nur darauf hingewiesen, daß eine dauernde Dienstunfähigkeit nach den amtsärztlichen Gutachten vom 13. März und vom 21. Juni 1995 gegeben sei und die Beschwerdeführerin selbst ihre Ruhestandsversetzung beantragt habe.
In weiterer Folge erhielt die Beschwerdeführerin mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. September 1995 die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG 1965, wobei sich die Begründung in einer Bezugnahme auf das amtsärztliche Gutachten vom 21. Juni 1995 erschöpft.
Auf Grund einer Mitteilung des Bundesrechenamtes als Pensionsbehörde erster Instanz erlangte die belangte Behörde nach der Aktenlage Kenntnis davon, daß die Beschwerdeführerin im Bezug einer Versehrtenrente nach dem B-KUVG steht. Daraufhin erging der angefochtene Bescheid mit folgendem Spruch:
"Der Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 29. September 1995, Zl. 175.967/20-III/16b/95, wird gemäß § 13 Absatz 1 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, BGBl. Nr. 29/1984, in der derzeit geltenden Fassung, aufgehoben."
Zur Begründung wird nach Wiedergabe des im wesentlichen bereits dargestellten Verfahrensablaufes weiter ausgeführt, die Ermittlungen hätten ergeben, daß die Beschwerdeführerin den Stadtschulrat für Wien (Dienstbehörde erster Instanz) über die Zuerkennung einer Versehrtenrente nicht in Kenntnis gesetzt habe. Eine diesbezügliche Mitteilung sei auch seitens der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) an die belangte Behörde unterblieben. Ebenso habe die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Verfahren betreffend ihre Ruhestandsversetzung die Tatsache des Versehrtenrentenbezuges nicht erwähnt. Dieser Umstand sei erst in Verbindung mit der Anweisung des Ruhebezuges durch das Bundesrechenamt in dem von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Fragebogen zutage getreten.
Nach Wiedergabe des § 9 Abs. 1 und Abs. 4 PG 1965 führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, da die Beschwerdeführerin den Umstand des Bezuges einer Dauerrente ihrer Dienstbehörde nicht bekanntgegeben habe und dies auch der belangten Behörde bei Erlassung ihres Zurechnungsbescheides nicht bekannt gewesen sei, sei auf Grund der eindeutigen Bestimmungen des § 9 PG 1965 die Voraussetzung für die Zurechnung von Jahren nicht mehr gegeben und daher der Bescheid vom 29. September 1995 aufzuheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Die Beschwerdeführerin hat zur Gegenschrift eine Äußerung abgegeben, in der sie die Angaben der belangten Behörde in der Gegenschrift, die Ursache ihrer Dienstunfähigkeit sei in ihrer auf den Dienstunfall zurückzuführenden eingeschränkten körperlichen Mobilität zu sehen, als "völlig unwahr" bezeichnet, die entsprechenden Passagen der genannten ärztlichen Gutachten aus dem Rentenverfahren zitiert und dem die ihrer Auffassung nach für die Ruhestandsversetzung maßgebenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen gegenüberstellt und sich mit der Behauptung, sie habe den Versehrtenrentenbezug nicht bekanntgegeben, auseinandersetzt.
Dementgegen hielt die belangte Behörde ihre Ausführungen aufrecht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf, daß ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem ihr nach § 9 Abs. 1 PG 1965 zehn Jahre zur ruhegenußfähigen Bundesdienst zugerechnet worden sind, nicht ohne Vorliegen der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen insbesondere nach § 13 DVG in Verbindung mit § 9 Abs. 4 PG 1965 aufgehoben wird und sie daher diese Begünstigung (Zurechnung) nach § 9 Abs. 1 PG 1965 verliert, obgleich sie die Anspruchsvoraussetzungen dafür erfüllt, durch unrichtige Anwendung der zitierten Normen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
In Ergänzung zu § 68 AVG bestimmt § 13 Abs. 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, daß in Dienstrechtsangelegenheiten eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig ist, wenn die Partei wußte oder wissen mußte, daß der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.
