VwGH 96/09/0030

VwGH96/09/00301.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Hans Jürgen Jandrasits in Güssing, vertreten durch Dr. Richard Stengg, Rechtsanwalt in Oberwart, Wiener Straße 41, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 7. November 1995, Zl. OB. 314-483917-009, betreffend Dienstbeschädigungsleiden - Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG), zu Recht erkannt.

Normen

HVG §1 Abs1;
HVG §1 Abs2 Z6;
HVG §1 Abs1;
HVG §1 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 3. Jänner 1994 bis 29. November 1994 den ordentlichen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer. Er erlitt am 2. November 1994 nach Verlassen seines Dienstortes, der Benedek-Kaserne in Bruckneudorf, er habe sicher des Leopold Mayer in dessen PKW anläßlich eines Verkehrsunfalles auf der Bundesstraße 10 in Richtung Wien im Gemeindegebiet Bruck/Leitha um ca. 17.00 Uhr Gesundheitsschädigungen. Er stellte daraufhin einen Antrag auf Beschädigtenversorgung gemäß § 4 Abs. 1 HVG. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland abgelehnt, weil die geltend gemachten Gesundheitsschädigungen nicht als Dienstbeschädigungen anerkannt wurden. Die Behörde erster Instanz begründete ihre Ansicht damit, daß sich aus dem eingeholten Unfall- bzw. Gerichtsakt ergebe, daß der Beschwerdeführer sich zum Zeitpunkt des Unfalles nicht auf dem Weg zu seinem Wohnort in Großmürbisch befunden habe, sondern mit seinem Taufpaten und seinem Großcousin zu deren Wohnort in Ebergassing gefahren sei.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer ein, der Unfall habe sich auf dem Weg zwischen dem Ort der militärischen Dienstleistung und der Wohnung ereignet. Der Fahrer des KFZ habe sich zunächst entschlossen, die Route nach Oeynhausen/Baden zu wählen und dort auf die A 2 in Richtung Süden zu wechseln, um zu seinem Wohnort nach Großmürbisch zu gelangen. Der mit den Eltern des Beschwerdeführers verwandte bzw. verschwägerte Lenker des KFZ habe beabsichtigt, bei den Eltern des Beschwerdeführers diverse Gegenstände mitzunehmen. Die Fahrt in das südliche Burgenland nach Großmürbisch habe zwei Zwecken gedient, einerseits den Beschwerdeführer nach Hause zu bringen und andererseits auch Sachen für den persönlichen Gebrauch abzuholen sowie zumindest für einige Stunden auch mit den Verwandten zu plaudern. Aus dem zuletzt genannten Grund habe auch Wolfgang Jandrasits seinen Cousin nach Großmürbisch begleitet. Zum Beweis für das Vorbringen beantragte der Beschwerdeführer seine Einvernahme, jene des Wolfgang Jandrasits und die Beischaffung des Gerichtsaktes.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem sie der Berufung keine Folge gab und den angefochtenen Bescheid bestätigte. Sie begründete ihre Entscheidung damit, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Unfalles keineswegs auf dem direkten Weg zwischen dem Ort der militärischen Dienstleistung und der Wohnung befunden habe, sodaß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Z. 6 HVG nicht erfüllt seien. Zu dieser Ansicht sei die belangte Behörde auf Grund von Aussagen des Zeugen Wolfgang Jandrasits vom 6. November 1994 (diese war in dem von der Behörde erster Instanz bereits beigeschafften Akt des Bezirksgerichtes Bruck/Leitha enthalten) und am 31. März 1995 gelangt. Wolfgang Jandrasits habe angegeben, mit Herrn Mayer von Ebergassing nach Bruckneudorf gefahren zu sein, um den Versorgungswerber nach Ebergassing zurückzubringen. Es sei geplant gewesen, daß Herr Mayer anschließend mit dem Beschwerdeführer nach Großmürbisch weiterfahren sollte.

In der dagegen erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er führt aus, daß die belangte Behörde aktenwidrig festgestellt habe, daß Wolfgang Jandrasits angegeben habe, mit Herrn Mayer von Ebergassing nach Bruckneudorf gefahren zu sein, um den Versorgungswerber nach Ebergassing zurückzubringen. Dies sei aus der mit Wolfgang Jandrasits am 6. November 1994 anläßlich seiner noch im Krankenhaus vorgenommenen Einvernahme vor der Gendarmerie nicht abzuleiten. Eine Aussage vom 31. März 1995 gebe es nicht, es habe lediglich einen Rückruf des Wolfgang Jandrasits gegeben, es existiere allenfalls ein Aktenvermerk über dieses Telefonat. Die belangte Behörde hätte die beantragte Einvernahme des Beschwerdeführers und des Wolfgang Jandrasits durchführen müssen, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe mit seinem Onkel und seinem Cousin nach Hause fahren wollen, durch die angeblich zwei gleichlautenden Aussagen des Wolfgang Jandrasits nicht erschüttert werden könne.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 HVG ist eine Gesundheitsbeschädigung, die ein Wehrpflichtiger auf einem der folgenden Wege erlitten hat, als Dienstbeschädigung zu entschädigen, wenn sie nicht auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Wehrpflichtigen zurückzuführen ist. § 1 Abs. 2 Z. 6 nennt als solchen Weg: Im Falle eines Ausganges auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung.

Die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung setzt bei einem "Wegunfall" voraus, daß die Gesundheitsschädigung auf dem direkten Weg zwischen dem Ort der militärischen Dienstleistung und der Wohnung oder auf dem Rückweg erlitten wurde. Ein Abweichen von dieser Wegstrecke oder ihrer Richtung unterbricht nur dann nicht die Kausalitätskette, wenn ein Umweg ausschließlich dem Zweck dient, einem Hindernis auf dem direkten Weg auszuweichen und dennoch das Ziel zu erreichen.

Unter dem direkten Weg ist nicht ausschließlich der von der Wegstrecke gesehen absolut kürzest mögliche Weg zu verstehen, sondern jener Weg, den eine mit Vernunft begabte Person unter Bedachtnahme auf die herrschenden Straßen- und Verkehrsbedingungen wählen würde, um ehestbaldig das Ziel zu erreichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1991, Zl. 89/09/0154).

Auf Grund der im Verwaltungsakt enthaltenen Landkarte (Seite 67) ist die vom Beschwerdeführer behauptete Fahrstrecke unschwer nachzuvollziehen. Sie verläuft auf der - wie allgemein bekannt - gut ausgebauten und kurvenarmen Bundesstraße 10 von Bruck/Leitha nach Schwadorf, biegt dort Richtung Ebergassing ab und führt über Gramatneusiedl, Moosbrunn und Trumau zur Anschlußstelle Oeynhausen an die A 2 südöstlich von Baden. Der weitere Weg verliefe der A 2 folgend bis zur Abfahrt nach Oberwart, sodann auf der Bundesstraße 57 nach Güssing, von wo es nur mehr wenige Kilometer die Bundesstraße 57 verlassend nach Großmürbisch sind.

Diese behauptete Fahrtstrecke steht mit den oben genannten Kriterien an das Erfordernis des direkten Weges deshalb nicht im Widerspruch, weil sie die kilometermäßig zwar kürzere, jedoch kurvenreichere und zum Teil auf nicht so gut ausgebauten Straßen wie auf der behaupteten Route verlaufende Strecke entlang des Leithagebirges vermied.

Alleine aus der behaupteten Fahrtstrecke ist kein Argument gegen die Darstellung des Beschwerdeführers, er habe sich auf dem Weg von Bruckneudorf nach Großmürbisch befunden, zu gewinnen. Die belangte Behörde unterläßt es zudem auszuführen, welche Fahrtroute ihrer Meinung nach der direkte Weg zwischen Bruckneudorf und Großmörbisch bei Benützung eines Kraftfahrzeuges gewesen wäre.

Dieser Umstand gewinnt in Verbindung mit den von der belangten Behörde herangezogenen Beweisergebnissen entscheidende Bedeutung. Wolfgang Jandrasits gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 6. November 1994 wörtlich an:

"Ich fuhr am 2. November 1994, gegen 17.00 Uhr, mit meinem Onkel Leopold Mayer mit dessen PKW, Marke Mercedes, KZ N-106.148, auf dessen Beifahrersitz mit. Wir fuhren von Ebergassing weg und über Bruck/L., auf der B 10 wieder zurück."