§ 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985, lautet:
"(1) Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."
Abs. 4 dieser Bestimmung (gleichfalls in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle) lautet:
"(4) Die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die Erwerbsunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund die Versehrtenrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten gebührt."
Gemäß § 101 Abs. 1 B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum rechtlichen Zusammenhang zwischen Abs. 1 und Abs. 4 des § 9 PG 1965 bei gegebenem Anspruch des damaligen Beschwerdeführers auf Versehrtenrente nach dem B-KUVG ausgeführt, eine Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG 1965 sei - um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden - dann ausgeschlossen, wenn die Erwerbsunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten (Lehrer) aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus der Unfallversicherung zusteht. Der berentete Dienstunfall muß demnach für die Erwerbsunfähigkeit kausal sein. Die Wertigkeit der verursachenden Bedingung, die zur Annahme des erforderlichen Kausalitätszusammenhanges führt, ist in Verbindung mit dem Kumulierungsverbot zu sehen. Daraus ist abzuleiten, daß der geforderte Kausalzusammenhang zwischen Erwerbsunfähigkeit und dem nach dem B-KUVG berententen Dienstunfall dann gegeben ist, wenn dieser Dienstunfall als "wirkende" - nicht bloß unwesentliche - Bedingung für die Erwerbsunfähigkeit in Betracht kommt (vgl. insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 91/12/0025).
Im Beschwerdefall stützt die belangte Behörde ihre aufhebende Entscheidung gemäß § 13 Abs. 1 DVG lediglich auf die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe "den Umstand des Bezuges einer Dauerrente ihrer Dienstbehörde nicht bekanntgegeben" und ihre eigene Unkenntnis. Deshalb meint die belangte Behörde, es sei auf Grund der "eindeutigen Bestimmungen des § 9 Pensionsgesetz 1965 die Voraussetzung für die Zurechnung von Jahren nicht mehr gegeben".
Damit geht die belangte Behörde ersichtlich von einer unrichtigen Rechtsauffassung aus.
Voraussetzung für die Anwendung des § 13 Abs. 1 DVG ist, daß der aufgehobene Bescheid, also im Beschwerdefall der Bescheid der belangten Behörde vom 29. September 1995, gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt und daß der Beamte dies wußte oder wissen hätte müssen. Die erstgenannte Voraussetzung wäre dann erfüllt, wenn die Zurechnung von Jahren nach § 9 Abs. 1 PG 1965 im Abs. 4 der genannten Bestimmung generell durch den Bezug von Versehrtenrente ausgeschlossen wäre. Dies ist aber nicht der Fall, weil zwischen der Erwerbsunfähigkeit und den Folgen des Dienstunfalles der vorher unter Angabe von Rechtsprechung aufgezeigte Kausalitätszusammenhang gegeben sein muß. Daß ein solcher Zusammenhang im Beschwerdefall gegeben wäre, läßt sich aber auch unter Heranziehung der Aktenlage nicht erkennen. Zum einen entbehrt der Zurechnungsbescheid der belangten Behörde vom 29. September 1995, der sich begründungsmäßig nur auf einen Hinweis auf das amtsärztliche Gutachten vom 21. Juni 1995 beschränkt, jeglicher Darlegung hinsichtlich der damals von der belangten Behörde angenommenen Erwerbsunfähigkeit (diese hätte als Rechtsbegriff von der belangten Behörde beurteilt werden müssen). Zum anderen deuten die vorgelegten Verwaltungsakten iVm dem Beschwerdevorbringen darauf hin, daß die Beschwerdeführerin nach ihrem Dienstunfall offenbar noch eine Zeit lang Dienst geleistet hat und für ihre Ruhestandsversetzung eine ganze Reihe von anderen gesundheitlichen Problemen maßgebend gewesen sein dürften, die nicht durch den Dienstunfall kausal bedingt gewesen sind.
Da die belangte Behörde, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung, insbesondere die notwendigen Ermittlungen und Feststellungen zum Kausalzusammenhang zwischen dem berenteten Dienstunfall und der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin unterlassen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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