Nach einer "Gesprächs-Notiz mit Herrn Wolfgang Jandrasits vom 31. März 1995 um 9.15 Uhr", welche mit Wien, am 30. Mai 1995 datiert ist und eine nicht identifizierbare Paraphe trägt (am rechten unteren Rand befindet sich ein weiteres Datum: 31.3.1995 samt anders gearteter Paraphe - siehe Verwaltungsakt Seite 115) - habe Wolfgang Jandrasits telefonisch auf die Frage, wohin sie sich von der Kaserne in Bruckneudorf mit dem Beschwerdeführer hätten begeben wollen, bekanntgegeben, daß sein Onkel (Herr Leopold Mayer) und er von Ebergassing kommend nach Bruckneudorf zur Kaserne gefahren seien und "wir wollten mit meinem Cousin, Herrn Hans-Jürgen J. (= der Beschwerdeführer) wieder nach Ebergassing auf der B 10 zurückfahren Geplant war, daß mein Onkel und Hans-Jürgen J. anschließend nach Großmürbisch weiterfahren wollten". Wolfgang J. habe, mit der Tatsache vertraut gemacht, daß der Beschwerdeführer nur von 16.45 Uhr bis 23.30 Uhr Ausgang gehabt habe, daraufhin hinzugefügt, daß ihm dies nicht bekannt gewesen sei und er auf Grund der langen Wegstrecke eine Weiterfahrt von Ebergassing nach Großmürbisch, ca. 140 km, eher als unwahrscheinlich betrachte.

Abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer dieser Aktenvermerk nicht in aktenkundiger Weise zur Kenntnis gebracht wurde, und der Aktenvermerk auf Grund der beiden darauf befindlichen, unleserlichen Paraphen sowie der unterschiedlichen Datumsangaben weder einem bestimmten Ersteller zugeordnet werden kann noch das Datum der Erstellung klar ist, läßt sich auch bei Voraussetzung der richtigen Wiedergabe der von Wolfgang Jandrasits telefonisch gemachten Angaben nicht ohne weiteres der von der belangten Behörde gezogene Schluß ableiten.

Angesichts des Umstandes, daß die im Sinne obiger Kriterien direkte Straßenverbindung zwischen dem Ort der militärischen Dienstleistung (Bruckneudorf) und der Wohnung des Beschwerdeführers (Großmürbisch) über Ebergassing führen konnte, ist den Angaben des Wolfgang Jandrasits nicht zwingend ein Abweichen vom direkten Weg bzw. eine Fahrt des Beschwerdeführers mit ausschließlichem Ziel Ebergassing abzuleiten. Ein allenfalls durchgeführter Halt, um Wolfgang Jandrasits aussteigen zu lassen, stellte keine relevante Fahrtunterbrechung dar. Da Wolfgang Jandrasits in dem von Mayer gelenkten Fahrzeug von Ebergassing zunächst nach Bruckneudorf fuhr, könnten seine Angaben, sie hätten nach Abholung des Beschwerdeführers von seinem Dienstort auf der B 10 nach Ebergassing zurückfahren wollen, durchaus auch in dem Sinne verstanden werden, sie wären im Zuge der über Ebergassing zur Anschlußstelle der A 2 führenden Fahrt nach Großmürbisch zunächst auf derselben Straße (B 10) wie bei der Hinfahrt zur Kaserne in Gegenrichtung zurückgefahren.

Auch die Zeit des gewährten Ausganges zwischen 16.45 Uhr bis 23.30 Uhr (das sind 6 Stunden und 45 Minuten) in Gegenüberstellung zur Wegstrecke Dienstort-Wohnort und zurück (ca. 300 km) läßt angesichts des laut Straßenkarte in dieser Strecke enthaltenen großen Anteils der Benützung der Autobahn A 2 allein für sich nicht die vom Beschwerdeführer behauptete Heimreise als ausgeschlossen erachten. Auf dieser Fahrtstrecke ist pro Fahrt im Normalfall nicht mit einer zwei Stunden je Strecke übersteigenden Fahrtzeit zu rechnen. Angesichts der gewährten Ausgangszeit verbleiben somit über 2 Stunden 30 Minuten. Diese Restzeit reichte dafür aus, daß der Beschwerdeführer die in der Berufung vorgebrachten Zwecke (Eltern- bzw. Verwandtenbesuch, Mitnahme einiger Sachen für den persönlichen Gebrauch, Plaudern mit den Verwandten) hätte realisieren können.

Durch die Unterlassung weiterer Ermittlungen, insbesondere Durchführung der beantragten Einvernahme des Wolfgang Jandrasits als Zeugen im Verwaltungsverfahren zur Aufklärung der Unklarheiten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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